Scheele-Tagung in Binz

Das Ende von Salbutamol ist nah

Binz - 14.11.2023, 07:00 Uhr

Das „blaue Spray“ verliert mit der neuen Asthma-Leitlinie an Bedeutung. (Foto: ColleenMichaels / AdobeStock)

Das „blaue Spray“ verliert mit der neuen Asthma-Leitlinie an Bedeutung. (Foto: ColleenMichaels / AdobeStock)


Die geschätzte Zahl von acht Millionen Asthmatikern lässt nur erahnen, wie oft Salbutamol-Präparate täglich über Deutschlands HV-Tische gereicht werden. Viele Patienten möchten das „blaue Spray“ gern in Griffnähe wissen. Doch damit dürfte bald Schluss sein: In der aktuellsten S2k-Leitlinie wird Salbutamol bereits nicht mehr als alleinige Bedarfsmedikation empfohlen, sondern höchstens noch geduldet.

Die im März erschienene S2k-Leitlinie zur fachärztlichen Diagnostik und Therapie von Asthma verfolgt ein völlig neues Konzept in der medikamentösen Asthma-Therapie: weg von der Symptom-Bekämpfung mit kurzwirksamen und nebenwirkungsreichen Medikamenten, hin zur Symptom-Prävention mit nachhaltigen und nebenwirkungsarmen Arzneimitteln. Das langfristige Ziel lautet Remission, das heißt die Abwesenheit von Symptomen über länger als zwölf Monate. Die modernen Therapien machen es möglich. 

Leitlinien-Erstautor Prof. Dr. med. Marek Lommatzsch, Uniklinik Rostock, erklärte am 12. November auf der Scheele-Tagung in Binz, warum somit die Salbutamol-Ära zu Ende gehen muss – und was stattdessen kommt.

Die inhalativen Beta-2-Sympathomimetika haben seit den 1960er Jahren Asthmatikern zum „Luftholen“ verholfen. Sie sind bei den Anwendern beliebt, da sie schnell und spürbar Linderung bringen. Professor Lommatzsch berichtete von einem 23-jährigen Patienten, der nichts außer Salbutamol anwendete. Als er sich in der Klinik mit starken Beschwerden vorstellte, lag seine Lungenfunktion nur noch bei 33 %, er litt unter massiver Entzündung und schwerer Obstruktion der Atemwege. 

Salbutamol vermag den Krankheitsverlauf bei Asthma nicht günstig zu beeinflussen, sondern kann im Gegenteil sogar schaden. Die Schleimhaut reagiert bei Monotherapie schließlich noch sensibler auf Reize und es kommt häufiger zu Asthmaanfällen, die Übersterblichkeit ist insgesamt erhöht. Mit diesem Wissen gilt Salbutamol als (alleinige) Bedarfstherapie heute als obsolet.

Besser „Öffnen und Löschen“

Die Zukunft gehört Fixkombinationen aus inhalativem Glucocorticoid (ICS) und schnellwirksamem Beta-2-Agonisten (z.B. Formoterol). Für diese Medikation wurde im Kontext einer Bedarfstherapie ein neuer Begriff geprägt: anti-inflammatory reliever. Professor Lommatzsch verbildlichte die Wirkweise mit dem Prinzip „Öffnen und Löschen“: Die Bronchien werden nicht nur erweitert, wie bei einer reinen Salbutamol-Gabe, sondern gleichzeitig wird die Entzündung „gelöscht“. Entsprechende Präparate sollten so früh wie möglich gegeben werden, um Anfällen vorzubeugen. 

Salbutamol als Monopräparat aus der Asthma-Therapie zu verbannen, ist eine weltweite Bewegung ausgehend von Deutschland. 
Spanien, Italien und Japan haben die Empfehlungen bereits übernommen, auch die europäische Leitlinie soll dahingehend geändert werden.

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Der oben beschriebene Patient hatte übrigens bereits nach zwei Wochen unter der Kombitherapie eine normale Lungenfunktion. Die später durchgeführte Hyposensibilisierung brachte das Asthma schließlich in Remission „off treatment“, das heißt, der Patient braucht heute keine Medikamente mehr.

Hyposensibilisierung in allen Stufen empfohlen

Zum maßgeschneiderten Konzept der DMAADs (disease-modifying anti-asthmatic drugs) zählt neben einer individuellen inhalativen Therapie auch eine moderne Allergen-Immuntherapie. Die Hyposensibilisierung hat eine Renaissance erlebt und wird heute in allen Stufen der Erkrankung empfohlen – sofern allergische Asthmaformen vorliegen –, auch parallel zur Gabe von Biologika bei besonders schweren Formen. 

Die sublinguale (SLIT) und subkutane Applikationsroute (SCIT) haben beide Vor- und Nachteile, so ist das Anaphylaxierisiko unter SLIT zehnfach geringer, bei der subkutanen Applikation ist dagegen die Adhärenz besser. Entscheidend für den Therapieerfolg ist eine ausreichend hohe Dosierung und die Auswahl eines zugelassenen Präparats, das sich spezifisch gegen Gräserpollen, Baumpollen oder Hausstaubmilben richtet.

Ein Auszug aus der S2k-Leitlinie zur fachärztlichen Diagnostik und Therapie von Asthma 2023 

„Eine Option bei Patienten in Therapiestufe 1 (Beschwerden seltener als zweimal pro Woche) ist die bedarfsweise Inhalation eines SABA [1]. Eine gehäufte Anwendung einer reinen SABA-Bedarfstherapie ist jedoch mit dem Risiko eines Verlustes an Asthma-Kontrolle, einer Zunahme der bronchialen Hyperreagibilität und einer erhöhten Mortalität verbunden [205]. Eine reine Bedarfstherapie mit einer Fixkombination aus einem ICS und dem FABA Formoterol (ICS/Formoterol-Fixkombination) ist sicherer und effektiver als eine reine SABA-Bedarfstherapie [202, 203, 206-208]. Die aktuellen GINA-Empfehlungen [56] sehen daher eine reine ICS/Formoterol-Bedarfstherapie als bevorzugte Therapie-Option in Stufe 1 an [209]. Eine Zulassung dieser Therapie-Option besteht in Europa derzeit nicht (Stand: 2022), wird aber von der NVL Asthma (2020) explizit als eine Therapie-Option genannt [1]. Eine reine ICS/Formoterol-Bedarfstherapie ist in Stufe 1 einer reinen SABA-Bedarfstherapie vorzuziehen [209]. Eine niedrig-dosierte ICS-Dauertherapie verringert Asthma-Exazerbationen und -Mortalität. Selbst in Stufe 1 reduziert eine niedrigdosierte ICS-Therapie das Risiko schwergradiger Asthma-bezogener Ereignisse ebenso wie den Verlust an Lungenfunktion im Verlauf und verbessert gleichzeitig die Symptom-Kontrolle [210]. Eine niedrigdosierte ICS-Dauertherapie sollte daher bereits bei Patienten mit Symptomen seltener als zweimal pro Woche, als Alternative zu den oben genannten Optionen, erwogen werden [56] (Abb. 5).“


Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Formoterol LABA, kein SABA

von Caren Ahnefeld am 19.11.2023 um 17:50 Uhr

“Die Zukunft gehört Fixkombinationen aus inhalativem Glucocorticoid (ICS) und schnellwirksamem Beta-2-Agonisten (z.B. Formoterol)” - Meines Wissens nach werden Formoterol und Salmeterol, anders als Salbutamol und Terbutalin nicht zu den SABA (bzw. schnell wirksamen Beta-2-Sympathomimetika) sondern zu den lang wirksamen (12 Stunden) Beta-2-Sympathomimetika = LABA gezählt. Dann gibt es auch noch die 24 Stunden wirksamen LABA Indacaterol und Olodaterol.
Mit freundlichen Grüßen

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Formoterol LABA, kein SABA

von DAZ-Redaktion am 20.11.2023 um 10:59 Uhr

Liebe Frau Ahnefeld,

Sie zitieren: „Die Zukunft gehört Fixkombinationen aus inhalativem Glucocorticoid (ICS) und schnellwirksamem Beta-2-Agonisten (z.B. Formoterol)“ und erklären, dass Formoterol anders als Salbutamol nicht zu den SABA, sondern zu den LABA zählt.

Dazu möchten wir gerne aus der Leitlinie zitieren, dass Formoterol weder ein SABA noch wirklich ein LABA, sondern ein FABA ist – was laut Leitlinie so aufgeschlüsselt wird:

- LABA, Long-Acting Beta-Agonist = Langwirksames Beta-Mimetikum)
- FABA, Fast-Acting Beta-Agonist (Raschwirksames Betamimetikum)
- SABA, Short-acting Beta-agonist

„Schnell“ ist also im Sinne von rasch und nicht im Sinne von kurz zu verstehen.

Sie liegen aber nicht falsch, denn in der Leitlinie heißt es auch: „Das LABA Formoterol weist einen raschen Wirkeintritt auf und ist zur Bedarfsmedikation bei Erwachsenen so effektiv wie ein SABA.“

Aber eben auch: „In jeder Therapiestufe kann zur Symptomkontrolle ein SABA eingesetzt werden. Bei Erwachsenen sind Fixkombinationen aus ICS und FABA (z. B. Formoterol) die zu bevorzugende Alternative.“

Ein FABA ist also ein raschwirksamer LABA .

Super spannend!

von Felix Maertin am 14.11.2023 um 21:05 Uhr

Mich würde allerdings auch ein Ausblick in die Kinderheilkunde interessieren, wird es dort ebenfalls eine solche „Revolution“ geben?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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