Nicht besser als bereits verfügbare Corona-Impfstoffe?

Bieten angepasste Impfstoffe keinen Vorteil gegen Omikron?

Stuttgart - 18.02.2022, 17:50 Uhr

Erhoffen wir zu viel von an Omikron angepassten Corona-Impfstoffen? (x / Foto: Bikej Barakus / AdobeStock)

Erhoffen wir zu viel von an Omikron angepassten Corona-Impfstoffen? (x / Foto: Bikej Barakus / AdobeStock)


Impfstoffe, die speziell die Omikron-Variante adressieren, sollen in Kürze verfügbar sein. Allerdings zeigen erste Tierstudien, dass die angepassten Impfstoffe nicht besser vor Omikron schützen als eine dritte Dosis mit einem bereits zugelassenen COVID-19-Impfstoff. Mehr noch – reine Omikron-Impfungen könnten sogar mit großen Einbußen einhergehen.

Omikron dominiert das Infektionsgeschehen – die seit dem vergangenen Jahr (erstmals entdeckt im November 2021 in Südafrika) zirkulierende SARS-CoV-2-Variante ist hochgradig übertragbar, verursacht dafür aber weniger schwere COVID-19-Erkrankungen. Nachteilig ist vor allem, dass drei Dosen der derzeit verfügbaren Corona-Impfstoffe vor Omikron weniger gut schützen als vor den vorherigen Varianten, weswegen die Hersteller mRNA-basierter Vakzinen, Pfizer/Biontech und Moderna, bereits an der Anpassung ihrer Impfstoffe arbeiten.

Die Hoffnung: Die adaptierten COVID-19-Vakzinen sollen Omikron besser adressieren und das Infektionsgeschehen eindämmen. Klinische Studien laufen bereits – Biontech informierte am 25. Januar, dass die ersten Studienteilnehmer Biontechs Omikron-basierten Impfstoffkandidaten als Primärserie mit zwei Dosen und als Auffrischungsdosis erhalten haben. Nur einen Tag später folgte am 26. Januar Moderna mit der gleichen Nachricht – der erste Teilnehmer sei mit dem angepassten Omikron-spezifischen Impfstoffkandidaten (mRNA-1273.529) geimpft worden.

Doch was ist von den adaptierten Impfstoffen zu erwarten? Ein aktueller Artikel der Wissenschaftsjournalistin Emily Waltz im Fachjournal „Nature“ stimmt nachdenklich: „An Omikron angepasste COVID-19-Impfstoffe schneiden in ersten Tests nicht besser ab als die ursprünglichen Vakzinen“, titelt Waltz. Zu dieser Einschätzung gelangt die Journalistin aufgrund von bereits durchgeführten Tierstudien, die „darauf hindeuten, dass Omikron-spezifische Auffrischungsimpfungen keinen Vorteil gegenüber einer dritten Dosis mit den derzeitigen Impfstoffen bieten“.

Breite Antikörperreaktion unabhängig vom Boosterimpfstoff

Bei einer bislang lediglich als Preprint vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit verglichen die Forschenden – nach zweifacher Impfung nichtmenschlicher Primaten (Affen) mit dem bereits zugelassenen Moderna-Impfstoff Spikevax – die Boosterwirkung nach erneuter Impfung mit Spikevax mit dem Effekt, den eine Impfung mit der Omikron-spezifischen Vakzine auslöst. Und: Nach beiden Impfschemata wurde eine „gleichwertige Kontrolle der Virusvermehrung in den unteren Atemwegen“ beobachtet, schreiben die Wissenschaftler. 

Interessant ist auch die Wirkung der Auffrischimpfung auf die B-Gedächtniszellen, sie zeichnen für die Bildung von Antikörpern und damit mit für die Abwehr des Virus verantwortlich. Und auch hier: Bei beiden Impfschemata stieg die Zahl der kreuzreaktiven B-Gedächtniszellen. Zur Erklärung: Antikörper kreuzreaktiver B-Zellen können sich gegen viele Virusvarianten richten (nicht nur gegen die Variante, gegen die geimpft wurde). Somit entwickelten die Affen eine breite Antikörperreaktion, unabhängig davon, mit welchem Impfstoff sie geboostert worden waren.

Möglicherweise kein besserer Schutz

Die Wissenschaftler schlussfolgerten daraus: „Daher bietet ein Omikron-Booster im Vergleich zu einem Booster mit dem aktuellen mRNA-1273-Impfstoff (Spikevax) möglicherweise keine größere Immunität oder Schutz.“ Für Robert Seder, Mitautor der Studie und Immunologe am US National Institute of Allergy and Infectious Diseases in Bethesda, Maryland, ist das eine gute Botschaft: „Es bedeutet, dass wir immer noch in der Lage sind, alle bekannten Varianten mit einer Auffrischimpfung“ mit den aktuellen Impfstoffen abzudecken, kommt er im „Nature“-Beitrag zu Wort. Allerdings: Die Studie lief nur kurz. Es seien lediglich Immunreaktionen bis zu vier Wochen nach Boosterimpfung beobachtet worden. Somit sei unklar, wie lange die Antikörperreaktionen anhielten. Zudem war die Studie klein, eingeschlossen waren lediglich acht Affen, sodass die Aussagekraft der Ergebnisse begrenzt ist. 

Auch ursprünglicher COVID-19-Impfstoff boostert die Antikörper

In einer weiteren Arbeit, auch als Preprint verfügbar, geht es ebenfalls um den Omikron-spezifischen Impfstoff von Moderna. Auch hier verrät der Titel des Beitrags bereits: „Booster mit Omikron-angepassten oder ursprünglichen mRNA-Impfstoffen erhöht neutralisierende Antikörperreaktionen und Schutz gegen B.1.1.529-Infektion (Omikron) bei Mäusen“ – ist es also auch in diesem Versuch egal gewesen, womit geboostert wurde? Dieses Mal wurde die Wirkung an Mäusen getestet, und: Beide Booster (ursprünglicher Impfstoff und angepasster Impfstoff) erhöhten die Zahl der neutralisierenden Antikörper und „verstärkten“ den Schutz vor Omikron. Die Virus- und Zytokinlast (Maß für die Entzündung) in der Lunge war bei Mäusen, die mit dem Omikron-spezifischen Impfstoff geimpft wurden, zwar etwas geringer, „wobei nur begrenzte Unterschiede in der Wirksamkeit gemessen wurden“, erklären die Wissenschaftler.

Schützt eine reine Omikron-Impfung nicht vor anderen Corona-Varianten?

Daneben interessierten sich die Wissenschaftler auch dafür, welche Effekte der Omikron-angepasste Impfstoff bei noch gänzlich ungeimpften Mäusen hervorruft. Und in der Tat produzierten die Mäuse auf die Impfung hohe Mengen an neutralisierenden Antikörpern gegen Omikron, aber diese waren dafür nur begrenzt in der Lage, auch andere wichtige SARS-CoV-2-Varianten zu hemmen (keine Kreuzreaktivität). Zu diesen Ergebnissen kamen auch Wissenschaftler einer weiteren als „Preprint“ zugänglichen Studie mit dem Titel: „Omikron-spezifischer mRNA-Impfstoff induziert starke neutralisierende Antikörper gegen Omikron, aber nicht gegen andere SARS-CoV-2-Varianten“.

Ist die Impfreihenfolge wichtig?

Eine vierte Studie mit Mäusen und Hamstern förderte zudem zutage, dass der Impferfolg möglicherweise davon abhängt, mit welchem Impfstoff zuerst geimpft wird. Die Wissenschaftler setzten in dieser Studie einen sogenannten replizierenden Impfstoff ein, das bedeutet: Dieser enthält nicht nur die mRNA für das Spikeprotein (Antigen), sondern auch einen Bereich, der für einen „Verstärker“ codiert, sodass der Geimpfte das eigentliche Antigen besser herstellen kann. Erhielten die Mäuse nun zwei Dosen Corona-Impfstoff gegen die ursprüngliche SARS-CoV-2-Variante gefolgt von einer Dosis der angepassten Vakzine, verstärkte diese Boosterimpfung die Immunreaktion gegen Omikron nicht. Anders, wenn die Nager zunächst eine Dosis der angepassten Omikron-Vakzine und dann erst eine Impfung auf Basis des ursprünglichen Stammes erhielten – dieses Impfschema verbesserte die Immunantwort. Auch diese Arbeit liegt bislang nur als „Preprint“ vor und ist noch nicht wissenschaftlich unabhängig geprüft.

Eine Impfung mit angepasstem Impfstoff vielleicht nicht ausreichend

Was ist mit diesen Informationen nun anzufangen? Im „Nature“-Beitrag äußert sich ein weiterer Impfstoffforscher, David Montefior. Er leitet das Labor für AIDS-Impfstoff-Forschung und -Entwicklung am Duke University Medical Center in Durham, North Carolina, und beschäftigt sich auch mit COVID-19-Impfstoffen. Seiner Einschätzung nach ist „die einmalige Verabreichung eines auf die Variante abgestimmten Impfstoffs wahrscheinlich nicht die Lösung“. Wichtige Fragen seien noch offen. Montefiori hofft, dass die Omikron-Studien von Pfizer und Moderna am Menschen dazu beitragen werden, Antworten zu finden. Erste Ergebnisse sollen schon in Kürze vorliegen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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