Phase-III-Studie mit Immunogenitätsendpunkt

Chikungunyafieber – Impfstoffentwicklung macht Fortschritte

Stuttgart - 15.06.2023, 10:45 Uhr

Ein Überträger des Chikungunyavirus, die asiatische Tigermücke, ist mittlerweile auch in Deutschland heimisch. (Foto:  fotomarekka / Adobe Stock)

Ein Überträger des Chikungunyavirus, die asiatische Tigermücke, ist mittlerweile auch in Deutschland heimisch. (Foto:  fotomarekka / Adobe Stock)


Die von Mücken übertragene Viruserkrankung Chikungunyafieber gehört zu den Tropenkrankheiten, die bedingt durch die klimatischen Veränderungen mittlerweile auch in Europa auftreten. Für einen entsprechenden Lebendimpfstoff wurde bereits die Zulassung beantragt. Das Produkt der Firma Valneva erzielte in einer kürzlich veröffentlichten Phase-III-Studie bei fast 100 Prozent der Geimpften die Bildung hoher Antikörperspiegel und eine mit anderen Lebendimpfstoffen vergleichbare Verträglichkeit.

Hohes, plötzlich einsetzendes Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen, manchmal Hautausschläge, häufig Gelenkschmerzen – diese Symptome kennzeichnen das Chikungunya-Fieber. Es handelt sich hierbei um eine Viruserkrankung, die über die Gelbfiebermücke Aedes aegypti und die asiatische Tigermücke Aedes albopictus übertragen wird. 1952 erstmal in Tansania identifiziert, hat sich die Erkrankung mittlerweile bis Europa ausgebreitet – autochthone Übertragungen (d. h. durch Ansteckung vor Ort) wurden beispielsweise schon in Italien und Spanien gemeldet.

Erkrankte erholen sich in der Regel innerhalb einiger Tage von der Fiebererkrankung und weisen dann eine lebenslange Immunität auf. Selten bleiben Schäden an Gelenken, Leber, Herz oder Nerven zurück. Auch die Sterblichkeit ist gering. Gefährdet sind insbesondere Neugeborene, betagte Menschen und Personen mit Vorerkrankungen. Eine kausale Therapie gibt es bis dato nicht, ebenso wenig wie eine Impfung.

Zulassung für Impfstoff bereits beantragt

Letzteres könnte sich in absehbarer Zeit ändern: Das französische Pharmaunternehmen Valneva hat für seinen monovalenten Lebendimpfstoff VLA1553 die Zulassung in Europa, den USA sowie Kanada beantragt. Grundlage dafür sind die kürzlich im „Lancet“ veröffentlichten Daten einer Phase-III-Studie sowie noch nicht öffentlich einsehbare 12-Monats-Antikörperpersistenzdaten. Durchgeführt wurde die Phase-III-Studie als doppelblinde, randomisierte und placebokontrollierte Studie an 43 Standorten in den USA. Von den über 4000 erwachsenen Teilnehmenden erhielten 3/4 eine Dosis des Impfstoffes und 1/4 ein Placebo. Menschen, die das Chikungunyafieber bereits durchgemacht hatten, waren von der Teilnahme ausgeschlossen.

Den primären Studienendpunkt stellte ein vordefinierter Spiegel an das Virus neutralisierenden Antikörpern nach 28 Tagen dar, der an 12 Studienzentren bestimmt wurde (266 Teilnehmende in der VLA1553 Gruppe, 96 in der Placebogruppe). Warum an dieser Stelle kein direkter Wirksamkeitsnachweis angestrebt wurde, erklärt Professorin Annelies Wilder-Smith (London School of Hygiene and Tropical Medicine und Heidelberger Institut für Global Health) dem Science Media Center wie folgt:


„Bei einigen Infektionskrankheiten wie Chikungunya sind klinische Wirksamkeitsstudien nicht durchführbar, entweder aufgrund der geringen Inzidenz oder der Unvorhersehbarkeit von Ausbrüchen, bei denen es zu einer hohen Inzidenz kommen kann. Daher hat Valneva in enger Abstimmung mit der FDA beschlossen, eine Phase-III-Studie durchzuführen, bei der Immunogenitätsendpunkte als Ersatz für klinische Endpunkte verwendet werden.“

Professorin Annelies Wilder-Smith, Juni 2023


Erreicht wurde der angestrebte Endpunkt in der Verumgruppe bei 98,9 Prozent der Teilnehmenden und der hohe Antikörperspiegel blieb auch über 180 Tage erhalten.

Erhöhtes Risiko für Fehlgeburten?

Schwere Nebenwirkungen traten bei 1,5 Prozent der Verumgruppe (46 von 3082) und 0,8 Prozent der Placebogruppe (acht von 1033) auf. Nur in zwei dieser Nebenwirkungen (milde Myalgie und Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion) konnten jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit der VLA1553 zugeordnet werden. Weiterhin erlitten drei von 13 geimpften Schwangeren eine Fehlgeburt. Die Einschätzung der Forschenden, dass diese Fälle auf andere Risikofaktoren für Fehlgeburten (wie ein genetischer Defekt des Ungeborenen oder frühere Fehlgeburten der Mutter) und deren Häufung auf Verzerreffekte durch die kleine Stichprobengröße zurückzuführen sei, bestätigte ein unabhängiges Gutachtergremium mit ihrer Einstufung, dass keine Sicherheitsbedenken vorlägen.

 Die Einschätzung einer guten Verträglichkeit teilt auch Privatdozent Torsten Feldt (Universitätsklinikum Düsseldorf). „Die Impfung wurde – auch von älteren Patienten – gut vertragen. Es traten nur wenige relevante Nebenwirkungen auf. Die Verträglichkeit ist damit vergleichbar mit anderen Lebendimpfstoffen. Obwohl einige Tausend Personen geimpft wurden, ist die Überwachung der Sicherheit auch nach einer möglichen Zulassung wichtig, um genauere Informationen auch über seltenere Nebenwirkungen zu erhalten.“

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Wie viel Evidenz steckt in Repellents?

Einen stichhaltigen Kritikpunkt an der Arbeit führt hingegen Professor Peter Kremsner (Universitätsklinikum Tübingen) an: Die Studie sei nicht an der in den Endemiegebieten lebenden Population durchgeführt worden, sondern in den USA. Dadurch fehle der Studie jegliche Aussagekraft über die Immunreaktion, falls ein Impfling die Erkrankung bereits durchgemacht hätte. Daher resümiert er „Letzten Endes ist es so strenggenommen erstmal ,nur‘ eine Reiseimpfung.“


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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