„Neue Möglichkeiten in der Arzneimittelversorgung“

DHL und Entwicklungsministerium testen Arzneimitteldrohne in Afrika

Berlin - 04.10.2018, 14:10 Uhr

DHL: „Die Drohne eröffnet neue Möglichkeiten, denn in vielen Regionen Afrikas stellt die Logistik im Gesundheitswesen [...] eine enorme Herausforderung dar. (m / Screenshot: DHL / YouTube)

DHL: „Die Drohne eröffnet neue Möglichkeiten, denn in vielen Regionen Afrikas stellt die Logistik im Gesundheitswesen [...] eine enorme Herausforderung dar. (m / Screenshot: DHL / YouTube)


Trotz mehrerer Tests auf der ganzen Welt hat sich die Drohne als Liefermedium für Arzneimittel noch in keinem Land durchsetzen können. Einen neuen Versuch hat im vergangenen halben Jahr ein deutsches Konsortium unternommen: Der Paketdienstleister DHL, der Drohnenhersteller „Wingcopter“ und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) haben die Arzneimittellieferungen per Drohne in Afrika getestet. Auftraggeber war das Bundesentwicklungsministerium (BMZ).

Für viele Apotheker sind Arzneimittel-Lieferungen per Drohne ein bedrohliches Szenario – und sicherlich auch ein Sicherheitsproblem. Insbesondere in unterversorgten Ländern der Welt werden Drohnen – meistens nur testweise – aber immer häufiger eingesetzt, um Menschen mit Arzneimitteln zu versorgen. So arbeiten die Regierungen der afrikanischen Länder Ruanda und Tansania seit einiger Zeit mit dem US-Startup-Unternehmen Zipline zusammen. Die Firma, die 2011 von Mitarbeitern von Firmen wie SpaceX, Boeing, Google und Willow Garage gegründet worden ist, hat sich zur Aufgabe gemacht, Blutkonserven und lebenswichtige Arzneimittel aus Versorgungszentren in schwer erreichbare Gebiete zu fliegen. Das erste konkrete Projekt von Zipline in Ruanda startete im Oktober 2016, wie DAZ online im April 2018 berichtete. Nach einem Katapultstart fliegt die Drohne mit einer Geschwindigkeit von bis zu 120 Stundenkilometern zur Klinik und wirft die mit einem Mini-Fallschirm versehene Tüte über einem vereinbarten Ort ab.

Wie nun bekannt wird, haben in den vergangenen Monaten aber auch deutsche Unternehmen einen ersten ernsthaften Versuch in der Arzneimittellieferung per Drohne unternommen. Der Paketdienstleister DHL teilte am heutigen Donnerstag mit, dass man in den vergangenen sechs Monaten das Pilotprojekt „Deliver Future“ am Viktoriasee in Afrika durchgeführt habe. Konkret sollen demnach Arzneimittel via Luftweg auf eine Insel gebracht werden, die etwa 60 Kilometer vom Seeufer entfernt liegt. Der selbstständig fliegende „DHL Paketkopter 4.0“ soll die Strecke laut Mitteilung in durchschnittlich 40 Minuten geschafft haben. Insgesamt wurden in dem Pilotprojekt mehr als 2.200 km geflogen und rund 2.000 Flugminuten geleistet. Einem Werbevideo zufolge sollen auch kühpflichtige Medikamente ausgeflogen werden können. Als Beispiele für die Vorteile der Arzneimittel-Drohne werden unter anderem die Lieferung von Arzneimitteln nach Schlangenbissen und die schnellere Analyse von Blutproben genannt.

Das Projekt wurde von einem spannenden Konsortium betrieben: Auftraggeber ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Neben der DHL waren für die Umsetzung die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der deutsche Drohnenhersteller Wingcopter verantwortlich. DHL erklärte dazu: „Die Drohne eröffnet neue Möglichkeiten, denn in vielen Regionen Afrikas stellt die Logistik im Gesundheitswesen, insbesondere die Medizinversorgung ländlicher Krankenhäuser und Apotheken, eine enorme Herausforderung dar. Gründe dafür sind häufig die schlecht ausgebaute Infrastruktur und das unwegsame Gelände.“ Im Inseldistrikt Ukerewe leben demnach 400.000 Menschen, deren Versorgung stark eingeschränkt ist, weil der Landweg zu der Insel, die man über eine Brücke erreichen kann, sechs Stunden Fahrtzeit beinhaltet.

Arzneimittel-Drohnen-Tests auf Juist, in den USA und in der Schweiz

Die Drohne selbst beschreibt die DHL so: „Der ‚DHL Paketkopter 4.0‘ startet und landet senkrecht und benötigt neben einer kleinen Landefläche kaum Infrastruktur. Das Fluggerät kann für den Rückflug mit Blut- und Laborproben beladen werden. Der künftige Einsatz der Paketdrohne könnte nicht nur das Problem der Medikamentenversorgung medizinischer Einrichtungen lösen: Sie hat das Potenzial, zur Verhinderung weltweiter Krisen beizutragen. Die Ausbreitung von Viruserkrankungen wie zum Beispiel Ebola ließe sich damit frühzeitig bekämpfen.“

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In den USA spekuliert man schon seit mehreren Jahren darüber, wann der Versandkonzern Amazon ins Drohnengeschäft einsteigt – und auch, wann Amazon beginnt, Arzneimittel per Drohne zu liefern. „Ready to get your drugs by drone? Why Amazon plan could be game-changer”, titelte bereits 2015 das US-Magazin Forbes und beschrieb, wie der Onlinehändler die Arzneimittelversorgung in der Zukunft umkrempeln könnte. Den Anlass hatte Amazon zuvor selbst geliefert, als der Konzern Ende 2013 in einer viel beachteten Marketingaktion angekündigt hatte, online bestellte Waren künftig auch per Lastendrohne ausliefern zu wollen. Passiert ist bislang aber wenig. Zwar lieferte man 2016 testweise ein erstes Paket aus, es gibt aber wohl noch zu viele juristische Hindernisse.

Erster DHL-Test mit Arzneimittel-Drohne auf Juist

Und auch der Paketdienstleister DHL scheint sich schon seit längerer Zeit für das Thema zu interessieren. So hat DHL im Jahr 2014 im Rahmen eines Forschungsprojektes mit dem Institut für Flugsystemdynamik der RWTH Aachen mit einer Drohne Arzneimittel auf die Nordseeinsel Juist geflogen. „Wir sind auf Juist vor allem in Wintermonaten aufgrund der Wetterlage manchmal von der Außenwelt regelrecht abgeschnitten“, teilte der an dem Projekt teilnehmende Inselapotheker Erich Hrdina damals mit.

Die Auslieferung von dringend benötigten Medikamenten stand auch im Mittelpunkt bei der Erprobung von Paketdrohnen durch die Schweizer Post. „Wir prüfen den Transport von Arzneimitteln in abgelegene Häuser oder in Siedlungen, die etwa durch einen Erdrutsch nicht mehr zugänglich sind“, sagte Post-Sprecher Bernhard Bürkli laut VDI-Nachrichten im Herbst 2015.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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