Nebenwirkungen

Welche Arzneimittel können Geschmacksstörungen auslösen?

Stuttgart - 19.09.2023, 13:14 Uhr

Wenn's nicht schmeckt, liegt das nicht immer am Essen. (Foto: inesbazdar / AdobeStock)

Wenn's nicht schmeckt, liegt das nicht immer am Essen. (Foto: inesbazdar / AdobeStock)


Eine Vielzahl von Arzneistoffen können den Geschmackssinn stören. Dabei kann der Genuss verloren gehen, was schlimmstenfalls in Mangelernährung münden kann. Daher sollten Apothekerinnen und Apotheker wissen, welche Wirkstoffe das gustatorische System beeinflussen können.

Arzneimittel können auf vielfältige Weise den Geschmackssinn beeinträchtigen. Manchmal sind alle fünf (bzw. sechs) Geschmäcker betroffen (süß, bitter, salzig, umami, sauer [und fettreich]), manchmal nur einzelne. Meistens erholt sich das gustatorische System nach Absetzen oder Beenden der Therapie.

Wie funktioniert schmecken?

Die Geschmacksknospen befinden sich auf der Zunge in den Geschmackspapillen. Auch auf den Schleimhäuten der Mundhöhle und des Rachens sind Geschmacksknospen. Die Sinneszellen mit den Geschmacksrezeptoren sind in den Geschmacksknospen angesiedelt. Bindet ein Aromamolekül an einen Geschmacksrezeptor, wird die Sinneszelle depolarisiert und der Reiz ins Gehirn geleitet.

Etwa 25 % der Geschmacksknospen befinden sich auf den vorderen zwei Dritteln der Zunge. 

Zu den häufigsten Auslösern einer arzneimittelinduzierten Schmeckstörung gehören

  • Chemotherapeutika,
  • Keratolytika,
  • Antihistaminika,
  • Antibiotika und
  • Hemmer des Angiotensin konvertierenden Enzyms (ACE-Inhibitoren).

Wie Arzneimittel den Geschmack beeinflussen

Manche oral eingenommenen Arzneimittel schmecken sehr bitter oder metallisch und hinterlassen diesen Geschmack im Mund, zum Beispiel Penicillin-Saft. 

Anticholinergika und Antidepressiva können Mundtrockenheit verursachen, wodurch die Geschmacksknospen nicht mehr feucht genug sind und Missempfindungen auftreten. In der Apotheke können Speichelersatzpräparate angeboten werden.

Lithium moduliert Natriumkanäle und beeinträchtigt so die Signaltransduktion der Geschmacksempfindung mancher Menschen. Antihypertensive Dihydropyridine stören die Reizweiterleitung, indem sie Calcium-Kanäle blockieren.

Wirkstoffe mit Sulfhydrylgruppen (zum Beispiel Captopril, Methylthiouracil, Penicillamin) können einen Zinkmangel auslösen, der zu Schleimhautproblemen und damit einhergehenden geschmacklichen Missempfindungen einhergeht. Eine Zink- und zuweilen auch Selensubstitution bessern dann die Schmeckstörungen.

Antiproliferative Arzneimittel können die Mundschleimhaut oder Geschmackszellen schädigen und so zu Dysgeusie führen. Außerdem kann die Einnahme von Cortison den Geschmackssinn verändern.

Bitter, süß, sauer oder salzig?

Bittere Missempfindungen können auftreten unter Allopurinol, Carbidopa, Cisplatin, Lidocain, Lithium, Methotrexat, Metronidazol, Vitamin D, Zinksalzen und Zopiclon. Einen übertriebenen Salzgeschmack empfinden Patienten und Patientinnen manchmal, wenn sie Amitriptylin, Captopril oder Carboplatin einnehmen. Amilorid mindert Salzgeschmack. 5-Fluorouracil versüßt, Isotretinoin verstärkt die saure Wahrnehmung. Zaleplon, Zolpidem und Zopiclon sind oft für einen metallisch-bitteren Geschmack verantwortlich.

Literatur 
Arzneimittelinduzierte Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns. Der Arzneimittelbrief, Jg. 44, S. 81; Ausgabe 11 / 2010, https://der-arzneimittelbrief.com/artikel/2010/arzneimittelinduzierte-stoerungen-des-geruchs-und-geschmackssinns

S2k-Leitlinie Riech- und Schmeckstörungen. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, Registernummer 017 – 050, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/017-050

Schiffmann S. Influence of medications on taste and smell. World Journal of Otorhinolaryngology-Head and Neck Surgery (2018) 4, 84e91

Steer S. Wie Medikamente den Geschmack verändern. apotheken.de, PTAheute 12/2021, www.apotheken.de/news/13240-wie-medikamente-den-geschmack-veraendern

Schuster N. Arzneimittel als Störfaktoren. Pharmazeutische Zeitung, 14. November 2016, www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-462016/arzneimittel-als-stoerfaktoren/


Juliane Russ, Volontärin DAZ
redaktion@daz.online


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