ALBVVG

Regierung will Präqualifizierung und Retax-Einschränkungen prüfen

Berlin - 19.05.2023, 16:50 Uhr

Das ALBVVG steht am 24. Mai auf der Tagesordnung des Bundestages. Wie viel Bewegung ist noch möglich? (Foto: IMAGO / Achille Abboud)

Das ALBVVG steht am 24. Mai auf der Tagesordnung des Bundestages. Wie viel Bewegung ist noch möglich? (Foto: IMAGO / Achille Abboud)


Die Bundesregierung will prüfen, ob Apotheken für die Hilfsmittelabgabe wirklich ein Präqualifizierungsverfahren durchlaufen müssen. Auch einen weitergehenden gesetzlichen Retax-Ausschluss lehnt sie nicht rundweg ab. Das geht aus ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf für das Lieferengpassgesetz hervor. Keinen Anlass sieht die Regierung jedoch, nochmals über den geplanten 50-Cent-Zuschlag fürs Engpassmanagement nachzudenken. Auch neue Finanzierungskonzepte für Apotheken hält sie für nicht nötig.

Vor einer Woche hat der Bundesrat seine Stellungnahme zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) beschlossen. Diese enthält eine ganze Reihe von Nachbesserungsvorschlägen und Anregungen im Sinne der Apotheken. Spannend war nun, wie die Bundesregierung darauf reagieren würde – zustimmungspflichtig ist das ALBVVG schließlich nicht.

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Jetzt liegt die Gegenäußerung der Regierung vor. In einigen Punkten kommt sie den Ländern tatsächlich entgegen – andere nimmt sie allerdings lediglich zur Kenntnis und weist sie zurück.

Präqualifizierung: Doppelprüfungen vermeiden

Prüfen will die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates, dass für die Abgabe von apothekenüblichen Hilfsmitteln für Apotheken keine Präqualifizierung mehr erforderlich sein soll. Die Länder finden, dass die Apothekenbetriebserlaubnis ausreichen sollte, um nachzuweisen, dass die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu stellt die Regierung fest: „Im Sinne der Bestrebungen nach einer Entbürokratisierung im Gesundheitswesen sind Doppelprüfungen zu vermeiden und unnötige bürokratische Belastungen abzubauen“. Vor diesem Hintergrund wolle sie „im Detail prüfen, ob und in welchem Ausmaß im Zusammenhang mit der Präqualifizierung von Apotheken (…) Doppelprüfungen stattfinden und gegebenenfalls vermieden werden könnten bzw. inwiefern das Verfahren ohne ein Risiko von Qualitätseinbußen vereinfacht werden könnte“.

Retax-Einschränkungen werden geprüft

Prüfen will die Regierung überdies zwei Vorschläge, die die Retaxation betreffen. Zum einen wollen die Länder in den geplanten erleichterten Austauschregeln im Fall eines Engpasses klarstellen, dass bei einem solchen Austausch keine Beanstandung durch die Krankenkassen stattfinden darf. So war es schon in der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung vorgesehen und ist es jetzt in den Übergangsregeln des SGB V bestimmt – der ALBVVG-Entwurf sparte diese für die Apotheken wichtige Zusicherung allerdings bislang aus. Zum anderen will der Bundesrat durch eine Ergänzung in § 129 Sozialgesetzbuch V Nullretaxationen beschränken: Die Höhe einer zulässigen Beanstandung soll bei Wirkstoff- und Dosierungsäquivalenz die preisliche Differenz zwischen dem abgegebenen und dem nach Maßgabe des Rahmenvertrages abzugebenden Arzneimittel nicht überschreiten dürfen. Zu beiden Vorschlägen heißt es in der Gegenäußerung: „Die Bundesregierung wird prüfen, ob und gegebenenfalls wie dem Anliegen durch eine gesetzliche Änderung nachgekommen werden könnte“.

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Auf Ablehnung trifft hingegen die Idee der Länder, bei den Nicht-Verfügbarkeitsanfragen nachzujustieren. Der Bundesrat hatte empfohlen, dass nur „zwei täglich einmalig durchzuführende Verfügbarkeitsanfragen“ Voraussetzung für den leichteren Austausch sein sollten. Im ALBVVG-Regierungsentwurf ist hingegen von „zwei unterschiedlichen Verfügbarkeitsanfragen“ beim Großhandel die Rede. Die Regierung verweist darauf, dass Abfrage und Dokumentation automatisiert erfolge und den Apotheken „in der Regel nur ein geringfügiger und damit vertretbarer Aufwand“ entstehe. Der Vorschlag des Bundesrates sei hingegen fehleranfällig und führe zu einem Mehraufwand in den Apotheken.

Mehr als 50 Cent sind nicht drin

Die Empfehlung der Länder, die im Fall von Engpässen geplante Aufwandsentschädigung für Apotheken in Höhe von 0,50 Euro zuzüglich Umsatzsteuer „fakten- und evidenzbasiert anzuheben, um den zusätzlichen Arbeitsaufwand für Apotheken realistisch zu kompensieren“, trifft bei der Regierung ebenfalls auf taube Ohren. „Der Austausch eines Arzneimittels wegen Lieferengpässen gehört heute bereits zum Aufgabenspektrum der Apotheken und ist in der Vergütung abgebildet. Die Apothekenvergütung stellt eine Mischkalkulation dar“, erläutert sie dazu. Eine weitere Erhöhung des Zuschlages werde auch vor dem Hintergrund der finanziellen Lage der GKV für nicht zwingend erforderlich gehalten.

Kein Bedarf für neue Finanzierungskonzepte

Die Länder hatten zudem gefordert, die Vergütung der Apotheken grundsätzlich anzupassen. Vor dem Hintergrund steigender Energiekosten und der Inflation sollte sie auf eine „auskömmliche Grundlage“ gestellt werden, um die flächendeckende Arzneimittelversorgung auch künftig dauerhaft zu sichern. Diese Vorschläge nimmt die Regierung „zur Kenntnis“. Allerdings hat sie keine Sorge um die flächendeckende Versorgung. Sie verweist zudem darauf, dass Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung ohnehin Sache der Exekutive seien (für die AMPreisV ist das Bundeswirtschaftsministerium zuständig). Sie könnten zwar grundsätzlich auch anlässlich gesetzlicher Änderungen vorgenommen werden – aber nur bei einem sachlichen Zusammenhang. Und den sieht die Regierung hier nicht. Bei einer weiteren Empfehlung zur Apothekenvergütung bringt die Regierung ihre Haltung wie folgt auf den Punkt: „Es wird derzeit kein Bedarf für die Erarbeitung neuer Finanzierungskonzepte für Apotheken gesehen.“

Im Übrigen lehnt die Regierung auch den Vorschlag der Länder ab, bestehende Bevorratungspflichten generell auszuweiten. Dies werde „nicht als geeignet bewertet, langfristig Lieferengpässe bei Arzneimitteln zu vermeiden“.

Nächste Woche erste Lesung im Bundestag

Am kommenden Mittwoch (24. Mai, 18:00 Uhr) steht die erste Lesung des ALBVVG-Entwurfs im Bundestag an. Mitte Juni wird die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss stattfinden. Man darf gespannt sein, welche Änderungen die Parlamentarier:innen durchsetzen werden.

Den Gesetzentwurf samt Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung finden Sie hier zum Download


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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6 Kommentare

Die Politik interessiert es einfach nicht...

von Rainer W. am 24.05.2023 um 9:44 Uhr

... und sie versteht auch nicht, dass die aktuelle Schließungswelle das Resultat der letzten 20 Jahre ist. Die Schließeungen, die aufgrund der jetzigen Politik kommen werden sich erst in den nächsten 5 Jahren realisieren. Apotheken sind in allerlei Verträgen gebunden und können nicht einfach zu machen. Bereits das 2hm-Gutachten, das vor 5 Jahren veröffentlicht wurde, kam damals schon zu dem Schluss, dass 40% der Apotheken unwirtschaftlich sind.

Trotz dieser erschreckenden Zahl und der damals schon bekannten, eklatanten Rechenfehler in diesem Gutachten ist nichts passiert. Unsere Berufsvertretung hat Däumchen gedreht und so mancher Kollege hat sich Aufgrund der kurzfristigen Corona-Boni sicher gewähnt. 2023 wird für viele erschreckende Erkenntnisse hervorbringen.

Wir müssen JETZT handeln, damit es in 5 Jahren noch Apotheken gibt. Die nächste Tariferhöhung wird in der Größenordnung von 10% liegen, alles darunter wird den Personalmangel noch mehr verschärfen, alles darüber wird nicht mehr finanzierbar sein und zu massenhaften Schließungen führen.

Warum rechnet niemand, wie viel die Apotheken leisten und was das wert ist? Wie das ganze Gesundheitssystem verfällt wenn man sich, wie z.b. in England, an den Apotheken kaputtspart, oder welche positiven Folgen eine Stärkung der Apotheken wie z.B. in der Schweiz hat?

Ich verstehe nicht, wie sowohl unsere Berufsvertretung als auch die Politik diesen massiven Schaden für das deutsche Gesundheitssystem blindlinks in kauf nimmt. Die Zahlen müssten doch lange bekannt sein?

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Flashmob

von Dorf-Apothekerin am 20.05.2023 um 14:27 Uhr

Wie wärs mit einem Flashmob im Bundestag oder beim Gesundheitsausschuß: Kämme, Puderdosen mit Kugelschreibern als Instrumente und 'Ade zur guten Nacht'. Die vierte Strophe müßte abgewandelt werden: 'Die Mächte in der Welt sind falscher als das Geld'. Das Lied symbolisiert nicht den Abend sondern den Abschied. Alternativ ginge auch das Lied unserer singenden Kollegin oder 'We shell overcome'. Vielleicht hat auch jemand eine bessere Idee.
Die Mauer fiel, weil keiner mehr Angst hatte, sondern weil jeder nur noch das Ziel vor Augen hatte. - Martin Luther King, Mahatma Gandhi u.a. haben es vorgelebt. 18000 Gerichtsverfahren wird es nicht geben. worauf warten wir noch.

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24.05. 18.00 Uhr

von Dorf-Apothekerin am 20.05.2023 um 11:38 Uhr

Das wäre doch ein Pflichttermin für alle Apotheker in und um Berlin inclusive ABDA, DAV und Kammern, um gemeinsam vor Ort laut zu werden. Weder Stimme noch Hände oder Füße wird man vor der Tür aus Sicherheitsgründen abgeben müssen.

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„Es wird derzeit kein Bedarf für die Erarbeitung neuer Finanzierungskonzepte für Apotheken gesehen.“

von Thomas B am 20.05.2023 um 8:56 Uhr

Übersetzt:
Es gibt noch zu viele von euch.
Wir halten euch für überflüssig.
Ihr seid es uns nicht wert.
Ihr seid uns eigentlich egal.

oder:

Spargelfahrt first

Wie tief kann man sinken......

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AW: „Es wird derzeit kein Bedarf für die

von Ka El am 20.05.2023 um 9:37 Uhr

Die Kollegen die am 14.6. auf haben, sind denke ich damit einverstanden!

Das tun was bezahlt wird

von Thomas Kerlag am 19.05.2023 um 22:03 Uhr

Eigentlich ist doch selbstverständlich, daß nur derjenige der den Aufwand der Ausbildung
hat auch das Privileg hat eine Apotheke zu führen. Trotzdem war man so naiv zu denken man müsste der Bevölkerung für Privilegien etwas zurückgeben. Jetzt ist die Sollseite der Pflichten letztendlich dazu benutzt worden den Apotheker auszubeuten und zu mißbrauchen. Man muß sich jetzt daran orientieren, was der Normalbürger für 50 ct bereit ist zu leisten.
Ich bräuchte kein Geld, wenn die anderen keins von mir wollten.

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