Landtagswahl in Sachsen-Anhalt

Wie stehen die Parteien in Sachsen-Anhalt zur Apotheke?

Berlin - 04.06.2021, 15:30 Uhr

In den Wahlprogrammen der Parteien sind Gesundheit und auch die Lehren aus der Pandemie durchaus ein Thema, ebenso die in der Verantwortung der Länder liegende Krankenhausversorgung. Dagegen finden Apotheken nur in einigen Programmen – und dort auch nur am Rande – Erwähnung. (c / Foto: IMAGO / Jan Huebner)

In den Wahlprogrammen der Parteien sind Gesundheit und auch die Lehren aus der Pandemie durchaus ein Thema, ebenso die in der Verantwortung der Länder liegende Krankenhausversorgung. Dagegen finden Apotheken nur in einigen Programmen – und dort auch nur am Rande – Erwähnung. (c / Foto: IMAGO / Jan Huebner)


Am kommenden Sonntag ist Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Derzeit wird das Land von einer Koalition aus CDU, SPD und Grünen regiert. Im Landtag sind zudem die AfD und die Linke als starke Oppositionsfraktionen vertreten. Umfragen zufolge hat die FDP diesmal gute Chancen, wieder die 5 Prozent-Hürde zu überspringen. DAZ.online hat bei den Landesverbänden aller sechs Parteien nachgefragt, welche Rolle Apotheken für sie in der Landpolitik spielen.  

In den vergangenen fünf Jahren regierte in Sachsen-Anhalt Deutschlands erste „Kenia-Koalition“ aus CDU, SPD und Grünen. Das Bündnis unter CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff war aus der Not geboren: Bei der Landtagswahl von 2016 hatte die AfD aus dem Stand 24,3 Prozent der Stimmen geholt und zog gleich mit 25 Abgeordneten erstmals ins Magdeburger Parlament ein. Die Linke sackte zwar von 23,7 Prozent im Jahr 2011 auf 16,3 Prozent ab, blieb damit aber immer noch so stark wie SPD und Grüne zusammen.

Auch wenn das Kenia-Bündnis zwischen diesen starken Extremen an den Rändern aus der Not geboren war: zerbrochen ist es am Ende nicht. Man hat sich trotz einiger Schwierigkeiten, etwa beim Thema Erhöhung des Rundfunkbeitrags, zusammengerauft. Auch SPD-Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne konnte in der Pandemie als Krisenmanagerin überzeugen. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Koalition nach der Wahl fortgesetzt wird.

Die jüngsten Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen und Infratest dimap sehen die CDU von Haseloff mit knapp 30 Prozent vorn, gefolgt von der AfD mit 23 bis 24 Prozent. SPD und Linke liegen bei 10 bis 11 Prozent, die Grünen bei rund 9 Prozent und die FDP bei bis zu 8 Prozent. Möglicherweise könnten also auch die Liberalen als neuer Koalitionspartner ins Spiel kommen – sie waren 2011 aus dem Landtag ausgeschieden. Eine Zusammenarbeit mit AfD und Linken schließt die CDU weiterhin aus.

Der Magdeburger Landtag wird ab der im Jahr 2021 startenden 8. Wahlperiode aus mindestens 83 Abgeordneten bestehen – in der jetzt zu Ende gehenden waren es noch 87. 41 der Abgeordnetensitze werden nach den Wahlkreisen nach relativer Mehrheitswahl vergeben, die restlichen über geschlossene Listen.

Der Wahlkampf unter Pandemiebedingungen ist nun im Endspurt. In den Wahlprogrammen der Parteien sind Gesundheit und auch die Lehren aus der Pandemie durchaus ein Thema, ebenso die in der Verantwortung der Länder liegende Krankenhausversorgung. Dagegen finden Apotheken nur in einigen Programmen – und dort auch nur am Rande – Erwähnung. Nun ist Apothekenpolitik grundsätzlich Bundessache. DAZ.online hat dennoch bei den Landesverbänden nachgefragt, welche Haltung sie gegenüber Apotheken als Teil der Gesundheitsversorgung haben. Lesen Sie nachfolgend die Antworten.

CDU: Apotheken sind wesentliche Säule der Gesundheitsversorgung

Die CDU widmet der Gesundheit in ihrem Regierungsprogramm ein ganzes Kapitel. Es beginnt mit den Sätzen: „Die Beschäftigten im Gesundheitswesen und in den Pflegeeinrichtungen haben in der Pandemie Außergewöhnliches geleistet. Ihnen gebührt unser Dank und unsere Anerkennung!“. Apotheken sind im Weiteren nicht ausdrücklich erwähnt. Es allerdings davon die Rede, die „Verzahnung der verschiedenen Akteure, telemedizinischer Lösungen oder die Delegation von ärztlichen Aufgaben (zu) forcieren“. Erwähnung findet auch das elektronische Rezept: Es werde ebenso wie die elektronische Patientenakte und weitere digitale Gesundheitsanwendungen auf Rezept „die Digitalisierung für unsere Bürgerinnen und Bürger im Land erlebbar machen“.

DAZ.online: Welche Rolle spielen Apotheken aus Sicht Ihrer Partei in Sachsen-Anhalt? Und speziell: vor dem Hintergrund der Pandemie?

CDU: Apotheken spielen – gerade auch im Zusammenhang mit der Pandemie – eine große und wichtige Rolle, denn sie stehen in enger Kooperation mit den Ärzten und stellen darüber hinaus die Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Medizinprodukten wie Schutzmasken, Testverfahren, Desinfektionsmitteln u.ä. sicher. Sie stellen eine wesentliche Säule in der Gesundheitsversorgung unserer Bürger und Bürgerinnen dar.

Welche Dienstleistungen könnten sie beispielsweise künftig anbieten, wie könnten sie die Gesundheitsversorgung gerade in strukturschwachen Gebieten weiter verbessern?

In strukturschwachen Gebieten müssen Apotheken am Leben erhalten blieben. Das medizinische Versorgungsangebot ist für uns ein wesentliches Attraktivitätsmerkmal für die gesellschaftliche Entwicklung. Sie entscheidet mehr als je zuvor über die Ansiedlung junger Menschen, Familien, Unternehmen und Institutionen in den jeweiligen Regionen. Deshalb wollen wir die Lücken in der Versorgung älterer Menschen ebenso schließen, wie die Versorgung von jungen Menschen und Familien weiter sichern. Dazu gehört zum einen die ärztliche Versorgung zum anderen der Erhalt von Apotheken im ländlichen Bereich.

Ob Dienstleistungen wie das Impfen zukünftig auch in Apotheken stattfinden können, muss geprüft werden. Die CDU würde einem solchen Vorschlag, sofern es aus rechtlichen wie auch medizinischen Gründen möglich ist, unterstützen. Wir gehen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit einer neuen Pandemie(-welle) eher als hoch einzuschätzen ist.

Sehen Sie den Arzneimittelversandhandel als Lösung, wenn Versorgungsstrukturen vor Ort schwinden?

Der Arzneimittelversandhandel kann unter Umständen eine Unterstützung bei der Versorgung von unterversorgten Gebieten sein. Er ist aber für uns keine Lösung. Wir wollen, dass auch Vor-Ort-Apotheken oder zumindest Niederlassungen von Apotheken ihre Leistungen anbieten können. Ein solcher Trend würde aus unserer Sicht eher eine Spirale zum Nachteil der Apotheken sowie der Bürger und Bürgerinnen auslösen.

SPD: Apotheke vor Ort ist mehr als reine Ausgabestelle

Welche Rolle spielen Apotheken aus Sicht Ihrer Partei in Sachsen-Anhalt? Und speziell: vor dem Hintergrund der Pandemie?

SPD: Gesundheit ist unser höchstes Gut. Während der Corona-Krise haben wir noch einmal deutlich vor Augen geführt bekommen, wie wichtig ein gut funktionierendes und bestmöglich ausgestattetes Gesundheitssystem ist. Gerade die Apotheken spielen für die wohnortnahe Arzneimittelversorgung und vor allem qualitativ hochwertige Beratung der Patient:innen eine zentrale Rolle. Wir möchten uns im Namen der SPD für die Arbeit der Apotheker:innen in der Krise bedanken.

Im Wahlprogramm der SPD Sachsen-Anhalt ist im Kapitel Gesundheit und Pflege zu lesen: „Die Kompetenz der Apotheker:innen sowie der Zahnärzt:innen muss in die Versorgungsstrukturen effizient eingebunden werden“. Können Sie das genauer erläutern? Was könnten die Apotheken noch leisten?

In Zukunft wird es im Gesundheitsbereich insbesondere im ländlichen Raum darauf ankommen, dass stärker sektorenübergreifend zusammengearbeitet wird. Wir stehen der Übertragung ärztlicher Leistungen positiv gegenüber. Voraussetzung dafür ist die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Versorgung. Modellprojekte zum Impfen in Apotheken wie in Niedersachsen zeigen, dass die neuen Angebote auf ein großes Interesse in der Bevölkerung stoßen. Auch die Delegation von ärztlichen Leistungen muss vor dem Hintergrund von ärztlichen Fachkräfteengpässen im ländlichen Raum eine größere Rolle in der Praxis spielen (beispielsweise Gemeindeschwester). Die Digitalisierung wird die Kommunikations- und auch die Versorgungsstrukturen verändern und zu innovativen Lösungen führen (bspw. digitale Rezepte oder auch Telemedizin). Wir wollen innovativ vorangehen und neue Wege gehen.

Sehen Sie den Arzneimittelversandhandel als Lösung, wenn Versorgungsstrukturen vor Ort schwinden?

Ja und nein. Versandapotheken können eine sinnvolle Ergänzung für die Versorgung mit regelmäßigen benötigten Medikamenten sein. Wir schätzen aber die sachkundige und qualitativ hochwertige Beratung sowie zuverlässige Versorgung der Apotheken vor Ort, da sie mehr sind als reine Ausgabestellen.

Haben Sie noch eine weitere Botschaft an die Apotheken?

Im 19. und 20. Jahrhundert hatte Deutschland den Ruf, die „Apotheke der Welt“ zu sein, da hier in hohem Maß Arzneimittel entwickelt und produziert wurden. Aber aktuell hat sich fast die komplette Arzneimittelproduktion ins Ausland verlagert, da dort kostengünstiger produziert werden kann. Die Corona-Krise und zeitweise Liefer- und Versorgungsengpässe haben aber deutlich gemacht, dass wieder mehr in Europa produziert werden muss. Einer der Impfstoffe gegen das Corona-Virus wurde in Deutschland von Biontech entwickelt und produziert. Das zeigt, dass gezielte Innovationen und Investitionen erfolgreich sind. Daran wollen wir anknüpfen. Die Entwicklung macht deutlich, dass die Gesundheitswirtschaft kein reiner Markt sein darf und ein aktiver Staat Leben retten kann.

Grüne: Aufgabenverteilung zwischen den Gesundheitsberufen neu justieren

Welche Rolle spielen Apotheken aus Sicht Ihrer Partei in Sachsen-Anhalt? Und speziell: vor dem Hintergrund der Pandemie?

Grüne: Für die gesundheitliche Versorgung spielen Apotheken eine zentrale Rolle. Nicht nur für die Arzneimittelversorgung, sondern insbesondere auch durch ihre heilberufliche Kompetenz. Aufgrund dieser stellen sie wertvolle Ansprechpartner:innen für die Patient:innen dar. Gerade in Zeiten der Pandemie. Apotheken sind oft die erste niedrigschwellige Anlaufstelle für Patient:innen. Entsprechend ist die Vor-Ort-Apotheke möglichst landesweit zu erhalten. Die Entscheidung, die Corona Schnelltests anfänglich in den Apotheken im Land anzubieten, haben wir daher ausdrücklich begrüßt. 

Wir GRÜNEN wollen in der nächsten Legislatur verbindliche kommunale Gesundheitskonferenzen einrichten. Also Gremien aller zentralen lokalen Akteure für die Gesundheitsversorgung, um vor Ort Kooperation und Vernetzung zu befördern. So können abgestimmt unter allen Akteuren Bedarfe, Zielstellungen und Handlungsansätze regionenspezifisch erarbeitet werden. Bei diesen Konferenzen sollten Vertreter:innen der Apotheken unseres Erachtens eine bedeutsame Rolle spielen. Damit diese als integraler Bestandteil regionaler Versorgungslandschaften stets mitgedacht werden.

Apotheken finden im Wahlprogramm der Grünen nur an einer Stelle Erwähnung – im Zusammenhang mit dem Landesentwicklungsplan. Demnach soll sich die Deckung der Grundbedarfe an Sekundarschulen, Gemeindeverwaltung, Handelseinrichtungen bis 800 m2 Verkaufsfläche sowie Ärzt:innen und Apotheken nicht verschlechtern. Lässt sich das etwas konkretisieren?

Die zitierte Passage aus unserem Wahlprogramm folgt dem neuen Staatsziel unserer Landesverfassung, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu wahren. Damit dies gelingt, braucht es eine verlässliche Daseinsvorsorge in allen Teilen unseres Landes. Entsprechend sind Einrichtungen der Grundversorgung mindestens entsprechend dem Status Quo zu sichern, auch wenn der demografische Wandel in manchen Regionen zu einem weiteren Bevölkerungsrückgang führen wird.

Welche Dienstleistungen könnten Apotheken künftig anbieten, um die Gesundheitsversorgung gerade in strukturschwachen Gebieten weiter zu verbessern?

Generell halten wir es für sinnvoll, Apotheker:innen bei der Primärversorgung besser zu integrieren und stärker in medizinische Behandlungsabläufe einzubinden. Dazu gehört, dass wir die Arbeit von Apotheker:innen zum Beispiel in den Bereichen Arzneimittelsicherheit und Medikationsmanagement sowie bei der Beteiligung an Programmen zur besseren Betreuung gerade älterer Menschen mit mehreren Erkrankungen aufwerten und entsprechend besser honorieren wollen.

Dieser Ansatz folgt unserer grundsätzlichen Einschätzung, dass die herrschende Aufgabenverteilung in unserem Gesundheitswesen die Illusion einer ärztlichen Allzuständigkeit vermittelt und die anderen Gesundheitsberufe in eine Assistenzrolle drängt. Dies mindert die Attraktivität dieser Berufe und verschärft damit den ohnehin bestehenden Fachkräftemangel. Dieser Effekt besteht primär für die Pflegeberufe, betrifft aber u. E. auch die Apotheker:innen. Entsprechend wollen wir die Aufgabenverteilung zwischen den Berufen neu justieren. Hierdurch kann neben einer besseren Kooperation aller Berufsgruppen auch die Autonomie und Attraktivität der jeweiligen Berufe gesteigert werden.

Um junge Apotheker:innen gerade für die ländlichen Regionen zu gewinnen, halten wir es für sinnvoll, das gemeinsame Betreiben einer Apotheke durch mehrere Apotheker:innen zu erleichtern. Denn vergleichbar der Entwicklung in der Ärzteschaft suchen junge Absolvent:innen zunehmend Angestelltenverhältnisse bzw. wirtschaftlich weniger risikoreiche Arbeitsstellen. Dieser „Abstimmung mit den Füßen“ gilt es gerecht zu werden und entsprechende neue Arbeitsverhältnisse zu schaffen.

Sehen Sie den Arzneimittelversandhandel als Lösung, wenn Versorgungsstrukturen vor Ort schwinden?

Nein. Der Arzneimittelversandhandel allein könnte Versorgungslücken nicht füllen. Der Versandhandel hat klare Nachteile. Es ist nicht möglich, online eine gute Betreuung zu gewährleisten oder ausländische Versandapotheken an das deutsche Recht zu binden und damit für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Dennoch stellen der Versandhandel, mobile Apotheken oder auch eine Arzneimittelnotkiste für Ärzt:innen im Notdienst, die von einer Apotheke bestückt und kontrolliert wird, denkbare Ansätze dar, um die Medikamentenversorgung landesweit zu sichern. Ebenso wie die bereits bestehende Möglichkeit von Rezeptsammelstellen. Beim Versandhandel ist abzuwarten, ob die Regelungen im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz aus dem Hause Spahn vor dem EuGH Bestand haben werden. Sobald die EU hier interveniert, gilt es europarechtlich gemäße Regelungen zu finden, um einen fairen Wettbewerb zu sichern.

Die angeführten mobilen und digitalen Ansätze zur Medikamentenversorgung können Patient:innen beziehungsweise ihre Angehörigen lange Fahrten ersparen. Die Apotheken wiederum könnten ihrer Notdienste ggf. reduzieren. Als vom demografischen Wandel am stärksten herausgeforderten Bundesland, sind wir gehalten solche neuen Ansätze und Modelle zu entwickeln und zu erproben, um eine bestmögliche gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten.

AfD: Die Apotheke im Ort ist ein Stück Heimat

Welche Rolle spielen Apotheken aus Sicht Ihrer Partei in Sachsen-Anhalt? Und speziell: vor dem Hintergrund der Pandemie?

AfD: Die Apotheken in Sachsen-Anhalt sind eine wichtige Stütze des Gesundheitssystems. Sie sind unerlässlich und gewährleisten eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Arzneimittelversorgung in Sachsen-Anhalt. Sie bieten ein breit gefächertes Versorgungsspektrum an. Die Apotheken sorgen durch ihre Leistungen, angefangen von der Prävention bis zur Beratung, für das Aufrechterhalten der Grundversorgung der Bevölkerung von Sachsen-Anhalt. Zusätzlich sind die Apotheken essenziell wichtig für die Sicherstellung der Versorgung im ländlichen Raum.
Während der Corona-Krise wurde die zentrale Rolle der Apotheken besonders sichtbar. Sie wurden eine wichtige Anlaufstelle für die Bevölkerung. Deutlich wurde die Notwendigkeit der Apotheken Anfang 2020, als sie für die Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Schulen, Kitas und für die Bevölkerung in Rekordschnelle Händedesinfektionsmittel hergestellt haben. Die Apotheken schafften es, schnell und kompetent die Menschen zu versorgen. Die AfD-Fraktion bekennt sich ausdrücklich dazu, das Apothekensystem mit seinen kleinen freiberuflichen Standorten zu erhalten und zu fördern. Ein flächendeckendes Apothekennetz muss gewährleistet sein.


Welche Dienstleistungen könnten sie beispielsweise künftig anbieten, wie könnten sie die Gesundheitsversorgung gerade in strukturschwachen Gebieten weiter verbessern?

Die Apotheke im Ort ist ein Stück Heimat, und die gilt es zu schützen und zu fördern. Wir möchten die Apotheken finanziell unterstützen und zusätzliche finanzielle Spielräume schaffen, um weiter medizinische Dienstleistungen in der Apotheke anbieten zu können. Es gibt eine Vielzahl von medizinischen Dienstleistungen die Apotheken gerade im ländlichen Raum übernehmen könnten, wie z. B. das Erstellen von Medikamentenplänen oder fachlich spezielle Beratungen bei Krebspatienten. Eine Kooperation mit Hausärzten kann geschlossen werden, um Patienten gerade im ländlichen Raum lückenlos versorgen zu können.


Sehen Sie den Arzneimittelversandhandel als Lösung, wenn Versorgungsstrukturen vor Ort schwinden?

Nein, wir sehen im Online-Versandhandel keine Lösung. Dadurch können keine wichtigen Versorgungsstrukturen kompensiert werden. Hier ist dringend die Lösung auf der Bundesebene herbeizuführen, es ist schnellstmöglich dafür Sorge zu tragen, dass das deutsche Apothekensystem nicht weiter aus dem europäischen Ausland gefährdet wird. Von dort werden Patienten mit Rabatten auf rezeptpflichtige Medikamente gelockt, das ist in Deutschland verboten und führt zu unlauterem Wettbewerb. Hier werden wir uns konsequent im Bundesrat einsetzen. Man darf auch das menschliche Miteinander und die direkte Kommunikation mit dem Kunden in der Apotheke nicht außer Acht lassen, all dies ist
durch den Onlinehandel nicht zu ersetzen.

Haben Sie noch eine weitere Botschaft an die Apotheken?

Wir brauchen eine zielgerichtete Förderung der Apotheken vor Ort, wenn wir die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen wollen. Es bedarf einer sektorenübergreifenden Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe. Dazu gehört der Ausbau einer regionalen Steuerung, damit tatsächlich auch eine Patientenversorgung stattfindet. Dies muss durch die Politik bereitgestellt werden. Nur so ist ein regionaler Aufbau in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Kommunen möglich.

Linke: Der Versandhandel muss zumindest so gut wie möglich begrenzt werden

Welche Rolle spielen Apotheken aus Sicht Ihrer Partei in Sachsen-Anhalt? Und speziell: vor dem Hintergrund der Pandemie?

Linke: Die Vor-Ort-Apotheken sind aus unserer Sicht eine der tragenden Säulen der medizinischen Versorgung der Menschen im Land – insbesondere im ländlichen Raum. Bei Fragen rund um die Gesundheit, Medikamente und Dosierungen u. v. m. können sich die Menschen vertrauensvoll für eine umfassende und kompetente Beratung an die Apotheke des Vertrauens wenden, ein Service, für den Ärzt:innen oft gar keine Zeit bleibt.

Die Pandemie hat deutlich gezeigt, dass eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Schutzausrüstungen planmäßig funktioniert und Engpässe vermieden werden, wenn seitens des Landes eine Bevorratung mit entsprechenden Schutzelementen vorgenommen und das Netz von Apotheken für die Verteilung an die Bevölkerung genutzt wird. Deshalb müssen auch Vertreter:innen der Apothekerschaft im Land und in den Kommunen aktiv in den Pandemiestäben beteiligt werden.

Welche Dienstleistungen könnten sie beispielsweise künftig anbieten, wie könnten sie die Gesundheitsversorgung gerade in strukturschwachen Gebieten weiter verbessern?

Apotheken bieten im Augenblick viele verschiedene Dienstleistungen an, die von den Menschen vor Ort auch gut genutzt werden (Blutdruckmessen, Beratung zum Gesundheits- und Infektionsschutz, Verleih von Medizingeräten, Corona-Schnelltests etc.). Gerade in ländlichen Gebieten ist dies oft sehr wichtig, um den Menschen einen ergänzenden medizinischen Service zu bieten. Diese Angebote aufrechtzuerhalten, ist sehr wichtig.

Sehen Sie den Arzneimittelversandhandel als Lösung, wenn Versorgungsstrukturen vor Ort schwinden?

Nein. Zur Stärkung der Versorgungsstrukturen vor Ort kann unserer Ansicht nach nur die Apotheke vor Ort eine tatsächliche Lösung sein. Zeitnah muss der Versandhandel zumindest so gut wie möglich begrenzt werden. Wir sehen vor allem die fachkundige Beratung, auf die viele Patient:innen dringend angewiesen sind, durch den Versandhandel gefährdet. Die Linke fordert den Erhalt von wohnortnahen und für alle erreichbaren Apotheken mit guter Beratung und Notfallversorgung rund um die Uhr.

FDP: Apotheker sind in erster Linie Heilberufler

Welche Rolle spielen Apotheken aus Sicht Ihrer Partei in Sachsen-Anhalt? Und
speziell: vor dem Hintergrund der Pandemie?

Präsenzapotheken sind als Teil des Gesundheitswesens und der Daseinsvorsorge in besonderem Maße dem Gemeinwohl verpflichtet. Gerade in der Pandemie hat sich gezeigt, dass sie schnell und mit Engagement reagieren können – etwa bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln. Der besondere Wert der Präsenzapotheken liegt nicht nur in ihrem Fachpersonal, sondern auch in ihrem niedrigschwelligen Zugang, der noch flächendeckenden Infrastruktur, der Einbindung in regionale Strukturen und nicht zuletzt in dem Vertrauen, das viele Menschen Apotheken entgegenbringen. Gerade im ländlichen Raum ist die Apotheke ein unverzichtbares Bindeglied im Kontext der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung der Bevölkerung.


Im Wahlprogramm der FDP findet sich unter dem Stichwort „Ärztemangel“ die
Aussage: „Dem Fachkräftemangel können wir durch einen sinnvollen Professionenmix innerhalb der Berufe im Gesundheitswesen und eine veränderte Aufgabenzuweisung begegnen. D.h. auch, dass Aufgaben, die derzeit noch Ärzten vorbehalten sind, delegiert werden sollen.“
Können Sie das etwas genauer erläutern?

Der Professionenmix in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung führt zum einen zu einer deutlichen Steigerung der Versorgungssicherheit, gerade in ländlichen strukturschwachen Regionen. Wo kein Arzt mehr vorhanden ist und die Menschen multimorbide, immobil sind, bedarf es einer neuen Kompetenzverteilung zwischen den Heilberufen. Zum anderen verbessert sich die Versorgung durch die unterschiedlichen Blickwinkel und Kompetenzen der verschiedenen Heilberufe.


Gibt es auch ein Beispiel für Apotheken? Könnten möglicherweise auch sie Aufgaben übernehmen? 

Nach dem Apothekenstärkungs-Gesetz aus dem Jahr 2020 können Apotheken in Zukunft im Rahmen von regionalen Modellvorhaben Erwachsene gegen Grippe impfen. Damit sollen sich mehr Menschen gegen eine Grippe impfen lassen. Die Apotheker werden hierfür vorher von Ärzten geschult. Eine Ausweitung dieser Möglichkeit ist anzustreben. Darüber hinaus könnten Apotheken eine stärkere Rolle beim Medikationsmanagement von Patienten mit chronischen und Mehrfacherkrankungen bekommen. Ärzte können zum Beispiel schwer
chronisch kranken Patienten, die immer die gleiche Medikation benötigen, ein speziell gekennzeichnetes Rezept ausstellen. Auf dieses Rezept können Apotheker dann bis zu drei weitere Male das Arzneimittel abgeben. Das soll Versicherte und Arztpraxen entlasten.

Kann sich die FDP weitere Dienstleistungen vorstellen, die Apotheken künftig anbieten könnten, auch um die Gesundheitsversorgung in strukturschwachen Gebieten zu verbessern?

Unter anderem im Bereich der Prävention sind sicherlich weitere Dienstleistungen denkbar, die Apotheken mit ihrer Beratungskompetenz erbringen könnten. Grundsätzlich sollte gesetzgeberisch die Möglichkeit durch eine sog. Modellklausel geschaffen werden, um neue Versorgungsformen ausprobieren zu können.


Sehen Sie den Arzneimittelversandhandel als Lösung, wenn Versorgungsstrukturen vor Ort schwinden?

Das sehen wir als Teil der Lösung. Von knapp 3.000 Apotheken mit Versandhandelserlaubnis (§ 11a ApoG) betreiben nach Angaben des ABDA nur ca. 150 einen aktiven Versandhandel (mit professionellem Webshop und Listing bei Preis-Suchmaschinen). Hier liegt noch ein Potenzial für die Vor-Ort-Apotheken. Weitere Teile der Lösung sehen wir unter anderem in einer Neuordnung der Vergütung (siehe unten).


Haben Sie noch eine weitere Botschaft an die Apotheken?

Für uns Freie Demokraten ist der Apotheker in erster Linie ein Heilberuf. Deshalb setzen wir uns zur Stärkung der inhabergeführten Apotheke vor Ort auch dafür ein, Beratungsleistungen differenzierter zu vergüten. Die Apothekenvergütung muss auf der Basis von wissenschaftlich ermittelten und nachvollziehbaren Daten neu geordnet werden. Dabei sollte die bisherige Mischkalkulation mit einheitlichen Festzuschlägen aufgegeben werden. Aufwendige Beratungen sollten gegenüber einfachen Medikamentenabgaben ohne wesentliche Beratungsleistungen besser vergütet werden. Das stärkt die kleinen Vor-Ort-Apotheken.
Zusätzlich müssen die Nacht- und Notdienste angemessen vergütet werden. Auch wollen wir die Apotheker stärker in die Bearbeitung des Medikationsplans und bei der Wahrung der Arzneimitteltherapiesicherheit einbeziehen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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