Reisepharmazie

„Gebeugter Gang“ nach Mückenstich

Wissenswertes über das Chikungunya-Virus

Tropische Mücken können eine Vielzahl von Viren übertragen. Eines davon ist das Chikungunya-Virus. Die Verläufe sind meist harmlos, bei älteren Personen mit Vor­erkrankungen kann es allerdings auch zu schwerwiegenden Komplikationen kommen.

Bei Chikungunya handelt es sich um ein durch Mücken übertragenes RNA-Virus, das zur Alpha-Gattung der Familie Togaviridae gehört. „Chikungunya“ bedeutet in der Kimakonde-Sprache aus dem Südosten Tansanias „verzerrt werden“ und beschreibt den gebeugten Gang von Patienten mit Arthralgien (Abb. 1). Die Übertragung erfolgt durch Mücken auf den Menschen, meist durch Aedes aegypti (Gelbfiebermücke oder Ägyptische Tigermücke)und Aedes albopticus (Asiatische Tigermücke oder Tigermoskito), die auch andere Viren wie Dengue- oder Zika-Viren übertragen können. Eine Übertragung kann auch von einer infizierten Mutter auf ihr ungeborenes Kind sowie durch eine Bluttransfusion erfolgen. Sticht eine nichtinfizierte Mücke einen Menschen, der mit Chikungunya infiziert ist, nimmt die Mücke während des Blutsaugens das Virus auf. Das Virus repliziert sich im Darm der Mücke, wird dann unter anderem in die Speicheldrüsen abgegeben und kann beim nächsten Blutsaugen auf einen neuen Wirt übertragen werden. Ist eine Mücke einmal infektiös, trägt sie das Virus den Rest ihres Lebens in sich. Es gibt Hinweise darauf, dass neben Affen auch Nagetiere, Vögel und kleine Säugetiere als natürliches Reservoir des Virus dienen [1].

Foto: Science Photo Library / Look at sciences / Pierre Marchal

Abb. 1: Eine gebeugte Haltung als Folge starker muskuloskelettaler Schmerzen ist charakteristisch für die Chikungunya-Virus-Krankheit.

Vorkommen

Jährlich sind 50 bis 100 Millionen Menschen von der Chikungunya-Virus-Krankheit betroffen. Chikungunya-Viren können sich überall dort vermehren, wo viele Aedes-Mücken vorkommen und viele Menschen leben. Zum Lebensraum der Mücke siehe auch den Beitrag „Gefürchtetes Knochenbrecher-Fieber: Durch Stechmücken übertragene Dengue-Virus­erkrankung tritt immer häufiger auf“ in der DAZ 2020, Nr. 24, S. 56 – 58).

Erstmals wurde das Virus 1952 in Tansania isoliert. In den darauf folgenden 50 Jahren kam es zu gelegentlichen Ausbrüchen in Afrika und Asien. Seit 2004 hat sich das Virus schnell in über 60 Länder in Asien, Afrika, Amerika, der Karibik und in Europa verbreitet (Abb. 2). In Europa ist Chikungunya nicht endemisch und die Mehrheit der auftretenden Fälle ist reise­assoziiert. Es ist jedoch möglich, dass diese reiseassoziierten Fälle bei günstigen Umweltbedingungen eine lokale Übertragung des Virus hervorrufen können. So gab es in den Jahren 2007 und 2017 in Italien Ausbrüche mit 200 bis 300 bestätigten Fällen. Auch in Frankreich wurde zwischen 2010 und 2017 von einzelnen autochthonen Chikungunya-Fällen berichtet. Seit 2017 gab es in Europa keine Berichte über autochthone Fälle mehr. In Deutschland gibt es immer wieder Fälle von Chikungunya, allerdings sind diese allesamt reiseassoziiert [1, 2].

Abb. 2: Gebiete mit Chikungunya-Übertragung (nach [3])

Symptome

Nach einem Stich durch eine infizierte Mücke entwickeln die meisten Menschen Symptome. Diese treten im Allgemeinen drei bis acht Tage nach dem Stich auf, die Inkubationszeit kann jedoch bis zu zwölf Tage betragen. Chikungunya ist gekennzeichnet durch ein plötzliches Auftreten von Fieber, das häufig von Gelenkschmerzen begleitet wird. Weitere Symptome können Muskelschmerzen, Gelenkschwellungen, Kopfschmerzen, Hautausschlag, Übelkeit und Erbrechen sein. Meist sind die Beschwerden harmlos und klingen nach einer Woche wieder ab, manchmal halten die Gelenkschmerzen jedoch über Monate oder sogar Jahre an. Todesfälle durch Chikungunya sind selten, gelegentlich kann es aber zu neurologischen oder kardialen Komplikationen kommen. Bei älteren Menschen über 65 Jahren mit Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Herz­erkrankungen kann Chikungunya zur Todesursache beitragen. Ebenso besonders ­gefährdet sind Neugeborene, die zum Zeitpunkt der Geburt infiziert sind. Ist die Krankheit einmal überstanden, bleibt wahrscheinlich eine lebenslange Immunität [1, 4].

Diagnose und Therapie

Die Diagnose einer Chikungunya-Infektion kann in den ersten Tagen der Infektion mittels reverser Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) erfolgen. Später können IgM- oder IgG-Antikörper mittels ELISA (Enzyme-Linked Immunosorbent Assay) nachgewiesen werden, wobei die IgM-Antikörperspiegel drei bis fünf Wochen nach Ausbruch der Krankheit am höchsten sind und ca. zwei Monate lang bestehen bleiben. Wichtig ist der diagnostische Ausschluss von Malaria und Denguefieber. Eine spe­zifische Therapie zur Behandlung der Erkrankung steht nicht zur Verfügung. Es bleibt daher nur eine symptomatische Behandlung mit fiebersenkenden und schmerzlindernden Wirkstoffen. Hat sich der Patient in einem Gebiet aufgehalten, in dem auch das Dengue-Virus verbreitet ist, sollte bis zum sicheren Ausschluss dieser Erkrankung auf nicht steroidale Antirheumatika, insbesondere Acetylsalicylsäure, verzichtet werden, da diese das Blutungsrisiko erhöhen [1, 3].

Auf einen Blick

  • Chikungunya ist eine durch Mücken übertragene Virus­erkrankung.
  • Hauptüberträger sind Mücken der Gattung Aedes.
  • Das Virus ist weltweit verbreitet, in Europa sind jedoch seit 2017 keine autochthonen Erkrankungen aufgetreten.
  • Nach einer Inkubationszeit von drei bis acht Tagen kommt es unter anderem zu Fieber, Gelenkschmerzen und Hautausschlägen.
  • Normalerweise ist der Verlauf der Erkrankung milde, jedoch können Gelenkschmerzen über Monate bis Jahre persistieren.
  • Die Behandlung erfolgt symptomatisch.
  • Eine Impfung ist nicht vorhanden, die Prophylaxe besteht in der Vermeidung von Mückenstichen.

Vorbeugung

Die beste Prophylaxe besteht im Vermeiden von Mückenstichen. Dazu gehören das Tragen langer Kleidung sowie der Einsatz von Repellenzien und Moskitonetzen. Geeignet sind die Substanzen DEET (N,N-Diethyl-m-toluamid) (z. B. Nobite® Hautspray, Anti Brumm® Forte) und Icaridin (1-[1-Methylpropylcarbonyl]-2-[2-hydroxyethyl]piperidin) (z. B. Autan® Protection Plus, Anti Brumm® Classic) oder PMD/Citridiol (p-Menthan-3,8-diol) aus dem ätherischen Öl einer Eukalyptuspflanze (z. B. Anti Brumm® Naturel, Mosquito® Insektenschutz-Spray).

Eine Impfung steht derzeit nicht zur Verfügung. Es finden jedoch umfangreiche Forschungen statt, mehrere Impfstoffe befinden sich derzeit in unterschiedlichen Phasen der Entwicklung. Aktuell läuft eine Phase-III-Studie zum Wirkstoff VLA1553, einem monovalenten, abgeschwächten Lebendimpfstoffkandidat, die 2021 abgeschlossen werden soll. In Kürze wird mit BBV87 ein inaktivierter Ganzvirus-Impfstoff in einer kombinierten Phase-II/III-Studie getestet werden. Ergebnisse werden im Dezember 2022 erwartet [5, 6]. |

 

Literatur

[1] Chikungunya Key Facts. Informationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Stand: 15. September 2020, www.who.int/en/news-room/fact-sheets/detail/chikungunya

[2] Autochthonous transmission of chikungunya virus in EU/EEA, 2007–present. Informationen der European Centers of disease control (ECDC), Stand: 17. August 2020, www.ecdc.europa.eu/en/all-topics-z/chikungunya-virus-disease/surveillance-and-disease-data/autochthonous-transmission

[3] Chikungunya-Erkrankung (CHIK). Merkblatt 10/17 GB für Beschäftigte und Reisende herausgegeben vom Auswärtigen Amt, www.auswaertiges-amt.de/blob/200160/bcbb8d681bf72f21cec86980845c2490/chikungunya-data.pdf

[4] Chikungunya Virus: Symptoms, Diagnosis, Treatment. Informationen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC), Stand: 17. Dezember 2018, www.cdc.gov/chikungunya/symptoms/index.html

[5] Studien zu Chikungunya. Informationen von ClinicalTrials.gov, https://clinicaltrials.gov/ct2/results?cond=chikungunya&term=&type=&rslt=&age_v=&gndr=&intr=&titles=&outc=&spons=&lead=&id=&cntry=&state=&city=&dist=&locn=&rsub=&strd_s=&strd_e=&prcd_s=&prcd_e=&sfpd_s=&sfpd_e=&rfpd_s=&rfpd_e=&lupd_s=&lupd_e=&sort=

[6] VLA1553 – Valneva’s chikungunya vaccine candidate. Informationen der Valneva SE, https://valneva.com/research-development/chikungunya/

Apothekerin Dr. Sabine Fischer

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