Lancet fordert Antworten

Wissenschaftler kritisieren russische Studie zu Corona-Impfstoff

Berlin - 18.09.2020, 10:30 Uhr

Das ist der Stein des Anstoßes: der russische Impfstoff gegen COVID-19 namens Sputnik V. (Foto: imago images / Xinhua)

Das ist der Stein des Anstoßes: der russische Impfstoff gegen COVID-19 namens Sputnik V. (Foto: imago images / Xinhua)


Sputnik V heißt der Stoff, der aktuell unter Forschern für Aufsehen sorgt: Hat Russland bei der Zulassung der Vakzine gegen COVID-19 die wissenschaftlichen Standards eingehalten? Das Fachjournal „The Lancet“ fordert Aufklärung.

Nach der Veröffentlichung einer Studie zu dem neuen russischen Corona-Impfstoff mit dem Namen „Sputnik V“ im Fachblatt „The Lancet“  hagelt es international Kritik von Forschern. Wegen der vielen Fragen hat das Journal nun die Autoren der russischen Impfstudie zu einer Stellungnahme aufgerufen. Sie seien eingeladen worden, auf offene Fragen zu antworten, sagte eine Sprecherin am vergangenen Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Wir verfolgen die Situation weiterhin genau.“

Hintergrund ist ein offener Brief von rund 40 internationalen Wissenschaftlern. Sie äußern darin erhebliche Zweifel an der Studie. Nach ihrer Ansicht wirft „die Darstellung der Daten einige Bedenken auf“. Die Forscher um den Molekularbiologen Dr. Enrico Bucci fordern von Moskau den Zugriff auf die Originaldaten für eine vollständige Untersuchung. Die Erwartungen der Bevölkerung an einem wirksamen Impfstoff seien verständlicherweise hoch, hieß es zur Begründung.

Das in Russland entwickelte Serum gegen das Coronavirus war das weltweit erste, das für eine breite Anwendung in der Bevölkerung zugelassen wurde. Bereits nach der Freigabe Mitte August gab es international Kritik, weil sie vor Abschluss wichtiger Tests erfolgte. Das russische Team hatte seine Studie über das Vakzin zu Monatsbeginn in dem Fachblatt „The Lancet“  veröffentlicht. Zuvor hatten mehrere deutsche Medien über die Kritik an der Studie berichtet.

Daten zeigen seltsames Muster

„Die Daten enthalten sehr seltsame Muster“, sagte Bucci dem Portal „Moscow Times“. Er verwies zum Beispiel auf Ergebnisse, die die Bildung von Antikörpern beschreiben. Dabei gebe es gleiche Werte für verschiedene Gruppen von Patienten. So viele Duplikate seien höchst unwahrscheinlich, sagte er. „Es ist so, als würde man einen Würfel werfen und mehrmals genau dieselbe Zahlenfolge erhalten.“

Die russische Staatsagentur Tass meldete, dass die Entwickler des Impfstoffs in Moskau bereits Antworten auf Fragen an das Blatt geschickt hätten, die „für ihre westlichen Kollegen von Interesse waren“. Nach russischer Darstellung erzeugt der Impfstoff Antikörper. Er sei auch frei von schwerwiegenden Nebenwirkungen. Kreml-Chef Wladimir Putin sagte, auch seine Tochter habe sich impfen lassen.

Impfstoff wird in Indien getestet

Russlands Staatsfonds und eine indische Pharmafirma haben derweil abgemacht, dass sie 100 Millionen Dosen eines potenziellen Corona-Impfstoffes in Indien verteilen wollen. Sollten Tests mit dem Impfstoff „Sputnik V“ erfolgreich ablaufen und indische Behörden ihn zulassen, könnte der Impfstoff Ende 2020 in Indien bereitstehen, hieß es in einer gemeinsamen Pressemitteilung des Russian Direct Investment Fund und der indischen Pharmafirma Dr. Reddy's Laboratories Limited am Mittwoch. Russische Behörden hatten den Impfstoff bereits zugelassen, noch bevor Tests an Menschen abgeschlossen waren. Dadurch gerieten sie international in Kritik.

Die indische Pharmafirma soll nun laut Mitteilung Phase-III-Tests in Indien durchführen, die die Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs für die indische Bevölkerung prüfen sollen. Diese Tests würden für eine mögliche Zulassung in Indien benötigt.

Sauerstoff wird knapp

In Indien gibt es fünf Millionen bekannte Corona-Fälle. Das sind weltweit die zweitmeisten registrierten Infektionen. Nur in den USA gibt es mehr. In absoluten Zahlen gerechnet steigen die bekannten Neuinfektionen in der südasiatischen Nation seit Wochen schneller als in jedem anderen Land. Innerhalb eines Tages kamen mehr als 90.000 neue Fälle dazu, in der vergangenen Woche rund 600.000, wie offizielle Zahlen zeigen.

Auch gibt es anders als in den USA keinen Hinweis auf ein Abflachen der Kurve. Inzwischen berichten örtliche Medien auch, dass in mehreren Regionen der medizinische Sauerstoff für Patienten knapp wird. Einige sollen deshalb gestorben sein.



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