„Das schönste Weihnachtsgeschenk überhaupt“

Notdienst am Limit – Kammer Niedersachsen entlastet Apothekerin

Berlin - 28.12.2022, 09:00 Uhr

Apothekerin Stefanie Schön-Heider ist glücklich, mit der Kammer Niedersachsen einen Notdienst-Kompromiss gefunden zu haben. (Screenshot:DAZ / gaussturm-apotheke.de)

Apothekerin Stefanie Schön-Heider ist glücklich, mit der Kammer Niedersachsen einen Notdienst-Kompromiss gefunden zu haben. (Screenshot:DAZ / gaussturm-apotheke.de)


Nur drei Apotheken haben im Notdienstkreis von Inhaberin Stefanie Schön-Heider die Dienstbereitschaft rund 20 Jahre lang gestemmt – nun stoßen die Apotheker:innen an ihre Grenzen. Auch mit Blick auf die nicht mehr allzu ferne Nachfolgersuche sei die Situation nicht mehr tragbar. Doch jetzt ist es gelungen, im Dialog mit der zuständigen Apothekerkammer Niedersachsen einen Kompromiss zu finden, der alle zufriedenstellt.

Apotheken sind für ihre Patientinnen und Patienten da – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Das gibt den Menschen hierzulande Sicherheit, im Notfall jederzeit mit Arzneimitteln versorgt zu werden. Doch insbesondere für die Inhaberinnen und Inhaber in eher dünn besiedelten Gebieten bedeutet dieser Service mitunter eine enorme Belastung.

So auch für Stefanie Schön-Heider: Sie betreibt eine Apotheke in Dransfeld in Niedersachsen. Mit nur zwei weiteren Apotheken stellt sie in ihrem Kreis die Arzneimittelversorgung sicher. Alle zwei Wochen wechselt die Dienstbereitschaft – zwei von sechs Wochenenden sind also dahin. Zwar darf sie ihre Dienste von zu Hause ableisten, denn im Bedarfsfall ist sie in nur 3 Minuten im Betrieb. Doch Ausflüge mit der Familie oder ein ausgedehnter Spaziergang sind nicht drin.

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Notdienst braucht Perspektiven

Seit rund 20 Jahren leisten Schön-Heider und ihre zwei Kollegen inzwischen in dieser Form die Dienste. Alle davon hätten die Inhaber:innen selbst übernommen. Das sei belastend, berichtet Schön-Heider gegenüber der DAZ. Doch was sie wirklich umtreibt, ist die Nachfolgersuche. Schön-Heider ist mit 55 Jahren die jüngste der drei Kollegen. Ihre Sorge ist, dass die Apotheken wegen der massiven Notdienstbelastung praktisch unverkäuflich sind. „Das bindet sich doch heutzutage kein junger Mensch mehr ans Bein“, sagt sie.

Und so wandte sie sich Hilfe suchend an die Apothekerkammer Niedersachsen. Ihr Vorschlag: Man könnte den aktuellen Kreis auflösen und die drei Betriebe anderen Notdienstkreisen im Umfeld zuordnen, die ebenfalls unter einer hohen Belastung ächzten. Ohnehin sei sie in Dransfeld vornehmlich für die Versorgung mit OTC-Arzneimitteln da, denn die nächstgelegenen Notdienstambulanzen finden sich in den jeweils etwa 15 km entfernten Orten Göttingen und Hannoversch Münden. Wer dort ein Rezept erhalte, löse es meist direkt vor Ort ein.

Lange brütete die Kammer über diesem Problem, lehnte Schön-Heiders Idee aber letztlich ab. Zu wichtig sei die wohnortnahe Arzneimittelversorgung auch abseits der regulären Öffnungszeiten. Doch die Apothekerin ließ nicht locker und wagte sogleich einen neuen Vorstoß. Statt das ganze Wochenende dienstbereit sein zu müssen – unter der Woche war dies ohnehin nur bis 20 Uhr Pflicht –, würde es doch auch reichen, nur die Sonntage abzudecken, regte sie an. Viel Hoffnung, dass die Kammer dem folgen würde, machte sie sich nicht – doch die Kammer zeigte sich kompromissbereit und gab Schön-Heiders Begehr kurz vor den Feiertagen statt.

„Man kann die Apotheken auf dem Land nur stärken, wenn man sie entlastet“

Die Freude der Apothekerin ist im Gespräch deutlich zu spüren. Mit einer so positiven Nachricht habe sie nicht gerechnet, sagt sie. „Das ist das schönste Weihnachtsgeschenk überhaupt!“ Sie sei überglücklich, dass die Kammer die Not der drei Inhaber:innen erkannt habe und nun handle. Und das sei schließlich ganz im Sinne der flächendeckenden Versorgung, betont Schön-Heider. „Man kann die Apotheken auf dem Land nur stärken, wenn man sie entlastet“, glaubt sie. „Ich finde es richtig klasse, dass die Kammer uns diesbezüglich entgegengekommen ist.“

Die Kammer gibt sich auf DAZ-Anfrage vergleichsweise sachlich. Es handele sich bei dieser Entscheidung keineswegs um ein Weihnachtsgeschenk, auch wenn es der Kollegin angesichts der angespannten Situation so vorkommen möge. „Mit Ablauf des Jahres ist es durchaus üblich, dass die Apothekenleiterinnen und Apothekenleiter in einem Dienstkreis über die Aufstellungen der neuen Dienstpläne beraten und Änderungen bei der Kammer beantragen“, erläutert die Apothekerkammer Niedersachsen. Sie überprüfe regelhaft die Vorschläge auf Neuordnung einer Dienstregelung mit Blick darauf, ob „den Patienten außerhalb der regulären Ladenöffnungszeiten in zumutbarer Entfernung Apotheken zur Verfügung stehen. Auf dieser Grundlage werden die Dienstpläne aufgestellt.“ So oder so: Die Freude in Dransfeld ist ungetrübt.


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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