Frühe Nutzenbewertung des G-BA

Lasmiditan nicht besser als Triptane

Ulm - 18.10.2023, 11:45 Uhr

Die aktuelle Migräne-Leitlinie ordnet Lasmiditan derzeit nicht an erster Stelle bei der Therapie einer akuten Migräneattacke ein. (Symbolfoto: polkadot / AdobeStock)

Die aktuelle Migräne-Leitlinie ordnet Lasmiditan derzeit nicht an erster Stelle bei der Therapie einer akuten Migräneattacke ein. (Symbolfoto: polkadot / AdobeStock)


Der G-BA sieht bei der Nutzenbewertung des neuen Migränearzneimittels Lasmiditan (Rayvow) keine Vorteile zu den bewährten Triptanen und NSAR bei Migräne. Wieder einmal fehlen direkt vergleichende Studien, die dies hätten zeigen können.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die frühe Nutzenbewertung zu Lasmiditan (Rayvow®) abgeschlossen und erkennt bei akuter Migräne keinen Zusatznutzen zur zweckmäßigen Vergleichstherapie – also der Migränebehandlung mit Triptanen (Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan, Zolmitriptan) und NSAR (Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen) [1]. Der Grund: Es fehlen Daten, um dies bewerten zu können.

Bereits das IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitssystem) hatte im Juli dieses Jahres bei seiner wissenschaftlichen Bewertung des neuen Migränearzneimittels eben diesen Punkt bemängelt, dass vergleichende Studien fehlten, die Lasmiditan gegen Triptane oder NSAR direkt untersucht hätten: „Da für die Nutzenbewertung keine relevante Studie vorliegt, ergibt sich kein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen von Lasmiditan gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie, ein Zusatznutzen ist damit nicht belegt“. Die Zulassungsstudien liefen placebokontrolliert. Nun folgte der G-BA am 5. Oktober 2023 dieser wissenschaftlichen Einschätzung des IQWiG: „Ein Zusatznutzen ist nicht belegt“ [2].

„Ähnlich wirksam“ in indirekten Vergleichen

Auch die S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ hat sich bereits mit dem neuen Wirkstoff bei akuter Migräne beschäftigt. Ein direkter Vergleich zwischen Lasmiditan und Triptanen fiel auch den Leitlinienautoren schwer, da – wie IQWiG und G-BA ja auch bemängelten – Vergleichsstudien fehlten. Allerdings gibt es den Autoren zufolge wenigstens Untersuchungen, die einen indirekten Vergleich zulassen. Ihr Fazit: In indirekten Vergleichen sei Lasmiditan „ähnlich wirksam“ wie Triptane und könne eingesetzt werden bei Nichtwirksamkeit von NSAR und Kontraindikationen für Triptane.

Damit ordnen auch die Leitlinienautoren Lasmiditan derzeit nicht an erster Stelle einer akuten Migräneattacke ein, vielmehr sehen sie den therapeutischen Platz als Reserve. Nach wie vor bleiben Triptane die Substanzen mit der besten Wirksamkeit bei akuter mittelschwerer bis schwerer Migräne [3].

Die Kosten für Lasmiditan

Die frühe Nutzenbewertung dient auch als Vorlage für die Preisverhandlungen mit der GKV – diese dürften nun für den Zulassungsinhaber Lilly etwas schwieriger werden. Aktuell liegen die Therapiekosten laut G-BA bei 21,25 Euro bis 2.177,40 Euro pro Jahr. Für Eletriptan kommt der Gemeinsame Bundesausschuss auf Kosten zwischen 3,16 Euro und 274,60 Euro (ausgehend von 1 bis 60 Migräneattacken pro Jahr).

Wirkstoffauswahl statt „One-fits-all“-Prinzip

Individuell gegen Migräne

Lasmiditan ist seit dem 17. August 2022 in der Europäischen Union zugelassen. Die Indikation: Akute Behandlung der Kopfschmerzphase von Migräneattacken mit und ohne Aura bei Erwachsenen [4]. Wie auch Triptane greift Lasmiditan in das Serotoninsystem (Serotonin = 5-Hydroxytryptamin, 5-HT) ein. Lasmiditan fungiert als Agonist am 5-HT1F-Rezeptor, während Triptane die 5-HT1B/1D-Rezeptoren adressieren. Diese unterschiedliche Sybtypen-Selektivität bedingt, dass Lasmiditan als alternatives Arzneimittel für kardiovaskulär vorerkrankte Migränepatienten gilt, denn: Anders als die von Triptanen angesprochenen und vasokonstriktorisch wirkenden 5-HT1B-Rezeptoren finden sich die von Lasmiditan gebundenen 5-HT1F-Rezeptoren nicht an Blutgefäßen. Triptane sind bei Patienten mit Schlaganfall oder Myokardinfarkt in der Anamnese, mit ausgeprägter Hypertonie, koronarer Herzerkrankung (KHK) oder peripher arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) kontraindiziert. Lasmiditan hingegen zeigte sich in Studien bislang kardiovaskulär sicher.

Literatur 

[1] Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) und Lasmiditan (Migräne Akutbehandlung)

[2] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Dossierbewertung A23-35: Lasmiditan; abgerufen 16.10.2023, www.iqwig.de/download/a23-35_lasmiditan_kurzfassung_nutzenbewertung-35a-sgb-v_v1-0.pdf 

[3] S1-Leitlinie: Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, gültig bis 31.12.2026, https://register.awmf.org/assets/guidelines/030-057l_S1_Therapie-der-Migraeneattacke-Prophylaxe-der-Migraene_2023-01.pdf

[4] Bichay C. Alternative zu Triptanen: EMA empfiehlt Zulassung von Lasmiditan bei Migräne; DAZ.online 5.07.2022, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/07/05/ema-empfiehlt-zulassung-von-lasmiditan-bei-migraene


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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