Beratung und Abgabe

Was Apothekenpersonal zu HIV-Tests für zu Hause wissen sollte

Stuttgart - 01.12.2021, 17:15 Uhr

Das RKI empfiehlt mittlerweile auch zusätzlich zu den bestehenden Angeboten eine „aktivere Bewerbung von HIV-Einsende- und HIV-Selbsttests“. Selbsttests sind seit 2018 in Apotheken zu haben. (Foto: IMAGO / epd)

Das RKI empfiehlt mittlerweile auch zusätzlich zu den bestehenden Angeboten eine „aktivere Bewerbung von HIV-Einsende- und HIV-Selbsttests“. Selbsttests sind seit 2018 in Apotheken zu haben. (Foto: IMAGO / epd)


Seit etwas mehr als drei Jahren sind HIV-Selbsttests in Apotheken und Drogeriemärkten erhältlich. Die Tests wurden von Anfang an gut angenommen. Bereits im ersten Jahr gingen 30.000 über die Ladentische. Anlässlich des heutigen Welt-Aids-Tages haben wir noch einmal zusammengefasst, welchen Stellenwert sie haben, und worauf bei der Abgabe der Tests und der Beratung zu achten ist.

Im September 2018 machte der Bundesrat den Weg frei für HIV-Selbsttests für jedermann. Dazu war eine Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung erforderlich. Zuvor war die Abgabe von In-vitro-Diagnostika, die für den direkten oder indirekten Nachweis eines Krankheitserregers oder einer Infektion nach dem Infektionsschutzgesetz bestimmt sind, auf Fachkreise wie Ärzte, ambulante und stationäre Einrichtungen des Gesundheitswesens, Blutspendedienste und Beratungseinrichtungen beschränkt. Das Abgabeverbot soll vor den Risiken der Laien-Anwendung und möglichen Lücken in der Krankheitsüberwachung schützen. Diese Regelung wurde nicht gekippt, es wurden lediglich die HIV-Tests als Ausnahme genannt. Daher stand die Regelung auch am Anfang den Selbsttests auf COVID-19 im Wege.

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Welchen Einfluss HIV-Selbsttests bei der Entwicklung der Infektionszahlen seit ihrer Einführung hatten und für die Zukunft haben werden, ist offenbar unklar. Nach Einschätzung von Experten nehmen sie eher Personen in Anspruch, die wissen, dass sie aufgrund ihres Sexualverhaltens ein hohes Risiko haben. Die, die sich keiner Risikogruppe zugehörig fühlen und daher keinen Bedarf für eine HIV-Testung sehen, nutzen sie wohl seltener. Man hofft, dass HIV-Einsende- und HIV-Selbsttests helfen, besonders in ländlichen Regionen und kleineren Großstädten die Testbereitschaft zu erhöhen und die Testlücken zu verkleinern. Das RKI empfiehlt mittlerweile auch zusätzlich zu den bestehenden Angeboten eine „aktivere Bewerbung von HIV-Einsende- und HIV-Selbsttests“, auch um Testlücken abseits der Großstädte zu schließen. Wer sich keiner HIV-Risikosituation bewusst ist oder entsprechende Anzeichen verdrängt, wird die erweiterten Testmöglichkeiten aber vermutlich nicht nutzen.

HIV-Selbsttest: Für wen, wann und warum?

HIV-Tests werden in Deutschland durch Arztpraxen, Gesundheitsämter oder Beratungsstellen der Deutschen AIDS-Hilfe angeboten. Zudem gibt es seit 2018 HIV-Selbsttests, die in Apotheken und Drogerien erworben werden können. 

Die freie Verfügbarkeit von HIV-Selbsttests sollte die Hemmschwelle zur Durchführung eines Tests senken und so mehr Menschen eine frühe Diagnose und damit eine Behandlung ermöglichen. Prinzipiell bringt ein solcher Test natürlich Klarheit und Gewissheit für jeden Menschen. Es kann sich also jeder untersuchen lassen bzw. in Zukunft auch selbst testen. Das gilt vor allem für jeden, der Grund zur Annahme hat, einem Risiko bezüglich einer HIV-Infektion ausgesetzt gewesen zu sein. Es gibt außerdem Risikogruppen von Personen, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion erhöht und somit regelmäßiges Testen umso ratsamer ist. Dazu zählen unter anderem Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), Menschen jeder sexuellen Orientierung, deren Geschlechtspartner häufig wechseln, und Personen, die sich Drogen injizieren.

Das Wichtigste für die Beratung bei HIV-Selbsttests

HIV-Selbsttests lassen sich – wie der Name schon sagt – einfach selbst durchführen, zum Beispiel zu Hause. Dabei wird etwas Blut aus der Fingerkuppe abgenommen und in eine Testapparatur gegeben. Der HIV-Selbsttest zeigt das Ergebnis nach ungefähr einer Viertelstunde an. 

Ob in Labors, von z. B. Gesundheitsämtern, Blutspende-Einrichtungen mittels PCR oder ELISA-Verfahren, oder ob zu Hause als Selbsttest, das Grundprinzip bleibt gleich: Gesucht wird nach HIV-Antikörpern des Typs 1 und 2. Diese bildet das körpereigene Immunsystem als Antwort auf die eingedrungenen Viren. Wichtig zu beachten ist, dass das nicht über Nacht geschieht. Es dauert einige Wochen bis eine Immunantwort durch Tests sichtbar gemacht werden kann. 

Corona, Testangebote und PrEP haben Effekt auf die Neuinfektionen

Tatsächlich sind die HIV-Neuinfektionen im Jahr 2020 in Deutschland deutlich zurückgegangen: von 2.300 im Jahr 2019 auf 2.000. Die Zahl der Menschen, die unwissentlich mit HIV leben, ist auf 9.500 gesunken – unter anderem dank verbesserter Testangebote. „Auch wenn ein Teil davon mit coronabedingten Kontaktbeschränkungen zu tun haben dürfte, ist der Rückgang der Neuinfektionen ein Erfolg. Die HIV-Prophylaxe PrEP hat dazu ebenso beigetragen wie Testangebote, die zu frühen Diagnosen und Behandlungen von HIV-Infektionen führen. Diese erfolgreichen Wege müssen ausgebaut, Versorgungslücken geschlossen werden“, sagt Sylvia Urban vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe (DAH). Weiter weist die Deutsche Aidshilfe darauf hin, dass frühe Diagnosen auch deswegen wichtig sind, weil HIV unter Therapie auf sexuellem Wege nicht mehr übertragbar ist.

Während bei professionellen Analyseverfahren zwei bis sechs Wochen nach der Ansteckung auf Antikörper getestet werden kann, müssen bei den Heimtests mindestens drei Monate zwischen Infektion und Test vergehen. Nur so wird das Risiko eines falsch negativen Ergebnisses minimiert. 

Nach dieser sogenannten dreimonatigen diagnostischen Lücke gelten die Tests als zuverlässig. Diese relativ lange Zeit bedeutet aber, dass sich Selbsttests für Kunden, die aufgrund eines konkreten Vorfalls (z. B. am Vortag) verängstigt und beunruhigt sind, nicht eignen. Hier ist der Verweis auf die persönliche, telefonische oder gar anonyme Beratung der Deutschen AIDS-Hilfe angeraten. 

PTAheute-Podcast: HIV-positiv im Apothekenalltag

Max Willie Georgi ist Apotheker und seit einigen Jahren HIV-positiv. Wie er von seiner Diagnose erfahren hat und welche Auswirkungen das Ganze auf seinen Apothekenalltag hat, darüber spricht er in dieser Podcast-Folge mit Cornelia Neth, Chefredakteurin von PTAheute.de.

Hier geht es zum Podcast

Die HIV-Selbsttests im Überblick

Die Deutsche Aids-Hilfe empfiehlt nur Tests zu verwenden, die das CE-Prüfzeichen der Europäischen Union haben, für die Anwendung durch Laien konzipiert und in Europa zugelassen sind. Darüber hinaus sollte ein guter HIV-Selbsttest annähernd 100 Prozent sensitiv sein. Das bedeutet, dass er bei richtiger Anwendung keine HIV-Infektion „übersieht“. Dazu gehören der „Autotest VIH“, „INSTI“, „Simplitude ByMe“ und der „Exacto“-Selbsttest.

Auch wenn keine Apothekenpflicht besteht, sind in der Lauer-Taxe HIV-Selbsttests gelistet. Ratiopharm vertreibt seinen Test sogar apothekenexklusiv. Wir haben uns die gelisteten Tests einmal genauer angesehen. 

 autotest® VIH ratiopharmExacto® HIV-SelbsttestSIMPLITUDE ByMe HIV-Selbsttest Blut
Pharmazentralnummer (PZN)139651991432359216517113
Preis 
(lt. Lauer-Taxe Stand 01.12.2021)
34,95 Euro27,95 Euro29,95 Euro
Anwendung
  • Durchführung dauert circa 5 Minuten
  • Testergebnis nach 15 Minuten ablesbar;
  • sollte spätestens nach 20 Minuten abgelesen werden
  • Sensitivität 100%
  • Durchführung dauert circa 5 Minuten
  • Testergebnis ist nach 10 Minuten ablesbar;
  • sollte spätestens nach 20 Minuten abgelesen werden
  • Sensitivität 100%
  • Durchführung dauert circa 5 Minuten
  • Testergebnis ist nach 15 Minuten ablesbar;
  • sollte spätestens nach 20 Minuten abgelesen werden
  • Sensitivität 100%
Beratungshinweise
  • Testständer muss auf einer ebenen Fläche stehen
  • Teströhrchen senkrecht halten
  • muss kräftig mit drei Klicks in den Testständer gedrückt werden
  • darf nicht bei Kindern unter 18 Monaten angewendet werden (Kinder unter 18 Monaten haben noch mütterliche Antikörper, die den Test verfälschen können)
  • Blut wird mit Kapillare aufgenommen und in Testfeld gegeben
  • Verdünnungslösung wird in extra Testfeld gegeben (zwei Tropfen)
  • Blutentnahmeröhrchen muss vollständig
    gefüllt sein
  • vier Tropfen müssen in das Testfeld gegeben werden
  • es darf kein Blut ins Testfeld gelangen (Einstichstelle vorher mit Pflaster versorgen)
Gebrauchsanweisung zum DownloadDownloadDownloadDownload


Cornelia Neth, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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