Ausbau der Pharmazie an der Universität Jena

„Ziel muss sein, die Besten nach Thüringen zu locken“

Berlin - 30.10.2020, 14:15 Uhr

Dr. Cornelia Klisch ist Fachärztin für Neurologie sowie stellvertretende Vorsitzende im Landesverband der SPD Thüringen. (s / Archivbild; Foto: Tino Sieland)

Dr. Cornelia Klisch ist Fachärztin für Neurologie sowie stellvertretende Vorsitzende im Landesverband der SPD Thüringen. (s / Archivbild; Foto: Tino Sieland)


Die Thüringer Landesregierung prüft den Ausbau der Pharmazie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, nachdem ihr fünf Landtagsfraktionen gemeinsam einen entsprechenden Antrag vorgelegt haben. Der Standort in Jena ist die einzige Ausbildungsstätte für Pharmazeutinnen und Pharmazeuten im grünen Herzen Deutschlands. Auch die stellvertretende Vorsitzende im Landesverband der SPD Thüringen und Neurologin Dr. Cornelia Klisch war am Vorstoß beteiligt. Mit DAZ.online spricht sie über die Pharmazie in Jena und über ihre Pläne, den Fachkräftemangel in Thüringen nachhaltig anzugehen.

DAZ.online: Frau Dr. Klisch, wie kamen Sie dazu, den Ausbau der Pharmazie in Jena prüfen lassen zu wollen? Warum können nicht sofort mehr Studierende immatrikuliert werden?

Klisch: Unser Anliegen war es, etwas gegen den Fachkräftemangel in Thüringen zu tun. Besonders die ländlichen Regionen bluten aus, weil mehr Fachärzte und Apotheker in Zukunft in den Ruhestand gehen. Wir einigten uns zusammen mit den Fraktionen der CDU, FDP, Linken und Grünen darauf, die Studienplätze in der Medizin um 10 Prozent zu erhöhen. Ich gehe davon aus, dass wir die Pharmazie stärker ausbauen müssten – schön wäre, 20 Studienplätze mehr zu ermöglichen – das entspräche einer Vergrößerung um rund 30 Prozent. In der Pharmazie bräuchte es dafür aber einige bauliche Anpassungen. Daher haben wir den Prüfantrag in die Wege geleitet, den das Parlament nun an das zuständige Ministerium übergeben hat. Das Ministerium übergibt uns den bearbeiteten Antrag vor der gesetzten Frist, sodass wir mit den Ergebnissen der Prüfung spätestens im Sommer nächsten Jahres einen verbindlichen Auftrag für die Pharmazeuten erarbeiten können. Wir hoffen, dass uns das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie schnell Daten liefert und Grundlagen für weitere Konzeptentwicklungen gibt. 

Also steht beim Prüfverfahren die Gebäudesanierung im Vordergrund?

Natürlich nicht, wir haben dabei auch die Weiterentwicklungen in der Pharmazie im Blick. Anstatt die Studienplätze wie in der Medizin pauschal zu erhöhen, möchten wir zunächst die Strukturen untersuchen. Dabei legen wir großen Wert darauf, dass die Kosten, die für den Ausbau aufkommen werden, nicht aus dem Etat der wissenschaftlichen Ministerien stammen dürfen. In der Medizin werden zusätzlich 3,5 Millionen Euro investiert. Bei der Pharmazie wissen wir noch nicht, um wie viel Geld es sich handeln wird. Ziel ist einerseits, die Besten zu uns nach Thüringen zu locken, aber gleichzeitig auch, die Region für junge Leute attraktiv zu machen. Dazu zählen neben den Studienstrukturen auch Freizeitangebote, freie Kitaplätze und vieles mehr. Ich glaube, dass wir den Fachkräftemangel nur auf diesem Weg eindämmen können. 

Werden die Ministerien beim Prüfantrag auch berücksichtigen, das eine neue Approbationsordnung in Zukunft andere Anforderungen an die Praktikumskapazitäten stellen würde? 

Genau diese Punkte berücksichtigen wir. Bundesweit haben wir zwar keinen Einfluss darauf, die Novellierung der Approbationsordnung zu beschleunigen. Aber wenn wir unvorbereitet mehr Studienplätze etablieren, laufen wir Gefahr, neue Studienplätze gleich wieder streichen zu müssen, wenn sonst die Kapazitäten für die Qualität der Lehre benötigt werden würden. Auch die Einführung der Klinischen Pharmazie wird im Verfahren geprüft werden. Eine gute Klinische Pharmazie kann ein Herausstellungsmerkmal für die Universität sein, sodass sich Pharmazeutinnen und Pharmazeuten hier einschreiben und bestenfalls auch in der Region bleiben. Darüber hinaus gibt es Überlegungen der Universität Jena, einen Life-Science-Campus aufzubauen, um medizinisch-naturwissenschaftliche Fakultäten miteinander zu vernetzen und eventuell neue Fakultäten zu errichten. 

Pharmazeutische Betreuung intensivieren

Für viele Jungapprobierte ist die öffentliche Apotheke ein eher unattraktives Arbeitsfeld geworden. Nach einem naturwissenschaftlich-medizinischem Studium steht oft das Kaufmännische im Vordergrund, zudem sind die Arbeitszeiten unbeliebt. Wie würden Sie die Arbeit für junge Pharmazeuten in der öffentlichen Apotheke attraktiver gestalten?

Es gibt vielerorts Modelle, bei denen Apotheker multifunktioneller aufgestellt sind und die Patienten verstärkt auf Interaktionen screenen, zum Beispiel in der Palliativpflege oder der Onkologie. Ich denke, die Tätigkeitsfelder in Apotheken werden sich im Laufe der Zeit stark verändern. Wir müssen aber darauf achten, dass diese neuen Tätigkeitsfelder für Apotheken wirklich bereichernd und entlastend wirken – auch finanziell. Ich denke, an dieser Stelle liegt noch viel Arbeit beim Gesetzgeber. 

In manchen Bundesländern können Apotheker jetzt Impfen, was gerade jüngere Apothekerinnen und Apotheker motiviert. In Thüringen haben sich die Apotheker zunächst gegen diese neue Tätigkeit entschieden – auch aus Angst vor der Kritik der Ärzte. Wie bewerten Sie die Impfung in der Apotheke als Politikerin und als Ärztin?

Ich glaube, dass dabei aus einem Mangel eine Tugend gemacht wird. Vor ein paar Jahren entschied zum Beispiel die Stadt Erfurt, wie viele andere Kommunen, Impfungen aufgrund des Personalmangels im Gesundheitsamt nicht mehr anzubieten. Stattdessen verteilten sie das Angebot auf niedergelassenen Arztpraxen. Das halte ich bis heute für eine absolute Fehlentscheidung. Prinzipiell sollten die Strukturen im öffentlichen Gesundheitswesen ausgebaut werden, um die Bevölkerung auch mit Informationen oder Impfungen – wie in der aktuellen Pandemie – ausreichend versorgen zu können. Das Impfen durch eine neue Gruppe wie die Apotheker anzubieten, die nicht den gleichen medizinisch-fachlichen Hintergrund hat, kann zwar im Notfall eine Hilfe sein, eine zukunftsfähige Lösung sehe ich darin allerdings nicht. 

Nach dem Studium möchten viele junge Approbierte gezielt in die Apotheken, die anspruchsvollere Aufgaben anbieten, die Sie eher im öffentlichen Gesundheitswesen verorten. In anderen Ländern füllen Apotheker diese Rolle bereits in stärkerem Maße aus als hierzulande, auch nach guten Erfahrungen beim Impfen. Halten Sie diese Herangehensweise trotzdem für falsch? 

Jetzt fragen Sie eine Ärztin. Ja, ich halte es für den falschen Weg. Tätigkeiten wie das Impfen sollten in der Medizin bleiben. Natürlich können wir bestimmte Leistungen delegieren, wenn die Apotheker fachlich geschult sind und im Notfall Verantwortung übernehmen wollen. Aber immer neue Tätigkeitsfelder aufzugreifen, könnte die Apothekerinnen und Apotheker sowohl personell als auch finanziell überfrachten. Ich denke, wir sollten zunächst die bestehenden Strukturen, die die Pharmazie ausmachen, erst einmal stärken. Als ein Beispiel könnte man die pharmazeutische Betreuung von Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen werden, intensivieren.  

Sie meinen durch Modelle wie die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN)?

Kolleginnen und Kollegen haben mich davon überzeugt, dass ARMIN eine wirklich gute Sache ist, und in Thüringen hat das Projekt Fuß gefasst. Genau solche Projekte brauchen wir, vor allem für die Patientensicherheit. Wenn Modellprojekte wie diese weiter ausgebaut werden, wäre sowohl Apothekern, Patienten als auch Ärzten geholfen. Projekte wie diese sollten auch stärker im Studium integriert werden. 

Frau Dr. Klisch, vielen Dank für das Gespräch.

 



Marius Penzel, Apotheker und Volontär
redaktion@daz.online


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