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3. November 2020
Unser ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hat’s aufgegeben: das Rx-Versandverbot (RxVV). Auf der Versammlung der Sächsischen Landesapothekerkammer, deren Präsident er ebenfalls ist, ließ er die Welt wissen, dass der Kurswechsel weg vom Rx-Versandverbot hin zum Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz richtig war. Mein liebes Tagebuch, so kann’s gehen. War er nach dem EuGH-Urteil und in den Anfängen der Debatte, also 2016/2017, selbst noch ein glühender Anhänger des Rx-Versandverbots, so hat sich für ihn, wie er sagt, „ein Zeitfenster geschlossen“, sich fürs Rx-Versandverbot einzusetzen: nämlich als Jens Spahn zum Bundesgesundheitsminister ernannt wurde. Mit dieser Ernennung sei das Zeitfenster endgültig verriegelt worden, meint Schmidt, und daher sei es richtig gewesen, die Strategie zu ändern und das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) zu unterstützen. Ja, mein liebes Tagebuch, das kann man so sehen, muss man aber nicht. Und wenn man schon seine Meinung und Strategie um 180 Grad ändert, sollte man das vor allem dem Berufsstand deutlich und unmissverständlich kommunizieren. Doch das habe die ABDA, räumt Schmidt ein, „leider versäumt“. Wie wahr, mein liebes Tagebuch, was war das für ein Hin und Her, für eine Unentschlossenheit. Da ließ man drei rechtswissenschaftliche Gutachten anfertigen, die allesamt klar zu dem Ergebnis kamen, dass ein RxVV machbar und möglich sei. Zum Beispiel das Fazit des Rechtswissenschafters Prof. Di Fabio, das die ABDA noch am 11. Dezember 2018 veröffentlichte: „Ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten ist nach hier vertretener Ansicht sowohl mit unionsrechtlichen als auch mit verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar“. Die Zusammenfassungen der drei Gutachten können Sie übrigens hier nachlesen. Doch statt diesen Weg einzuschlagen, knickte unsere ABDA vor der Spahnschen Rhetorik ein. Spahn stellte unsere Berufsvertretung vor ein Entweder-Oder: Entweder kommt das Gesetz so wie ich es will oder es kommt gar nicht. Und da bekam die ABDA Muffensausen, denn mit dem VOASG stellte der Minister auch die heißersehnten honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen in Aussicht – und die wollte unsere ABDA um jeden Preis. Jetzt ist es also soweit, das VOASG kommt. Und mit ihm bekommen wir die honorierten Dienstleistungen – fragt sich nur noch, zu welchem Preis. Aber das scheint unsere ABDA derzeit noch wenig zu kümmern. Stattdessen ist man sichtlich überglücklich mit der Aussicht auf Dienstleistungshonorare, um die Abhängig vom Arzneimittelpreis zu reduzieren. Wann und ob dies jemals passieren wird, liegt arg im Dunkeln. Ob diese Rechnung aufgeht, mein liebes Tagebuch, da gibt’s so manche Zweifel. Und so freut sich der ABDA-Präsident auch darüber: Dass die Apotheke künftig dauerhaft 2,50 Euro für jede Botendienst-Lieferung mit der Kasse abrechnen darf. Das sei, so Schmidt, ein Paradigmenwechsel, weil es die erste Leistung sei, die der Apotheker nicht nur ausführe, sondern selbst veranlasse. Außerdem ist dieses Honorar weder gedeckelt noch an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Diesen Weg, so Schmidt, müsse man auch bei den pharmazeutischen Dienstleistungen gehen. Ein klares „Jein“, mein liebes Tagebuch, denn schön wäre es, wenn ein Dienstleistungshonorar, anders als der Botendienstzuschuss, auch die Kosten für die Dienstleistung abdecken würden – oder einfach ausgedrückt: wenn wir nicht draufzahlen.
Da machte das Gerücht die Runde, Noventi wolle den von der AvP betroffenen Apotheken alle AvP-Forderungen abkaufen und sich somit zum größten Gläubiger beim AvP-Insolvenzverfahren machen. Mein liebes Tagebuch, den Apotheken wären mit einem Schlag ihre Sorgen genommen – und Noventi hätte mit einem Schlag die gebeutelten Apotheken eingefangen. Wäre schön gewesen, zu schön, denn leider war’s nicht so gemeint. Noventi strengt sich zwar mächtig an, betroffenen Apotheken unter die Arme zu greifen und dadurch Neukunden zu gewinnen (wie man hört, sollen bereits rund 60 Prozent der ehemaligen AvP-Apotheken zu Noventi gewechselt sein). Aber gleich die Übernahme aller offenen Forderungen war dem IT-Haus und selbsternannten Technologietreiber wohl doch ein bisschen viel. Wenngleich, ganz unrealistisch wäre es nicht gewesen. Noventi hätte auf diesem Weg mit einem Schlag seine Position als Branchen-Primus komfortabel ausgebaut. Aber, so ließ Noventi wissen, so ein Übernahme-Modell werde nicht angeboten. Der Forderungsankauf im Fall einer Neukundin „war lediglich ein spezifischer Einzelfall“. Ach so, mein liebes Tagebuch, schade. Aber, immerhin: Das Unternehmen kündigt auf seiner Website an: „250 Mio. Euro Hilfsprogramm von Noventi für AvP-Kunden“.
19 Kommentare
"Es isch wie es isch und jetzt isch over" ...
von Christian Timme am 09.11.2020 um 0:17 Uhr
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Ohne Protestapotheker
von Christiane Patzelt am 08.11.2020 um 23:10 Uhr
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Perspektive
von Reinhard Rodiger am 08.11.2020 um 20:04 Uhr
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Grundsatzversagen
von Heiko Barz am 08.11.2020 um 19:33 Uhr
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AW: Grundsatzansagen
von Bernd Jas am 08.11.2020 um 21:32 Uhr
Schmidt
von Conny am 08.11.2020 um 17:52 Uhr
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Pharmazeutische Dienstleistungen
von k.stülcken am 08.11.2020 um 17:29 Uhr
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Friedemann Schmidt: Ein Politiker, fair enough
von Wolfgang Müller am 08.11.2020 um 16:23 Uhr
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AW: Friedemann Schmidt: Ein Politiker, fair
von Karl Friedrich Müller am 08.11.2020 um 18:39 Uhr
AW: Eine Frage der Grundhaltung
von Bernd Jas am 08.11.2020 um 18:58 Uhr
AW: Tragisches Hochschaukeln, damals?
von Wolfgang Müller am 08.11.2020 um 20:11 Uhr
AW: Wenn es um die gemeinsame Sache geht ....
von Bernd Jas am 08.11.2020 um 21:09 Uhr
AW: Friedemann Schmidt: Ein Politiker, fair
von Wolfgang Müller am 08.11.2020 um 21:24 Uhr
Zu Schmidt
von Karl Friedrich Müller am 08.11.2020 um 13:29 Uhr
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AW: Zu Schmidt
von Radman am 08.11.2020 um 13:53 Uhr
Zwei Sonntagsfragen
von Ulrich Ströh am 08.11.2020 um 8:45 Uhr
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.
von Anita Peter am 08.11.2020 um 8:32 Uhr
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AW: .1. Kommentar
von Frank Hartmann am 08.11.2020 um 8:57 Uhr
AW: ..
von Anita Peter am 08.11.2020 um 12:19 Uhr
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