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Nahrungsergänzung in der Apotheke: Taugt das Mittel was?

Stuttgart - 27.11.2018, 07:00 Uhr

Wie kann die Apotheke einen Nahrungsergänzungsmittel-Schnellcheck machen? (c / Foto:                                 
                                        


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Wie kann die Apotheke einen Nahrungsergänzungsmittel-Schnellcheck machen? (c / Foto: fpdress/stock.adobe.com)


Werden nicht-belegbare Gesundheitsaussagen gemacht?

Der zweite Punkt, der eine erste Einschätzung des NEMs erlaubt, sind die Health Claims. Die EU-Health-Claims-Liste macht genaue Vorgaben, welche Aussagen zu welchem Inhaltsstoff erlaubt sind. Für gesundheitsbezogene Angaben, die sogenannten Health Claims gilt nämlich das so genannte „Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt“. Das bedeutet, dass gesundheitsbezogene Angaben grundsätzlich verboten sind, solange sie nicht in dieser Liste stehen. Aussagen, die in die Liste aufgenommen werden sollen, müssen der wissenschaftlichen Überprüfung der EFSA standhalten. So lässt sich feststellen, ob die Aussagen des Herstellers irgendwie haltbar sind oder jeglicher Grundlage entbehren. So lassen sich NEM mit unseriösen Wirkversprechen identifizieren.

Sonderfall Botanicals

Eine Sonderstellung bei den Health Claims haben die „Botanicals“. Das sind aus Pflanzen, Algen, Pilzen oder Flechten gewonnene pflanzliche Stoffe und Zubereitungen, die ebenfalls in Form von NEM vermarktet werden. Seit 2010 werden Health Claims von Botanicals nicht mehr überprüft. Das heißt, die Hersteller können bis auf weiteres ungeprüft gesundheitsbezogene Aussagen machen. Und auch sonst ist dieser Bereich mehr oder weniger unreguliert. Es gibt zwar Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, dass Pflanzen oder Pflanzenteile als Lebensmittel, zu denen NEM ja zählen, in den Verkehr gebracht werden können. Dazu zählt unter anderem, dass sie sicher sein müssen. Als Nachweis genügt hier aber die Eigenversicherung des Herstellers. Zudem dürfen sie keine pharmakologische Wirkung haben, sonst wären sie Phytopharmaka. Dies ist in der Regel dosisabhängig.

Bei dieser Abgrenzung – noch NEM oder schon Phytopharmakon – hilft die „Stoffliste des Bundes und der Länder“. Dort findet sich jeweils die Stammpflanze mit der lateinischen Bezeichnung und ob die Pflanze beziehungsweise deren Teile als Lebensmittel, Novel Food, Arzneistoff oder traditionelles Arzneimittel bekannt sind. Dazu erfolgt eine Kategorisierung in eine von drei Listen A, B oder C. Wird eine Pflanze in Liste A einsortiert, heißt das, dass die Anwendung in Lebensmitteln nicht empfohlen wird. Das ist zum Beispiel bei Aconitum napellus der Fall. Kategorie B besagt, dass die Verwendung in Lebensmitteln mit Beschränkung empfohlen wird. In diesen Fällen ist dann eine Dosis angegeben, ab der von einer pharmakologischen Wirkung auszugehen ist und die Präparate somit Phytopharmaka wären. Der dritten Kategorie C werden Stoffe zugeordnet, bei denen noch keine abschließende Beurteilung möglich ist. Aber auch diese Liste ist ebenso wie die Zufuhrempfehlungen von EFSA und BfR nicht rechtsverbindlich.

Auch NEM können schaden

Smollich wies zudem darauf hin, dass es mitnichten so sei, dass die Einstellung „Es wird schon nicht schaden“ bei NEM angebracht ist. Er nannte auch Beispiele. So gebe es neben vielen Studien, die weder einen positiven noch einen negativen Effekt zeigten, einige, in denen die Prävalenz bestimmter Karzinome bei Einnahme von NEM erhöht war. Allerdings ging es dabei in der Regel um eine jahrelange Einnahme, bei der die Zufuhrempfehlungen der DGE um ein Vielfaches überschritten wurden, zum Beispiel in der VITAL-Studie, die einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Vitamin B6 und B12 und dem erhöhtem Risiko für Bronchial-Karzinome zeigte. Zudem werden beispielsweise Grüntee-Extrakte mit Leberversagen in Zusammenhang gebracht und Algen-NEM mit Hyperthyreose.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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