Landtagswahl in Sachsen-Anhalt

Wie stehen die Parteien in Sachsen-Anhalt zur Apotheke?

Berlin - 04.06.2021, 15:30 Uhr

(Foto: IMAGO / Christian Grube)

(Foto: IMAGO / Christian Grube)


Grüne: Aufgabenverteilung zwischen den Gesundheitsberufen neu justieren

Welche Rolle spielen Apotheken aus Sicht Ihrer Partei in Sachsen-Anhalt? Und speziell: vor dem Hintergrund der Pandemie?

Grüne: Für die gesundheitliche Versorgung spielen Apotheken eine zentrale Rolle. Nicht nur für die Arzneimittelversorgung, sondern insbesondere auch durch ihre heilberufliche Kompetenz. Aufgrund dieser stellen sie wertvolle Ansprechpartner:innen für die Patient:innen dar. Gerade in Zeiten der Pandemie. Apotheken sind oft die erste niedrigschwellige Anlaufstelle für Patient:innen. Entsprechend ist die Vor-Ort-Apotheke möglichst landesweit zu erhalten. Die Entscheidung, die Corona Schnelltests anfänglich in den Apotheken im Land anzubieten, haben wir daher ausdrücklich begrüßt. 

Wir GRÜNEN wollen in der nächsten Legislatur verbindliche kommunale Gesundheitskonferenzen einrichten. Also Gremien aller zentralen lokalen Akteure für die Gesundheitsversorgung, um vor Ort Kooperation und Vernetzung zu befördern. So können abgestimmt unter allen Akteuren Bedarfe, Zielstellungen und Handlungsansätze regionenspezifisch erarbeitet werden. Bei diesen Konferenzen sollten Vertreter:innen der Apotheken unseres Erachtens eine bedeutsame Rolle spielen. Damit diese als integraler Bestandteil regionaler Versorgungslandschaften stets mitgedacht werden.

Apotheken finden im Wahlprogramm der Grünen nur an einer Stelle Erwähnung – im Zusammenhang mit dem Landesentwicklungsplan. Demnach soll sich die Deckung der Grundbedarfe an Sekundarschulen, Gemeindeverwaltung, Handelseinrichtungen bis 800 m2 Verkaufsfläche sowie Ärzt:innen und Apotheken nicht verschlechtern. Lässt sich das etwas konkretisieren?

Die zitierte Passage aus unserem Wahlprogramm folgt dem neuen Staatsziel unserer Landesverfassung, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu wahren. Damit dies gelingt, braucht es eine verlässliche Daseinsvorsorge in allen Teilen unseres Landes. Entsprechend sind Einrichtungen der Grundversorgung mindestens entsprechend dem Status Quo zu sichern, auch wenn der demografische Wandel in manchen Regionen zu einem weiteren Bevölkerungsrückgang führen wird.

Welche Dienstleistungen könnten Apotheken künftig anbieten, um die Gesundheitsversorgung gerade in strukturschwachen Gebieten weiter zu verbessern?

Generell halten wir es für sinnvoll, Apotheker:innen bei der Primärversorgung besser zu integrieren und stärker in medizinische Behandlungsabläufe einzubinden. Dazu gehört, dass wir die Arbeit von Apotheker:innen zum Beispiel in den Bereichen Arzneimittelsicherheit und Medikationsmanagement sowie bei der Beteiligung an Programmen zur besseren Betreuung gerade älterer Menschen mit mehreren Erkrankungen aufwerten und entsprechend besser honorieren wollen.

Dieser Ansatz folgt unserer grundsätzlichen Einschätzung, dass die herrschende Aufgabenverteilung in unserem Gesundheitswesen die Illusion einer ärztlichen Allzuständigkeit vermittelt und die anderen Gesundheitsberufe in eine Assistenzrolle drängt. Dies mindert die Attraktivität dieser Berufe und verschärft damit den ohnehin bestehenden Fachkräftemangel. Dieser Effekt besteht primär für die Pflegeberufe, betrifft aber u. E. auch die Apotheker:innen. Entsprechend wollen wir die Aufgabenverteilung zwischen den Berufen neu justieren. Hierdurch kann neben einer besseren Kooperation aller Berufsgruppen auch die Autonomie und Attraktivität der jeweiligen Berufe gesteigert werden.

Um junge Apotheker:innen gerade für die ländlichen Regionen zu gewinnen, halten wir es für sinnvoll, das gemeinsame Betreiben einer Apotheke durch mehrere Apotheker:innen zu erleichtern. Denn vergleichbar der Entwicklung in der Ärzteschaft suchen junge Absolvent:innen zunehmend Angestelltenverhältnisse bzw. wirtschaftlich weniger risikoreiche Arbeitsstellen. Dieser „Abstimmung mit den Füßen“ gilt es gerecht zu werden und entsprechende neue Arbeitsverhältnisse zu schaffen.

Sehen Sie den Arzneimittelversandhandel als Lösung, wenn Versorgungsstrukturen vor Ort schwinden?

Nein. Der Arzneimittelversandhandel allein könnte Versorgungslücken nicht füllen. Der Versandhandel hat klare Nachteile. Es ist nicht möglich, online eine gute Betreuung zu gewährleisten oder ausländische Versandapotheken an das deutsche Recht zu binden und damit für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Dennoch stellen der Versandhandel, mobile Apotheken oder auch eine Arzneimittelnotkiste für Ärzt:innen im Notdienst, die von einer Apotheke bestückt und kontrolliert wird, denkbare Ansätze dar, um die Medikamentenversorgung landesweit zu sichern. Ebenso wie die bereits bestehende Möglichkeit von Rezeptsammelstellen. Beim Versandhandel ist abzuwarten, ob die Regelungen im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz aus dem Hause Spahn vor dem EuGH Bestand haben werden. Sobald die EU hier interveniert, gilt es europarechtlich gemäße Regelungen zu finden, um einen fairen Wettbewerb zu sichern.

Die angeführten mobilen und digitalen Ansätze zur Medikamentenversorgung können Patient:innen beziehungsweise ihre Angehörigen lange Fahrten ersparen. Die Apotheken wiederum könnten ihrer Notdienste ggf. reduzieren. Als vom demografischen Wandel am stärksten herausgeforderten Bundesland, sind wir gehalten solche neuen Ansätze und Modelle zu entwickeln und zu erproben, um eine bestmögliche gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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