Nebenwirkungen

Welche Arzneimittel können Riechstörungen auslösen?

Stuttgart - 18.09.2023, 11:00 Uhr

Wie funktioniert riechen eigentlich? (Foto: Drobot Dean / AdobeStock)

Wie funktioniert riechen eigentlich? (Foto: Drobot Dean / AdobeStock)


Ein Lavendelstrauch, eine Rosenblüte oder ein frisch gebackenes Brot – der Geruchssinn ist eng mit unseren Gefühlen und Erinnerungen verbunden. Wird das olfaktorische System durch Arzneimittel gestört, kann das die Lebensqualität verschlechtern oder sogar gefährlich werden. Apotheker und Apothekerinnen sollten wissen, bei welchen Arzneimitteln ein Einfluss auf den Geruchssinn möglich ist.

Riechstörungen bedürfen zunächst einmal einer medizinischen Abklärung. Zugrundeliegende Erkrankungen, wie Infekte der oberen Atemwege, Entzündungen der Nase und Nasennebenhöhlen sowie systemische, neurologische oder metabolische Erkrankungen, gilt es auszuschließen.

Bei vielen Arzneistoffgruppen ist ein Einfluss auf das olfaktorische System möglich. Meistens sind die daraus einhergehenden Riechstörungen reversibel und verschwinden, wenn das Arzneimittel abgesetzt oder die Therapie beendet wird. Wie oft Arzneimittel olfaktorische Abnormalitäten auslösen, ist schwierig zu erfassen, da Betroffene wahrscheinlich häufig keine medizinische Konsultation suchen. Aufgrund der Zahl an Arzneimitteln, die diese Nebenwirkung haben können, ist die arzneimittelinduzierte Riechstörung aber vermutlich nicht selten.

Oft liegen der Einschätzung, ob ein Arzneimittel Geruchsstörungen verursachen kann, praktische oder statistische Beobachtungen zugrunde und der Mechanismus der Geruchsbeeinflussung ist unbekannt. Von Chemotherapeutika, Dihydropyridinen und Hemmern des Angiotensin konvertierenden Enzyms (ACE-Hemmern) ist bekannt, dass sie Riechstörungen verursachen können. Fallberichte über arzneimittelinduzierte Riechstörungen liegen außerdem beispielsweise vor für Lovastatin, bestimmte Antibiotika wie Aminoglykoside, Tetracyclin und Doxycyclin sowie für das Tuberkulostatikum Pyrazinamid und das Antimykotikum Terbinafin. Das Thyreostatikum Propylthiouracil kann ebenfalls die Geruchswahrnehmung beeinflussen. Zu dieser Beobachtung passt, dass Personen mit Funktionsstörungen der Schilddrüse manchmal eine veränderte Geruchswahrnehmung aufweisen.

Wie funktioniert riechen?

Neben der Lebensqualität ist das olfaktorische System auch wichtig als Warnsignal, zum Beispiel bei einem Brand oder verdorbenem Essen. Einige Berufsgruppen, wie Köche und Köchinnen, Weinkellner und Weinkellnerinnen oder Parfümeure und Parfümeurinnen, sind auf ihren Geruchssinn angewiesen. Ein Verlust dieser Sinneswahrnehmung ist für diese Personen besonders schwerwiegend. Doch wie funktioniert das Riechen?

Duftmoleküle aus der Luft docken an Rezeptoren auf Zilien der Riechzellen in der Nasenschleimhaut. Duftstoffrezeptoren sind G-Protein gekoppelte Transmembranrezeptoren. Die einzelnen Sinneszellen exprimieren immer nur einen spezialisierten Rezeptor. Diese Duftstoffrezeptoren sind allerdings nicht sehr spezifisch und können durch unterschiedliche Moleküle mehr oder weniger stark erregt werden. Der Mensch besitzt etwa 10 Millionen Riechzellen. Die Riechzellen sind bipolare Neuronen, die durch die Bindung von Duftstoffen depolarisiert werden und die chemoelektrische Signaltransduktion an den Riechkolben übermitteln. Der Riechkolben, Bulbus olfactorius, ist ein vorgestülpter Teil des Gehirns, der direkt unterhalb des Frontalhirns liegt und für die Reizweiterleitung in höhere Gehirnareale verantwortlich ist. Dadurch, dass auch das limbische System und die Amygdala angesprochen werden, erklärt sich die Gefühlsanbindung von Gerüchen.

Wirkmechanismen der medikamentösen Riechstörung

Generell ist bei allen Wirkstoffen, die das G-Protein-gekoppelte Signalsystem beeinflussen, eine Interaktion mit dem Riechsinn denkbar. Dazu gehören zahlreiche Wirkstoffklassen. Beispiele hierfür sind etwa Opioide, Cannabinoide, Triptane, einige Antidepressiva und Betarezeptor-Blocker.

Calcium- oder Natrium-Kanal-Hemmer können das Riechvermögen stören, da sie die Zelldepolarisation beeinflussen. Die Wirkstoffe Nifedipin und Diltiazem sowie das Antiepileptikum Topiramat, das auf mehrere Ionenkanäle einwirkt, sind Beispiele dafür.

Intranasal applizierte Wirkstoffe, wie der Vaskonstriktor Xylometazolin, wirken auf die Nasenschleimhaut und können dadurch zu einer gestörten Geruchswahrnehmung führen.

Das Chemotherapeutikum Methotrexat beeinflusst den Olfaktus eventuell dadurch, dass es das Zellwachstum der Schleimhaut herunterreguliert.

Klagt ein Patient oder eine Patientin über einen veränderten Geruchssinn oder liegt ein Rezept über ein oben genanntes Arzneimittel beziehungsweise eine erwähnte Wirkstoffklasse vor, kann in der Apotheke zu Riechstörung als Nebenwirkung beraten werden. Oft ist die Aussage, dass diese unerwünschten Arzneimittelwirkungen zumeist reversibel sind, bereits eine große Erleichterung für Betroffene.

Literatur 
Arzneimittelinduzierte Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns. Der Arzneimittelbrief, Jg. 44, S. 81; Ausgabe 11 / 2010, der-arzneimittelbrief.com/artikel/2010/arzneimittelinduzierte-stoerungen-des-geruchs-und-geschmackssinns 
S2k-Leitlinie Riech- und Schmeckstörungen. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, Registernummer 017 – 050, register.awmf.org/de/leitlinien/detail/017-050 
Schiffmann S. Influence of medications on taste and smell. World Journal of Otorhinolaryngology-Head and Neck Surgery 2018;4:84-91, doi.org/10.1016/j.wjorl.2018.02.005

Schuster N. Arzneimittel als Störfaktoren. Pharmazeutische Zeitung, 14. November 2016, www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-462016/arzneimittel-als-stoerfaktoren/


Juliane Russ, Volontärin DAZ
redaktion@daz.online


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