Länder-Gesundheitsausschuss zum ALBVVG

Betriebserlaubnis statt Präqualifizierung bei apothekenüblichen Hilfsmitteln

Stuttgart - 28.04.2023, 12:50 Uhr

Wie so oft finden die Apothekenthemen bei den Ländern mehr Gehör, die haben nur leider beim ALBVVG wenig zu melden. (Foto: IMAGO / Political-Moments)

Wie so oft finden die Apothekenthemen bei den Ländern mehr Gehör, die haben nur leider beim ALBVVG wenig zu melden. (Foto: IMAGO / Political-Moments)


Geht es nach dem Gesundheitsausschuss des Bundesrats benötigen Apotheken künftig für die Abgabe apothekenüblicher Hilfsmittel keine Präqualifizierung mehr. Als Nachweis, dass die Voraussetzungen erfüllt werden, soll künftig die Betriebserlaubnis reichen. Das Gremium empfiehlt dem Bundesrat diese Forderung in seine Stellungnahme zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz, kurz ALBVVG, aufzunehmen.

Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz, kurz ALBVVG, hat vor kurzem das Kabinett passiert. Noch bevor der Bundestag es debattiert, wird am 12. Mai der Bundesrat das erste Mal darüber beraten. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats hat sich das Werk schon einmal angesehen und empfiehlt dem Ländergremium, in seiner Stellungnahme einige Änderungsvorschläge einzubringen. Teilweise betreffen sie die Engpässe, aber teilweise auch nicht. Es zeigt sich aber mal wieder: In den Ländern finden die Sorgen der Apotheken mehr Gehör als in der Bundespolitik. 

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So spricht sich beispielweise Nordrhein-Westfalen dafür aus, dass künftig für die Abgabe von apothekenüblichen Hilfsmitteln für Apotheken keine Präqualifizierung mehr erforderlich sein soll. Stattdessen soll die Apothekenbetriebserlaubnis ausreichen, um nachzuweisen, dass man die notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Das soll im SGB V verankert werden. Apothekenübliche Hilfsmittel sind demnach Hilfsmittel, für die keine handwerkliche Zurichtung erforderlich ist und die insbesondere der Applikation von Arzneimitteln oder der Unterstützung der Arzneimitteltherapie sowie der Inkontinenz- oder der Diabetiker- oder der Palliativversorgung dienen.

Nicht erforderliche Doppelregulierung und unnötige Bürokratie

Begründet wird dies damit, dass Apotheken im Gegensatz zu anderen mit Hilfsmitteln versorgenden Stellen, wie zum Beispiel Sanitätshäuser, der staatlichen Überwachung unterliegen und per Gesetz an die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sowie die damit einhergehenden hohen räumlichen und sachlichen Voraussetzungen gebunden sind. Insofern führe die Präqualifizierung speziell bei Apotheken zu einer nicht erforderlichen Doppelregulierung und unnötigen Bürokratie, ohne damit einen Mehrwert zu einer sichereren oder qualitativ höherwertigeren Patientenversorgung zu leisten, heißt es. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels werden hierdurch Fachkräfte gebunden, die in der Versorgung dringend benötigt werden. Zudem seien die Anforderungen an Lagerung und Abgabe von Arzneimitteln als Waren besonderer Art in der Regel um ein Vielfaches höher als bei apothekenüblichen Hilfsmitteln. Die Einhaltung dieser Vorschriften werde auch nach Erlaubniserteilung regelmäßig überprüft. Darüber hinaus erwerben Apothekerinnen und Apotheker im Rahmen ihres Studiums sowie der sich daran anschließenden Praxisphase umfassende Kenntnisse auch in der Auswahl und Anwendung von apothekenüblichen Hilfsmitteln und anderen Medizinprodukten, zu denen Applikationshilfen für Arzneimittel wie Spritzen, Kanülen oder Inhalationshilfen ebenso gehören wie auch Inkontinenzhilfen, Lanzetten, Trinknahrung und so weiter.

Präqualifizierung kontraproduktiv

Zudem konterkarierten die derzeitigen Regelungen die eigentliche Absicht einer qualitativ hochwertigen Versorgung mit den benötigten apothekenüblichen Hilfsmitteln in Teilen, heißt es weiter. Der Präqualifizierungszwang führe nämlich dazu, dass ein Teil der Apotheken aus Ressourcengründen den bürokratischen Aufwand der Präqualifizierung nicht eingehe und damit auf die Abgabe von apothekenüblichen Hilfsmitteln verzichte. Speziell in ländlichen Gebieten, in denen es keine alternativen Abgabestellen für Hilfsmittel, wie zum Beispiel Sanitätshäuser, gebe, sei eine erschwerte Versorgung von Patientinnen und Patienten die Folge.

Allerdings soll vor dem Hintergrund, dass die Apothekenbetriebserlaubnis nunmehr als Präqualifizierungsnachweis dient, die Versorgung mit apothekenüblichen Hilfsmitteln analog zu den Anforderungen für die Arzneimittelversorgung in das Qualitätsmanagement der Apotheke aufgenommen werden.

Im Gesundheitsausschuss fand der Vorschlag aus NRW große Zustimmung. Er wurde ohne Gegenstimme bei zwei Enthaltungen aus Bayern und Sachsen-Anhalt angenommen.

Auch in Zusammenhang mit dem Bürokratieabbau wird die Präqualifizierung nochmals erwähnt: In einer weiteren Empfehlung aus NRW unter Beteiligung von Baden-Württemberg heißt es: „Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, bürokratische Hürden wie zum Beispiel die sogenannte Präqualifizierung bei Hilfsmitteln (Dokumentationspflichten gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen) abzubauen.“ Auch sie wurde ohne Gegenstimme bei zwei Enthaltungen angenommen.

Genderkonformer Pflichttext: In Ermangelung eines besseren  Vorschlags erstmal lassen

Mit einem ebenfalls nicht engpassbezogenen Aspekt des ALBVVG befasst sich ein Antrag aus Sachsen. Hier spricht man sich dafür aus, die Pläne den Pflichttext genderkonform zu gestalten ad acta zu legen. Laut Entwurf solle die bisherige Formulierung „fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker“ durch „fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“ ersetzt werden. Eine Formulierung, die bei der Apothekerschaft auf wenig Gegenliebe stieß, und offenbar nicht nur dort: 

Dieser Ansatz sei zweifelsohne gut gemeint, die vorgeschlagene Formulierung greife jedoch zu kurz, heißt es in dem Antrag. So bleibe beispielsweise vollkommen unklar, wer genau in der Apotheke gefragt werden soll. Darüber hinaus werde auch das Ziel gendergerechter Sprache, außer Frauen und Männern auch alle anderen Personen gleichzustellen, nicht erreicht. In Ermangelung eines besser geeigneten eigenen Vorschlags sollte an der bisherigen – über viele Jahre bewährten – Formulierung festgehalten werden. Dies sei angesichts des mit dem Gesetzentwurf verfolgten Ziels der Bekämpfung von Arzneimittelengpässen auch konsequent. 

Auch diesem Vorschlag stimmte das Gremium mit elf Ja- und drei Neinstimmen bei zwei Enthaltungen zu.

Wermutstropfen: keine Zustimmungspflicht der Länder

Nun bleibt abzuwarten, wie die Abstimmung im Plenum des Bundesrats ausfällt. Doch auch wenn es den Empfehlungen des Ausschusses folgt, ist erstmal nicht viel gewonnen. Denn ebenso wie das Spargesetz im vergangenen Jahr, wo es seitens der Länder durchaus Einwände gab, ist das ALBVVG nicht zustimmungspflichtig. Der Bundestag kann sich von den Ländern zwar anregen, aber nicht ausbremsen lassen. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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