BAK-Werkstattgespräch

Notdienst wird Thema auf Bundesebene

Stuttgart - 03.03.2023, 16:15 Uhr

Der Notdienst muss reformiert werden. Aber wie? (Foto: IMAGO / Steinach)

Der Notdienst muss reformiert werden. Aber wie? (Foto: IMAGO / Steinach)


Der Nacht- und Notdienst ist eine von vielen Baustellen, die die Apotheken derzeit haben. Vor allem die Mehrbelastung der verbleibenden Kolleg:innen, die die Dienste der geschlossenen Betriebsstätten übernehmen müssen, wird zunehmend zum Problem. Ende März will sich nun die Bundesapothekerkammer in einem Werkstattgespräch mit dem Thema beschäftigten.

Es gibt wohl in Deutschland kaum eine Apothekerkammer, die sich nicht mit dem Thema Notdienst beschäftigt. Denn die seit Jahren stetig sinkende Apothekenzahl gefährdet das Konzept. Will man die Versorgungsdichte aufrechterhalten, bedeutet das zwangsläufig eine Mehrbelastung für die Verbleibenden. Und zwar in einem Ausmaß, das für den einen oder anderen nicht mehr tragbar ist. 

Ein paar Kammern sind von der bisherigen Organisation in festen Notdienstkreisen abgerückt. Sie koordinieren die Notdienste für das ganze Kammergebiet mithilfe einer Software. Diese Art der Verteilung hat die Apothekerkammer Westfalen-Lippe Anfang 2012 eingeführt. Anlass für die Umstellung war damals die Zentralisierung des ärztlichen Notdiensts von 340 auf 67 Notdienstpraxen. Im Jahr 2015 folgten Schleswig-Holstein und Nordrhein. Die Dienste werden dabei nach einem anderen Konzept als bei den etablierten Notdienstkreisen verteilt.

Mehr zum Thema

„Das schönste Weihnachtsgeschenk überhaupt“

Notdienst am Limit – Kammer Niedersachsen entlastet Apothekerin

Derzeit sind für die Organisation des Notdiensts in Deutschland die 17 Apothekerkammern zuständig. Auch wenn die Organisation deren hoheitliche Aufgabe ist, lassen sich nicht alle Probleme auf Kammerebene lösen. Da geht es zum Beispiel um die Grenzgebiete. So kommt es immer wieder vor, dass es sehr große oder sehr kleine Abstände zwischen diensthabenden Apotheken gibt, weil die Dienste oft nicht kammerübergreifend abgestimmt sind. Aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen können die Kammern selbst nicht ändern. So kommt beispielsweise immer wieder die Frage auf, ob wirklich eine Dienstbereitschaft rund um die Uhr erforderlich ist. Zudem dürfte die im Koalitionsvertrag verankerte Reform der Notfallversorgung auch den apothekerlichen Notdienst berühren.

BAK lädt zum Werkstattgespräch

Das sieht man offenbar nun auch bei der Bundesapothekerkammer (BAK) so – dem Vernehmen nach, gab es Druck aus einzelnen Kammern. Sie lädt daher die Präsident:innen und Geschäftsführer:innen der 17 Apothekerkammern am 30. März nach Berlin zu einem Werkstattgespräch zum Thema Notdienst ein. Auf der Agenda stehen die rechtlichen Rahmenbedingungen, die geplante Reform der Notfallversorgung sowie der Reformbedarf. So soll der Tagesordnung zufolge das Notdienstsystem der Apothekerkammer Westfalen-Lippe vorgestellt und weitere Optionen diskutiert werden, etwa die Flächendeckung, die Ausstattung und das Personal.

Vorschläge vom BVDAK-Chef

An Ideen, was man tun könnte, mangelt es sicher nicht. So hat beispielweise BVDAK-Chef Stefan Hartmann vor kurzem vorgeschlagen, die ABDA solle jetzt die Struktur des Apothekennotdiensts in die Hand nehmen. Mit Blick auf die stetig sinkende Zahl der Apotheken hierzulande hält er es für notwendig, die Regelung der Dienstbereitschaft komplett neu und bundesweit EDV-gestützt aufzustellen. Außerdem sind in seinen Augen Turnusnotdienste mit maximal einem Notdienst im Monat von 8 bis 22 Uhr ausreichend. Ob die BAK das auch so sieht, bleibt abzuwarten.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Bundesapothekerkammer lädt zum Werkstattgespräch

Baustelle „Notdienst“ kommt aufs Tablett

Hessens Kammerpräsidentin Funke

„Wir sind dran am Thema Notdienst“

BVDAK-Chef macht Vorschlag

Notdienst neu definieren

Wie die geodatenbasierte Lösung funktioniert und was sie bringt

Effektive Notdienstverteilung durch Algorithmen

Ein Viertel weniger Apotheken

Westfalen-Lippe und Saarland sehen rot

12 Kommentare

"die Jungen"

von Dr. Ralf Schabik am 07.03.2023 um 15:06 Uhr

"die Jungen werden es lernen" ... WAS werden sie lernen ? Dass sie selber ein bisschen vorausschauend einkaufen - oder werden sie lernen müssen, dass man mit Teilzeit-Job die wachsenden Ansprüche nicht befriedigen kann und nur wenige "Influencer" von ihrem Gehabe leben können ?
Es wird nicht mehr lange dauern, dass die "Generation der Erben" die Ersparnisse ihrer Vorfahren aufgebraucht haben und selber wieder Hand anlegen müssen ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Notdienst

von Landapotheker/in am 07.03.2023 um 11:42 Uhr

Keine OTC's mehr nach 21.00 Uhr! Nach 23 Jahren mit Nachtdienst bin ich der Auffassung, dass man die knappen Apothekenpersonalresourcen schonen muss vor Ausbeutung durch Läusemitteln, Nasensprays, Paracetamol,Ibu,etc. in der Nacht, und meist von jüngeren Leuten verlangt. Das gehört in die Hausapotheke, unsere ältere Kundschaft praktiziert dies noch, die Jungen werden es lernen. Die Notdienste sind natürlich ein Hindernis in der Apotheken -Nachfolge, daher müssen sie deutlich entschärft und erträglicher für das Personal gestaltet werden. Die Ärzteschaft ist da schon weiter, deren Notdienstkreise werden immer größer, mit gleichzeitiger Verkürzung der Bereitschaftszeit. Und für das Lesen von irgendwelchen Bewertungen bleibt hier sowieso keine Zeit.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

grundsätzliche Fragen

von Dr. Ralf Schabik am 07.03.2023 um 9:21 Uhr

DASS eine Grundsatzdiskussion über den Notdienst längst überfällig ist, sollte unstrittig sein.

Bevor wir uns aber in Details ergehen, müssen wir diskutieren, WIE die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln außerhalb der "regulären" Öffnungszeiten der Apotheken gesichert werden soll und kann.

Natürlich werde der Beobachtung nicht widersprechen, dass die Zahl der "echten" Notfälle ziemlich überschaubar ist.
Andererseits sehe ICH die Dienste sogar als ausbaufähige Säule der Notfallvorsorge.
Jeder Patient, der in der Apotheke im Dienst wirksame Hilfe bekommt, wählt nicht die 116117. Und wenn die Bereitschaftsärzte entlastet werden, eskalieren viele Befindlichkeitsstörungen nicht in Richtung 112, was primär die (ohnehin fehlenden !) Notärzte entlastet (bis hin zur Einsparung von Flügen von Rettungshubschraubern einschließlich Ausleuchtung Landeplatz durch Feuerwehr), im Anschluss auch die Notaufnahmen und Krankenhäuser.


Die Argumentation, Ibu nach 23 Uhr sei kein Notfall, ist viel zu kurz gesprungen.
Was ein Notfall ist, definiert der Kunde.
Wenn ich eine abweichende Einschätzung habe, kann ich beispielsweise den Preis für die Packung regulieren ;-)

Und was die (quälenden sinnlosen) Anrufe anbelangt, fordere ich seit mehr als 15 Jahren die Anbindung an die 116117 - aber da habe ich weder in Kammer noch Verband Verbündete gefunden. Doch selbst hier kann ich selber intervenieren, indem ich meine Telefonanalage entsprechend programmiere.

Last not least die "Arbeitsbelastung", neudeutsch "work-life-balance": Ich weiß sehr, sehr genau, was 61 Dienste im Jahr bedeuten mit Arbeitstag vorher und Arbeitstag nachher.
Das aber ist NICHT das Problem der Dienste - sondern hier liegt das Problem darin, dass die Arbeitsbedingungen in der Apotheke in den letzten Jahren INSGESAMT zur Hölle gemacht wurden von den verdammten Bürokraten.
Die Dienste mögen Kraft kosten - aber zumindest sind die Dienste die Zeiten, in denen ich das machen kann, weshalb ich Apotheker geworden bin:
Der Patient hat ein Problem, ich fast immer die Lösung.
Dass das keine allgemeingültige Einstellung ist, ist mir schon klar. Aber den Notdienst dem Zeitgeist opfern, würde ich versuchen, zu vermeiden ...

Fazit: Wir brauchen eine KOMPLETT-Lösung, weil wir mit unseren Apotheken-Diensten nur ein kleiner Teil des gesamten Systems sind, das an allen Ecken und Enden jenseits des Limits angekommen ist.
DAS muss "die Politik" endlich begreifen !!!

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: grundsätzliche Fragen

von T Kaiser am 07.03.2023 um 10:48 Uhr

Ich sehe es auch so, dass wir den ärztlichen Notdienst und die KHs entlasten. Aber das muss doch auch entsprechend honoriert werden. Unsere Leistung subventioniert doch den ärztlichen Notdienst quer. Apotheken machen ein Minusgeschäft damit die Ärzte und KHs dieses nicht machen müssen, und wir machen es noch dazu billiger. Das ist doch wahnwitzig.

AW: grundsätzliche Fragen

von Dr. Ralf Schabik am 07.03.2023 um 11:03 Uhr

@ T Kaiser: DANKE, EXAKT ! Und genau deshalb möchte ich die Apotheken als offizielle Säule der Notfallversorgung, eben DAMIT sich "der Staat" nicht aus der Verantwortung schleichen kann. Der NNF war eine bahnbrechende "Erfindung", für die ich sehr dankbar bin - aber auf dem Stand dürfen wir nicht stehen bleiben.
Der Rettungsdienst liefert da ja seit Jahren bedrückend drastische Beispiele für wahnwitzige Minusgeschäfte.

Notdienst

von Liselotte S am 05.03.2023 um 7:25 Uhr

Mein Vorschlag wäre: Bis 23 Uhr können alle Arzneimittel inkl OTC abgeben werden. Ab diesem Zeitpunkt beschränkt sich der Notdienst auf in derselben Nacht ausgestellte, speziell gekennzeichnete Rezepte. Auch reine "Spätdienste" bis 22 Uhr finde ich eine gute Idee.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Geöffnet

von cornelia steinrück am 04.03.2023 um 10:42 Uhr

Vielleicht könnte bei Google der Notdienst als Sonderöffnungszeit deklariert werden ,um „Shopper“ etwas auszubremsen

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Nachtrag

von Thomas B am 04.03.2023 um 1:43 Uhr

Heute Notdienst. Freitag Abend.
22 Uhr bis 1 Uhr 7 (sieben!) "echte" Notfälle von Hochdruckkrise über Kinderantibiotika und Fiebersaft bis Allergienotfall (ironischerweise nach Antibiotikagabe)...... Genau dafür gibt es den Notdienst und muss es ihn auch weiter geben. Aber nur ein einziger Anruf, der die Inanspruchnahme des Notdiensts rechtfertigt. Verzweifelte Eltern von 45 km ausserhalb wegen der Lieferbarkeit von Amoxiclav für Kinder nach Tierbiss..... Wir konnten helfen.
Deutschland anno 2023....

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Notdienst ist sicher nötig

von Thomas B am 03.03.2023 um 21:47 Uhr

Auch wenn es verlockend und ökonomisch sicher sinnvoll ist, den Notdienst bis 22 Uhr zu begrenzen und viele Kollegen das nicht hören wollen; auch mir fallen die Dienste nach 25 Jahren merklich schwerer. Aus unserer Erfahrung der letzten 3 Jahre sind im Schnitt bei uns auf dem Land 1 bis 2 Fälle pro Dienst abseits der klassischen Nasensprays, Pille danach und Co. als echte Notdienstfälle nach 22 Uhr zu sehen. Für die lasse ich mich auch nach wie vor bereitwillig wecken. Worüber man aber dringend nachdenken muss, ist die Telefonbereitschaft. Fragen wie "Haben Sie Notdienst?", "Wo ist bei Ihnen im Ort die nächste offene Tankstelle?" oder schlicht der Beratungsklau im Notdienst gehören wirkungsvoll unterbunden. Eine AB- Ansage mit "Ja, wir sind dienstbereit bis.... . Kommen Sie vorbei." muss reichen!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Notdienst

von Bernadette Buchholz am 03.03.2023 um 18:36 Uhr

ich glaube,bis 22 Uhr ist sicher ausreichend..Danach werden ohnehin nur Dinge wie Nasenspray,Schwangerschaftstests oder nicht notfallrelevante Artikel nachgefragt

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Notdienst

von Andi am 04.03.2023 um 9:24 Uhr

Ich sehe es genauso.
Der Notdienst war auch mit ein Grund, weshalb ich in den vorgezogenen Ruhestand bin.
Im Normalfall arbeitet man ja am nächsten Tag weiter.
Der Vorschlag mit der Telefonansage ist schon lange überfällig.
Vorne ein Kunde hinten klingelt's Telefon.
Aber Vorsicht - es kann sein, dass es dann auch noch eine schlechte Google Bewertung gibt .
Da hätte ich einfach keine Lust mehr.

AW: Notdienst hier: Google

von Dr. Ralf Schabik am 07.03.2023 um 9:25 Uhr

Das mit den Google-Bewertungen nervt auch mich - aber man kann die Schmierfinken hervorragend mit eigenen Waffen schlagen: Einfach auf Kommentare antworten und mit Fakten kommen. Bei "Notapotheke hatte nicht geöffnet" dem Kunden den Spiegel vorhalten, dass er an der falschen Apotheke geklingelt hat. Oder bei "Nasenbluten nach Abstrich" Hinweis auf "sorry, im Logbuch KEIN Eintrag - Sie verwechseln die Teststelle".
Wir hatten nur vereinzelt schlechte Bewertungen, aber wenn ich gegengehalten habe, entweder Entschuldigung oder Löschung des Originalbeitrags.

Dass ich diese Bewertungs-Manie generell zum Kotzen finde ... daraus mache ich keinen Hehl ;-)

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.