Imagekampagne und Kurzarbeit

Wie die österreichischen Apotheken der Coronakrise getrotzt haben

Remagen - 11.08.2020, 07:00 Uhr

Auch in Österreich meldeten zahlreiche Apotheken Kurzarbeit an. (s / Foto: imago images / Viennareport)

Auch in Österreich meldeten zahlreiche Apotheken Kurzarbeit an. (s / Foto: imago images / Viennareport)


Die Coronakrise hat auch die österreichischen Apotheken und ihre Interessensvertretungen viele Wochen hindurch extrem gefordert. Sie haben die Krise aber auch aktiv dazu genutzt, sich gegenüber der Öffentlichkeit noch besser zu positionieren.

In seinem aktuellen „Report 6_2020“ rekapituliert der österreichische Apothekerverband, wie die Apotheken des Landes sich bisher in der Pandemie geschlagen haben. Allen Unbillen zum Trotz konnten sie mit ihrem durchgehenden Serviceangebot gegenüber den Patienten deutlich punkten. Verantwortlich dafür sei auch der Rückenwind seitens ihres Verbandes.

Apotheken-Kampagne: „Wir bleiben da.“

Bereits kurz nach dem „Lockdown“ hatten die Österreichischen Apothekerkammer und der Österreichische Apothekerverband eine Kommunikationskampagne aufgelegt, um das Engagement der Apotheken vor Ort in der Krise zu unterstreichen. Sie trug den Titel: „Wir bleiben da. Für Sie. Ihre Apothekerinnen und Apotheker.“ Rund 4,4 Millionen Österreicher sahen den TV-Spot und ein Radio-Spot soll insgesamt 6 Millionen Hörer erreicht haben. Hinzu kommen 1,95 Millionen User von Facebook und Instagram. Abgerundet wurde die Kampagne österreichweit mit klassischen Inseraten in den Bezirkszeitungen und auch in den Branchenmedien wie Apotheker Krone, Pharmaceutical Tribune, pharmatime, ÖAZ sowie DA – Deine Apotheke.

Blitzumfrage: Für 94 Prozent ist die Apotheke unverzichtbar

Wie groß die öffentliche Wertschätzung für die Apotheken ist, erfuhr der Apothekerverband über eine repräsentative Umfrage in der österreichischen Bevölkerung über 16 Jahre, die Anfang Mai durchgeführt wurde. 78 Prozent der Befragten gaben an, während der Krise eine gute Erfahrung mit der Apotheke gemacht zu haben und nur 5 Prozent eine negative. 17 Prozent hatten in dieser Zeit keinen Kontakt mit einer Apotheke. Ganze 66 Prozent der Befragten hatten in diesen Wochen aber auch keinerlei Kontakt zu einem Arzt, wobei derselbe Anteil angab, dass die Praxis während der Krisenwochen nicht oder nur mit Einschränkungen geöffnet war. Angesichts dessen war das Lob für die flächendeckende Versorgung durch die Apotheken mit 97 Prozent der Befragten überwältigend. 94 Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Coronakrise gezeigt habe, wie wichtig es sei, eine Apotheke in seiner Nähe zu haben.

Enormer Mehraufwand durch rezeptlose Rx-Abgabe

In Österreich wurde in der Krise kurzerhand die Möglichkeit geschaffen, Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente in der Apotheke ohne Arztbesuch beziehungsweise schriftliches Rezept einzulösen. Ganze 51 Prozent sprechen sich laut Apothekerverband nun dafür aus, diesen Service nach der Krise unbedingt aufrechtzuerhalten. Der Verband greift diesen Wunsch zwar gerne auf, macht aber gleichzeitig gegenüber der Gesundheitskasse und der Politik deutlich, dass die in den Krisenwochen eingeführten Möglichkeiten von Verschreibungen über E-Mail oder Fax bis hin zum kurzfristigen Einsatz des E-Rezepts auch zahlreiche Herausforderungen und einen enormen Mehraufwand für die Apotheken verursacht hätten.

Jede fünfte Apotheke meldete Kurzarbeit an

Nach einem anfänglich massiven Kundenansturm in den Apotheken zu Beginn der Krise war der Geschäftsrückgang in den Folgewochen auch in Österreich deutlich spürbar. Um sich ein genaueres Bild der betriebswirtschaftlichen Folgen zu verschaffen, startete der Apothekerverband eine freiwillige Mitgliederbefragung, an der sich 445 Mitglieder (rund ein Drittel aller österreichischen Apotheken) beteiligt haben. Die Ergebnisse seien möglicherweise nicht repräsentativ, wird einschränkend zu Bedenken gegeben, aber dennoch schätzten zwölf Prozent der teilnehmenden Apotheken ihre wirtschaftliche Lage als „katastrophal“ ein. Umgelegt auf die Gesamtzahl der Apotheken seien das 150 bis 170 Betriebe. Durch die immer schlechteren Rahmenbedingungen in den letzten Jahren hätten viele Apotheken keine Reserve aufbauen können, heißt es seitens des Verbands. Um weiteren Verlusten entgegenzuwirken und den Fortbestand der Apotheke zu sichern, meldete jeder fünfte Mitarbeiter Kurzarbeit an. Außerdem wurden Urlaub und Zeitguthaben abgebaut. „Die Daten aus dem monatlichen Betriebsvergleich des Apothekerverbands ‚ApoStar‘, lassen darauf schließen, dass die Talfahrt aktuell gestoppt wurde“, sagt Wolfgang Trattner von der Wirtschaftsabteilung des Verbandes, der die Lage trotzdem vorsichtig optimistisch sieht.

6,70 Euro plus Umsatzsteuer pro Botendienst

In den Coronawochen hat der österreichische Apothekerverband weder die Patienten noch seine eigenen Mitglieder im Regen stehen gelassen. So wurde ein spezielles Unterstützungsangebot entwickelt, damit die Apotheken den erhöhten Bedarf an Botendiensten in der Lockdown-Periode stemmen konnten. In vielen Gemeinden halfen soziale Organisationen und auch 40 Pharmareferenten ließen sich beim Apothekerverband für etwaige kostenlose Zustelldienste in ihrer Region registrieren. Wo dies nicht ausreichte, wurden externe, kostenpflichtige Dienstleister in Anspruch genommen. Dafür stellte der Apothekerverband einen mit 100.000 Euro dotierten Fonds bereit. Aus diesem erhielten die Apotheken eine Rückerstattung in Höhe von 6,70 Euro plus 20 Prozent Umsatzsteuer pro Zustellung durch eigene Mitarbeiter oder externe Dienstleister. Durch den Fonds konnten bis Mitte Mai rund 9.000 Arzneimittelzustellungen finanziert werden, ohne Kosten für die Patienten.

Stundung der Mitgliedsbeiträge

Um den Betrieben bei der Aufrechterhaltung ihrer Zahlungsfähigkeit direkt und unbürokratisch unter die Arme zu greifen, entwickelte der Verband außerdem ein Modell zur Stundung der Mitgliedsbeiträge. Die Höhe der Stundung hängt von dem Umsatzrückgang der jeweiligen Apotheke ab (April 2020 versus April 2019), den interessierte Betriebe selbst einschätzen müssen Beginnend ab Mai 2020 können die Beiträge nach einem Stufensystem für ein bis vier Monate ausgesetzt werden. Die Nachzahlung soll dann ab Dezember 2020 fällig werden.

Gerüstet für den Marathon

„Nach vielen Wochen im Ausnahmezustand finden wir uns in der veränderten Situation vielleicht schon halbwegs zurecht, spüren aber gleichzeitig, dass diese Krise kein Sprint ist, wie man anfangs vielleicht noch gehofft hat, sondern ein Marathon“, schreiben die Präsidiumsmitglieder Jürgen Rehak, Thomas Veitschegger und Andreas Hoyer in dem Report. In diesen gehen sie aber mit breiter Brust: „Wir sind der Überzeugung, dass diese Erfahrungen der Coronawochen unsere Position gegenüber der Politik und der Gesundheitskasse stärkt.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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