Reproduktionsmedizin

Aufgepasst bei Benzodiazepinen vor einer Schwangerschaft

Remagen - 26.06.2020, 15:20 Uhr

Wissenschaftler schlagen vor, für Frauen, die vor der Empfängnis Benzodiazepine eingenommen haben, einen frühen Beckenultraschall in Betracht zu ziehen. (c / Foto: serhiibobyk/adobe.stock.com)

Wissenschaftler schlagen vor, für Frauen, die vor der Empfängnis Benzodiazepine eingenommen haben, einen frühen Beckenultraschall in Betracht zu ziehen. (c / Foto: serhiibobyk/adobe.stock.com)


Benzodiazepine und Schwangerschaft: Das geht nicht gut zusammen. Aufpassen sollten Frauen aber auch, wenn sie nicht schwanger sind und eine Empfängnis nicht ausschließen können. Nach einer neuen Studie könnten Benzodiazepine das Risiko einer Eileiterschwangerschaft erhöhen.

Untersuchungen zum Einfluss von Benzodiazepinen auf die Fortpflanzung befassen sich meist mit dem Risiko für spontane Aborte, Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht und angeborene Missbildungen. Wenige erforschen die möglichen Auswirkungen auf das Risiko einer Eileiterschwangerschaft. Der Zusammenhang ist jedoch durchaus plausibel.

Beeinflussung der Eileiterkontraktion

Zwar wurden bereits verschiedene Risikofaktoren für eine Eileiterschwangerschaft identifiziert, wie Beckeninfektionen, der Einsatz von Reproduktionstechnologien, Intrauterinpessare, Rauchen und erhöhtes Alter, aber ungefähr die Hälfte der Frauen mit einer Eileiterschwangerschaft hat keine bekannten Risikofaktoren. Ein potenzieller, aber nicht untersuchter Risikofaktor für eine Eileiterschwangerschaft ist die Verwendung von Benzodiazepinen. Der Transport der Eizelle im Eileiter wird durch Kontraktion der glatten Muskulatur und den Ziliarschlag erleichtert. Benzodiazepine könnten die Muskelkontraktion durch zwei Mechanismen beeinflussen, und zwar zum einen durch die zentrale Entspannung der glatten Muskulatur und zum anderen durch die direkte Wirkung auf GABA-Rezeptoren im Eileiter. Dies könnte im Ergebnis dazu führen, dass die Eizelle sich zu langsam durch den Eileiter bewegt, womit das Risiko einer Befruchtung und Einnistung darin steigt. 
Elizabeth Wall-Wieler, Postdoktorandin an der Stanford University School of Medicine (Kalifornien, USA), hat den möglichen Zusammenhang mit ihrem Team nun einmal genauer untersucht. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Human Reproduction“ veröffentlicht

Zunehmender Benzodiazepinkonsum in den USA

Eine Eileiterschwangerschaft tritt in den USA bei 1 bis 2 Prozent der ungefähr 6,3 Millionen anerkannten Schwangerschaften pro Jahr auf. Diese sind für 6 bis 13 Prozent aller schwangerschaftsbedingten Todesfälle verantwortlich. Sie können auch zu schwerwiegenden Komplikationen und Unfruchtbarkeit führen. Der Benzodiazepinkonsum hat in den USA in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen. Häufige Indikationen sind Angststörungen, Schlaflosigkeit, akuter Alkoholentzug und Krampfanfälle. Basierend auf nationalen Daten hatten in den USA 2008 etwa 3,6 Prozent der Frauen zwischen 18 und 35 Jahren innerhalb eines Jahres ein Rezept für ein Benzodiazepin.

1,6 Millionen Schwangerschaften analysiert

Wall-Wieler analysierte in ihrer Kohortenstudie 1.665.446 Schwangerschaften zwischen dem 1. November 2008 und dem 30. September 2015 in den USA. Um diejenigen Frauen zu erfassen, die vor der Empfängnis am wahrscheinlichsten Benzodiazepine eingenommen haben, definierten sie die Exposition so, dass diese in den 90 Tagen vor ihrem vermutlichen Empfängnisdatum mindestens zwei Benzodiazepin-Rezepte für eine Versorgung über mindestens zehn Tage erhalten haben mussten. Eingeschlossene Medikamente waren Alprazolam, Chlordiazepoxid, Clobazam, Clonazepam, Clorazepat, Diazepam, Estazolam, Flurazepam, Lorazepam, Oxazepam, Quazepam, Temazepam und Triazolam.

Risiko deutlich erhöht

Insgesamt waren 30.046 Schwangerschaften (2 Prozent) extrauterin und fast 18.000 betrafen Frauen, die vor der Empfängnis ein Benzodiazepin-Rezept hatten. „Dies entspricht 80 überschüssigen Eileiterschwangerschaften pro 10.000 Schwangerschaften bei Frauen, die einem Benzodiazepin ausgesetzt waren, gegenüber denjenigen ohne Benzodiazepin“, erklärt Wall-Wieler

Schwangere mit Benzodiazepin-Verschreibungen hatten ein 1,47-mal (95 Prozent-KI 1,32–1,63) höheres Risiko für eine Eileiterschwangerschaft als andere Frauen. Die am häufigsten verwendeten Benzodiazepine waren Alprazolam, Clonazepam, Lorazepam und Diazepam.  

Spielt die Indikation eine Rolle?

Um zu überprüfen, ob das Risiko einer Eileiterschwangerschaft möglicherweise durch die behandelte Krankheit beeinflusst wird, führten die Forscher zwei getrennte Analysen bei Frauen durch, bei denen Angstzustände oder Schlaflosigkeit diagnostiziert worden war, die beiden häufigsten Indikationen für die Verschreibung von Benzodiazepinen. Tatsächlich lag das relative Risiko (RR) für eine Eileiterschwangerschaft durch Benzodiazepin-Konsum bei Frauen mit Angststörungsdiagnosen bei 1,34 (95 Prozent-KI 1,18 bis 1,53) und bei Frauen mit Schlaflosigkeitsdiagnose bei 1,28 (95 Prozent-KI 0,99 bis 1,68). „Bei jeder dieser Analysen haben wir festgestellt, dass die Assoziation nicht so stark war wie die in der gesamten Gruppe“, sagt die Studienleiterin Wall-Wieler, ohne selbst eine Erklärung dafür liefern zu können.

Früher Beckenultraschall empfohlen

Die Wissenschaftler schlagen vor, für Frauen, die vor der Empfängnis Benzodiazepine eingenommen haben, einen frühen Beckenultraschall in Betracht zu ziehen, besonders dann, wenn sie noch andere Risikofaktoren für eine Eileiterschwangerschaft haben. Mögliche Symptome einer Eileiterschwangerschaft sind frühe Blutfleckenbildung und Schmerzen im Unterleib.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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