Das Apothekenhonorar

Die Verteilungsdebatte – ein heißes Eisen

17.07.2023, 17:50 Uhr

Die gerade kontrovers geführte Honorar-Verteilungsdebatte ist ein heißes Eisen – wir versuchen es dennoch zu schmieden … (Foto: AdobeStock/ Marina Varnava)

Die gerade kontrovers geführte Honorar-Verteilungsdebatte ist ein heißes Eisen – wir versuchen es dennoch zu schmieden … (Foto: AdobeStock/ Marina Varnava)


Der Vorschlag einer gestaffelten Erhöhung des Rx-Festhonorars im AWA 13-2023 („Die Gießkanne hat ausgedient“) hat eine Debatte entfacht. AWA-Herausgeber Reinhard Herzog hat sich einmal mit den prinzipiellen Möglichkeiten einer (Um-)Verteilung befasst, ohne in diesem Moment noch ein Modell präferieren zu wollen. Klar wird aber auch: Wir sollten uns einer möglichen Verteilungsdiskussion proaktiv stellen.

Die Feuertaufe im Gefolge der Apothekenproteste steht noch bevor: Welchen Eindruck hinterlassen die Aktivitäten und welche Handlungskonsequenzen zieht die Politik daraus? Die einfachste Lösung: Man erhöht die Rx-Festhonorarkomponente für alle. Doch was ist zu erwarten? Wenigstens ein Inflationsausgleich? Selbst das womöglich nur teilweise, weil auch die übrige Bevölkerung deutliche Reallohn- und Wohlstandsverluste hinnehmen muss, das sollten wir nicht vergessen. So oder so wird die Erhöhung wohl weit unter dem geforderten Plus von 3,65 Euro je Rx-Packung bleiben. Wäre mehr Differenzierung dann nicht angebracht, trotz ernster Herausforderungen im Detail? Wird die Politik das gar einfordern? Beleuchten wir einige Honorarverteilungsmodelle. Wie das zahlenmäßig aufgeht, schauen wir uns später an.

Im Worst Case müssten wir akzeptieren, dass die Politik bereits heute genug Geld im System sieht und man gegebenenfalls durch eine Umverteilung im bestehenden Honorarrahmen die sichere Versorgung und zudem eine „Verteilungsgerechtigkeit“ sicherstellen möchte. Einige Politiker und Kostenträger favorisieren das. Immerhin stecken fast 14 Milliarden Euro Rohertrag im ambulanten Apothekensystem. Bereinigt um die Spezialversorgung – vor allem Parenteralia, nicht typische (Groß-)Belieferung von Institutionen, zum Teil Versand – dürften es noch 12 bis 12,5 Milliarden Euro sein. Davon rekrutieren sich gut 70 Prozent aus dem Verordnungsbereich (= alles auf Rezept, privat wie GKV einschließlich OTX, sowie Nicht-Arzneimittel wie Verbandstoffe, Diagnostika etc.).

Drei Honorarverteilungs-Modelle

Man nehme es den Wohlhabenden und gebe es den „Armen“? Gesellschaftspolitisch ist das ja nicht gerade eine neue Idee. Und auf welcher Grundlage könnte eine Umverteilung überhaupt stattfinden? Die Gewinne und Roherträge der gesamten Apotheke scheiden aufgrund variierender Sortimentsstrukturen (welche die Handelsspannen und Erträge bedingen) aus, schon allein aus Gründen der zeitnahen Erhebung und des sehr unterschiedlichen Baranteils. Es bleibt letztlich nur die Zahl an Rx-Fertigarzneimittelpackungen, ohne rezepturmäßig verarbeitete Arzneimittel und Impfstoffe. Mit dieser Zahl an Rx-Packungen als Basis ergeben sich nun folgende Denkmodelle:

Denkbare Rx-Honorarverteilungsmodelle, grob-schematisch (© R. Herzog)
  • Nach dem Abschlagsmodell verlangt man Apotheken mit vielen Rx-Packungen höhere Abschläge ab – und verteilt diese gegebenenfalls noch über einen Fonds um.
  • Ein abgestuft-degressives Honorar: Die ersten Packungen werden höher entlohnt als nachfolgende. Sachlogisch läuft es aber wie das Abschlagsmodell auf geringere Honorare bei großen Packungszahlen hinaus. Dies kann beide Male in Stufen oder anhand einer Regressionsformel mit jährlichen Anpassungsparametern erfolgen.
  • Alle erhalten eine Sockelgrundvergütung; diese wird abhängig von eigens definierten Förderkriterien apothekenindividuell aufgestockt – was im Grundsatz auf einen Strukturfonds oder gar eine Art „kassenapothekerliche Vereinigung“ mit Honorarverteilungs- und Sicherstellungsauftrag ähnlich den Ärzten hinauslaufen würde. Der Strukturfonds könnte sich aus den Abschlägen des ersten Modells speisen, oder viel besser aus einem separaten Fördertopf und Erfolgsbeteiligungen, zum Beispiel aus Rabattverträgen.

Als verteilende Institution böte sich, entsprechend aufgestockt, der heutige Nacht- und Notdienst-Fonds (NNF) an, der auch das Geld für die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) verwaltet. Die Not- und Nachtdienste sowie die pharmazeutischen Dienstleistungen werden als eigenständige Leistungen weiterhin separat verrechnet und geführt. Die Modelle kann man in der umfassenden Reformversion auf das gesamte Rx-Honorarvolumen anwenden, oder aber in der „kleinen Variante“ entsprechend angepasst nur auf die künftigen Erhöhungen, die dann differenziert zusätzlich ausgeschüttet werden.

Die Tücke steckt im Detail

Ein Einstieg in eine differenzierte Honorierung der wirtschaftlich dominierenden Rx-Arzneimittel wäre eine erhebliche Systemveränderung. Folgende Aspekte müssten dabei zwingend berücksichtigt werden:

  • Anders als bei den (Kassen-)Ärzten herrscht bei Apotheken Niederlassungsfreiheit und „der Markt“ regelt die Apothekendichte.
  • Der Schlüsselpunkt ist die Frage nach den Verteilungsschlüsseln und deren Dynamisierung im Zuge sich verändernder Packungszahlen und -werte.
  • Schließlich könnte man die Feinsteuerung noch weitertreiben, sprich nach einem mehr oder weniger umfangreichen Kriterienkatalog die Honorare individuell berechnen. Das käme dann dem System der Ärzte recht nahe und es bräuchte entsprechend detailgenaue Leistungsziffernbeschreibungen.

All diese Punkte werden in der ungekürzten Fassung des Originalbeitrags, der kürzlich in der AWA-Ausgabe 14-2023 erschienen ist („Ein heißes Eisen – ist es auch zu schmieden?“), detailliert erörtert.

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Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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7 Kommentare

Sicherstellung der Versorgung durch Umverteilung

von FJS am 22.07.2023 um 11:19 Uhr

Die Vergütung für Rx-Arzneimittel ist in den letzten 20 Jahren nahezu gleich geblieben. Dies ist das größte Problem der Apotheken, Insbesondere dafür haben wir im Juni geschlossen gestreikt.
Die Idee einer Umverteilung, bei unveränderter Vergütung, um die flächendeckende Versorgung zu erhalten, hat ihren Reiz.
Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass auch überdurchschnittliche Apotheken weniger / keine Mittel mehr zur Subventionierung nicht kostendeckender, aber gewünschter Leistungen ( z,B. Präqualifizierung, pharm. Dienstleistungen, Botendienst, etc.) haben und diese ggf. einstellen werden.
Um eine flächendeckende UND qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen ist eine deutliche Erhöhung der Vergütung unabdingbare Voraussetzung, wie auch von der ABDA richtigerweise gefordert..

Alles andere ist nicht zielführend und ist auch nicht zu Ende gedacht. So wird das Problem der Finanzierung wettbewerbsfähiger Gehälter, bei weiter zunehmendem Personalmangel, durch eine Umverteilung nicht gelöst..

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Das Apothekenhonorar Die Verteilungsdebatte – ein heißes Eisen

von Bernd Haase am 18.07.2023 um 6:54 Uhr

Debatten sind sind sicher notwendig, doch eine Debatte die
mittlerweile 20 Jahre ergebnislos geführt wird ist leider sinnlos, zumal es ja noch nicht einmal eine Gesprächsbereitschaft über eine Honoraranpassung gibt.

Daher wäre es jetzt an der Zeit um Klarheit zu schaffen,
die Gerichte darüber entscheiden zu lassen was eine
Flächendeckende Arzneimittelversorgung, also unser Versorgungsauftrag unserem Dienstherrn wert sein muß.

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Divide et impera

von Carsten Moser am 17.07.2023 um 22:18 Uhr

SÄMTLICHE dieser Debatten verkennen total, dass diese Degressivität einfach durch Umverteilung im Filialverbund unterlaufen werden kann. Das ist sinnlos.

Ausserdem dürfen wir uns von so einem ausgemachten Quatsch nicht spalten lassen. Herr Hs Ansatz in allen Ehren, aber das ist die falsche Idee zur falschen Zeit und absolut kontraproduktiv.

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Autorenanmerkung: Den zweiten Teil abwarten ...

von Reinhard Herzog am 17.07.2023 um 19:54 Uhr

Die Verteilungsfrage steht nun einmal im Raum, zumindest bei denen, die für die Zukunft der Apotheken (mit-)entscheidend sind. Mag der Elefant auch weiß sein, es ist ein Elefant.

Somit greift man dies klugerweise auf, bevor andere es tun und man nur noch hinterherlaufen kann.
Nüchtern-analytisch und ehrlich.
Und schaut anschließend, welche Zahlen dahinterstehen, und welchen Sinn so etwas überhaupt machen würde. Am Ende sollte die Vernunft und eine Gerechtigkeit einschließlich fairer Interessensausgleiche obsiegen.

Warten Sie also die endgültige zahlengestützte Analyse und Bewertung im zweiten Teil ab.

Nur erwarten Sie von mir als jemand, der einer gewissen Objektivität und analytischen Tiefe verpflichtet ist, bitte nicht, dass ich kritiklos Echokammern bespiele.

Warum?
Weil dies der Sache am Allerwenigsten dienen würde.
Sachliche Information und Analyse sind das eine, dem fühle ich mich verpflichtet. Auch wenn es das ein oder andere Mal schmerzen kann.

Lobbyismus und Interessenvertretung sind das andere.
Dafür gibt es professionelle Verfechter, die genau dafür bezahlt werden - aber eben auch als solche wahrgenommen werden.
Exakt das ist nicht mein Anspruch. Dazu bin ich immer noch zu sehr der Wissenschaft und Lehre verpflichtet, und einer sauberen schriftstellerischen Arbeit. Weniger sollten Sie nicht erwarten, aber eben auch nicht das Falsche.

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Inakzeptable Spaltungsversuche

von NeLe am 17.07.2023 um 19:10 Uhr

Das, was Herr Herzog und der AWA hier versuchen, ist völlig inakzeptabel. Mit diesen Beiträgen wird eine Spaltung provoziert, wo wir doch mehr denn je Solidarität innerhalb der Apothekerschaft brauchen. Werde diese Zeitschrift in Zukunft meiden.

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AW: Inakzeptable Spaltungsversuche

von Ulrich Ströh am 17.07.2023 um 21:57 Uhr

Das große G der Gelassenheit in dieser aktuellen Debatte ist sicherlich sinnvoll…

Debatte

von Ka El am 17.07.2023 um 18:53 Uhr

Wird die Debatte hier geschickt von der Politik lanciert oder kommt die DAZ von sich aus auf die Idee die Apothekerschaft zu spalten?
Es muss mehr Geld ins System! Gleiche Leistung, gleiches Geld!

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