Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus

Welche Rolle spielen Apotheken in der Berliner Wahl?

Berlin - 24.09.2021, 17:15 Uhr

Haben die zur Berliner Abgeordnetenhauswahl antretenden Parteien auch die Apotheken im Blick? (c / Foto: IMAGO / Emmanuele Contini)

Haben die zur Berliner Abgeordnetenhauswahl antretenden Parteien auch die Apotheken im Blick? (c / Foto: IMAGO / Emmanuele Contini)


In Berlin wird am kommenden Sonntag das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) nimmt seinen Hut – beerben will ihn seine Parteikollegin Franziska Giffey. In den Umfragen liegen die Sozialdemokraten mittlerweile knapp vor den Grünen. Welches Bündnis am Ende regieren wird, ist noch offen. Apothekenthemen werden die Wahl sicher nicht entscheiden. Die DAZ hat dennoch nachgehakt, ob sich die Parteien zu Apotheken Gedanken machen.  

Wenn am kommenden Sonntagabend die Wahllokale schließen, haben die Berliner Wähler:innen die meisten Kreuzchen gemacht: Sie sind nicht nur aufgefordert, über die Zusammensetzung des neuen Bundestags zu bestimmen. Sie wählen auch ihr Abgeordnetenhaus und ihre Bezirksverordnetenversammlungen neu. Obendrauf gibt es noch einen Volksentscheid zur Enteignung großer privater Wohnungsbauunternehmen. Viele Bürgerinnen und Bürger der Hauptstadt haben sich bereits zur Briefwahl entschlossen – vielleicht auch, um sich in Ruhe die zahlreichen Wahlzettel zu Gemüte führen zu können.

Nach der jüngsten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen würde die SPD mit 22 Prozent der Wählerstimmen wieder stärkste Kraft im Berliner Abgeordnetenhaus. Das ist insofern bemerkenswert, als in den Umfragen lange die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Bettina Jarasch die Nase vorn hatten. Im Mai kamen sie auf einen Spitzenwert von 30 Prozent – nun sind ihnen noch 19 Prozent vorausgesagt. Die CDU käme auf 17 Prozent, die Linke auf 13 Prozent. Die AfD erreicht in der Umfrage 9 Prozent, die FDP 7 Prozent. Auf die „Sonstigen“ Parteien entfallen laut Umfrage 13 Prozent. 

In der jetzt endenden Wahlperiode regierte in Berlin ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linken (R2G) – ob die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey dieses im Fall eines Wahlsieges der SPD fortsetzen würde, ist ungewiss. Etwa bei der Verkehrs- oder Wohnungspolitik oder der inneren Sicherheit scheint die frühere Bundesfamilienministerin eher auf CDU-Linie zu liegen. Sie griff im Wahlkampf auch Grüne oder Linke an und bekannte sich anders als diese nicht zur Fortsetzung von Rot-Rot-Grün.

Auch wenn in Berlin sicher nicht die Apothekenthemen die Wahl entscheiden, haben wir einen Blick in die Wahlprogramme der sechs derzeit im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien geworfen: Ist dort etwas zu Apotheken zu finden? Ausdrückliche Erwähnung – wenn auch nur am Rande – finden sie tatsächlich nur bei der FDP. Auch Apotheken (und Ärzte, Pflegende, Kliniken etc.) sollen von der „leistungsfähigen und zukunftsorientierten Gesundheitsversorgung, die sich an den individuellen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten und deren Selbstbestimmung ausrichtet“ profitieren, heißt es dort. Die Liberalen sprechen in ihrem Programm auch den Stellenwert von Prävention an und wollen zum Beispiel Impfungen „noch niedrigschwelliger“ anbieten – in diesem Zusammenhang nennen sie die Apotheken allerdings nicht. Die DAZ hatte hier genauer nachgehakt – eine Antwort der Berliner FDP blieb allerdings aus. Dies gilt im Übrigen auch für Grüne, Linke und AfD. Die DAZ hätte zum Beispiel auch gern gewusst, ob die Linke möglicherweise auch an Apotheken denkt, wenn sie in ihrem Wahlprogramm von „Modellprojekten mit ganzheitlichen Versorgungsangeboten“ spricht, „die durch multiprofessionelle Zusammenarbeit auf komplexe Bedarfslagen eingehen können und in die lokalen Strukturen im Kiez eingebunden sind“.

Geantwortet haben jedoch SPD und CDU.

SPD: Apotheken sind tragende Säulen der Berliner Gesundheitsversorgung

Die Antworten der Berliner SPD

In Berlin gibt es rund 765 Apotheken (Stand Ende 2020). Anders als in Flächenstaaten ist die Versorgung im urbanen Bereich damit wohl gesichert. Spielen Apotheken vor diesem Hintergrund für Sie in der Landespolitik überhaupt eine Rolle? Im Wahlprogramm finden sie keine Erwähnung – aber vielleicht sind sie in der „Gesundheitsstadt Berlin“ doch mitgedacht?

Könnten Sie sich – auch angesichts der Erfahrungen aus der Pandemie – vorstellen, dass Apotheken künftig mehr bieten? Ein Modellprojekt zu Grippeimpfungen wird nun kommen – begrüßen Sie das? Welche Dienstleistungen könnten Sie sich überdies vorstellen?

Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet.

Die Berliner Apotheken sind selbstverständlich tragende Säulen der Berliner Gesundheitsversorgung.  Die Berliner SPD schätzt ihr Engagement in der wohnortnahen Versorgung der Berliner:innen mit Medikamenten und dem apothekenüblichen Randsortiment. Mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz haben wir auf Bundesebene die Expertise der Apotheker:innen in den Vordergrund gerückt. Sie sind keine reinen Verkäufer:innen, sondern Angehörige eines Heilberufes. Daher finden wir die Dienstleistungsverträge, die der DAV gerade mit dem GKV-Spitzenverband verhandelt, gut. Auch die Grippeimpfung in Apotheken, die wir mit dem Masernschutzgesetz im Bund auf den Weg gebracht haben, war der SPD ein wichtiges Anliegen. Wir können uns aber auch vorstellen, dass Impfungen mit regionalen Schwerpunkten – wie die FSME-Impfung – in Apotheken angeboten werden könnten. Die Evaluation der Modellprojekte zur Grippeimpfung wird hier sicher mehr Aufschluss bringen. Impfungen für Kinder sollten aber in den Händen von Kinder- und Jugendärzten bleiben. Darüber hinaus ist vor allen Dingen im Bereich der Polymedikation noch viel zu tun. Hier setzen wir auf die Beratungskompetenz der Apotheker:innen. Die Apotheker:innen müssen gute Modelle in die Verhandlungen einbringen, die die Versorgung sicherer machen.

Krankenhäuser sind Landessache – was halten Sie davon, Apotheker:innen auf den Stationen zu etablieren, wie es Niedersachsen vorgemacht hat? 

Aktuell müssen nur in Niedersachsen Stationsapotheker:innen beim Medikationsprozess im Krankenhaus eingebunden werden. Das sollte jedoch überall der Standard sein. Ein pharmazeutischer Blick auf die Medikation ist unbedingt nötig. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie sehr wir auf gute Kooperation bei der Gesundheitsversorgung angewiesen sind – aber auch, wie gut sie funktionieren kann. Wir werden in Zukunft die Zusammenarbeit von Ärzt:innen und Apotheker:innen auch deshalb stärken müssen, weil wir sonst nicht in der Lage sein werden, eine flächendeckende Versorgung sicherstellen zu können.

Berlin und Brandenburg sind derzeit Fokusregion für den Test des E-Rezepts.  Sehen Sie Berlin vielleicht gar als Vorreiter in Sachen Digitalisierung im Gesundheitswesen? Oder gibt es hier noch viel zu tun? 

Hier sehen wir die großen Chancen digitalisierter Lösungsansätze für den Gesundheitsstandort Berlin, die das Ziel des Bürokratieabbaus mit der Optimierung von Diagnose-, Dokumentations- und Verordnungsprozessen verbinden. Deshalb bleibt die Fortsetzung unserer Digitalisierungsoffensive im Berliner Gesundheitswesen eine der zentralen Aufgaben, die wir in der nächsten Legislaturperiode angehen wollen.

Noch eine grundsätzliche Frage – da Länder über den Bundesrat ja durchaus auch Bundesfragen anstoßen können und dies auch schon geschehen ist: Sehen Sie Änderungsbedarf in den Apothekenstrukturen? Oder sollen die existierenden Regeln, etwa zum Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln, Fremd- und Mehrbesitzverbot, aus Ihrer Sicht Bestand haben?

Wir Sozialdemokrat:innen haben uns nach langen und intensiven Verhandlungen mit der Union im Bund dafür eingesetzt, dass es kein Versandverbot für verschreibungspflichtige Medikamente geben darf. Allerdings gilt zukünftig für alle gesetzlich Versicherten derselbe Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel – unabhängig davon, ob sie diese in der Vor-Ort-Apotheke oder über eine EU-Versandapotheke beziehen. Versandapotheken dürfen gesetzlich Versicherten keine Rabatte mehr auf rezeptpflichtige Arzneimittel gewähren. Inzwischen gibt es erste Signale, dass auch die EU-Kommission den von uns beschrittenen Weg, das Rabattverbot im SGB V zu regeln, statt im Arzneimittelgesetz, akzeptiert. Sollte die EU-Kommission das immer noch laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einstellen, gibt es aus Sicht der SPD keinen Änderungsbedarf an der gefundenen Lösung.

CDU: „Eine Aufweichung des Fremd- und Mehrbesitzverbots lehnen wir ab“

Die Antworten der Berliner CDU

Spielen Apotheken für Sie in der Landespolitik überhaupt eine Rolle? Im Wahlprogramm finden sie keine Erwähnung – aber vielleicht sind sie an der einen oder anderen Stelle doch mitgedacht?

Wir bekennen uns in unserem Wahlprogramm zur Abgeordnetenhauswahl 2021 grundsätzlich zu einem leistungsfähigen Gesundheitssystem, das jeder Bürgerin und jedem Bürger eine Versorgung auf höchstem Niveau ermöglicht. Auch in Zukunft muss jeder in unserer Stadt Zugang zu einer guten wohnortnahen medizinischen Versorgung haben und am medizinischen Fortschritt teilhaben können, unabhängig von seinem Einkommen, Alter oder gesundheitlichen Zustand. Dazu gehören für uns selbstverständlich auch die Apotheken. Denn sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur zuverlässigen Medikamenten- und Gesundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger. Wie wichtig eine flächendeckende Apothekenlandschaft in unserer Stadt ist, wurde nicht zuletzt während der Corona-Pandemie offensichtlich: Von der Eigenherstellung fehlender Desinfektionsmittel bis zur Ausdehnung der Öffnungszeiten für Beratungen haben die Apotheken einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der Krise geleistet.
Zudem kommt den Apothekern vor Ort bei der Arzneimittelversorgung unverändert eine Schlüsselrolle in Versorgung und Beratung der Menschen zu. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Patientensicherheit. Denn hier kann einerseits beim persönlichen Kontakt die Aufklärung über Risiken besser erfolgen und negative Interaktionen verschiedener Medikamente werden eher entdeckt, zum anderen besteht mitunter auch ein enger Kontakt zwischen der Apotheke vor Ort und den dort niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, was einen schnelleren und direkteren Austausch zum Wohle der Patientinnen und Patienten begünstigt.

Könnten Sie sich – auch angesichts der Erfahrungen aus der Pandemie – vorstellen, dass Apotheken künftig noch mehr in die Gesundheitsversorgung einbezogen werden, also über die Arzneimittelversorgung hinaus? Ein Modellprojekt zu Grippeimpfungen wird nun kommen – begrüßen Sie das? Im Wahlprogramm erklären Sie, dass Sie für eine höhere Masern-Impfquote sorgen wollen. Ist es für Sie perspektivisch denkbar, dass es in Apotheken auch ein solches Impfangebot gibt? Welche Dienstleistungen könnten Sie sich überdies vorstellen?

Die Apotheker wären fachlich in der Lage, Mehrleistungen zu erbringen, für die sie dann zusätzlich entlohnt werden müssten. Dies muss sorgfältig abgewogen werden und der Diskussionsprozess, in den auch die Ärzte und Krankenkassen einbezogen werden sollten, ist noch nicht abgeschlossen. Aus unserer Sicht gibt es aber gute Gründe dafür: Denkbar wären für uns beispielsweise Folgerezepte
bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen, die der Apotheke normalerweise wohlbekannt sind, um die Arztpraxen zu entlasten und damit die medizinische und Arzneimittelversorgung zu verbessern. 
In einigen Bundesländern waren bereits im vergangenen Jahr im Rahmen von Modellprojekten Grippeschutz-Impfungen in einigen Apotheken möglich. Wir stehen dem Modellprojekt zur Grippeimpfung auch in Berlin grundsätzlich offen gegenüber und werden dieses nach Beendigung evaluieren und die entsprechenden Schlüsse ziehen.

Krankenhäuser sind Landessache – was halten Sie davon, Apotheker:innen auf den Stationen zu etablieren, wie es Niedersachsen vorgemacht hat?

Wir werden in der kommenden Legislaturperiode prüfen und gemeinsam mit Expertinnen und Experten diskutieren, ob und wie Apothekerinnen und Apotheker in den Berliner Krankenhäusern etabliert werden könnten.

Berlin und Brandenburg sind derzeit Fokusregion für den Test der elektronischen Verordnung (E-Rezept). Sehen Sie Berlin vielleicht gar als Vorreiter in Sachen Digitalisierung im Gesundheitswesen? Oder gibt es hier noch viel zu tun?

Wir wollen die Digitalisierung nutzen, um unser Gesundheitssystem fit für die Zukunft zu machen und dabei den gezielten Einsatz digitaler Lösungen in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens unterstützen, wie zum Beispiel elektronische Rezepte, digitale Gesundheitsanwendungen oder die elektronische Patientenakte. Auch zukünftig werden wir digitale Projekte fördern, die für die Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen einen positiven Beitrag in der Gesundheitsversorgung leisten werden.
Wir werden den gezielten Einsatz digitaler Lösungen in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens unterstützen. Dokumentationsprozesse sind mit hoher Priorität dahingehend zu überprüfen, ob sie durch digitale Lösungen vereinfacht und verringert werden können. Digitale Möglichkeiten der Kommunikation und Kooperation zwischen Einrichtungen des Gesundheitswesens, Standorten und
Abteilungen sollen durch eine Anschubfinanzierung unterstützt werden. Außerdem werden wir den Einsatz digitaler Gesundheitslösungen und die Vernetzung der Berliner Gesundheitseinrichtungen stärker vorantreiben. Hierzu gehört auch der Aufbau und Betrieb einer gemeinsamen
Gesundheitsdatenplattform mit klaren, sicheren und transparenten Zugangs- und Nutzungsregelungen. 

Grundsätzlich – da Länder über den Bundesrat ja durchaus auch Bundesfragen anstoßen können und dies auch schon geschehen ist: Sehen Sie Änderungsbedarf in den Apothekenstrukturen? Oder sollen die existierenden Regeln, etwa zum Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln, Fremd- und Mehrbesitzverbot, aus Ihrer Sicht Bestand haben?

In der Arzneimittelversorgung kommt den Apotheken vor Ort unverändert eine Schlüsselrolle in Versorgung und Beratung der Menschen zu. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Patientensicherheit. Denn hier kann einerseits beim persönlichen Kontakt die Aufklärung über Risiken besser erfolgen und negative Interaktionen verschiedener Medikamente werden eher entdeckt, zum
anderen besteht mitunter auch ein enger Kontakt zwischen der Apotheke vor Ort und den dort niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, was einen schnelleren und direkteren Austausch zum Wohle der Patientinnen und Patienten begünstigt. Versandapotheken sind auf dem Vormarsch und werden von den Kundinnen und Kunden offenbar gut angenommen. Wichtig ist für uns dabei jedoch, dass eine fachlich zuverlässige Beratung erfolgt und die Regelungen für verschreibungspflichtige Medikamente beachtet werden. Dies darf bei dieser Art der Versorgung auf keinen Fall auf der Strecke bleiben.
Eine Aufweichung des Fremd- und Mehrbesitzverbots lehnen wir ab.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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