Zweiter Stada-Rückruf

Valsartan: Wie ein kluges Konzept zur Kreuzkontamination mit NDMA führte

Stuttgart - 27.09.2018, 16:15 Uhr

„Besenrein“ – auch wenn diese Art der Reinigung bei der
Kampagnenherstellung GMP-konform ist, reichte sie im Fall des mit NDMA verunreinigten
Valsartans nicht aus. ( r / Symbolbild, Foto: Anthony Hall  / stock.adobe.com)

„Besenrein“ – auch wenn diese Art der Reinigung bei der Kampagnenherstellung GMP-konform ist, reichte sie im Fall des mit NDMA verunreinigten Valsartans nicht aus. ( r / Symbolbild, Foto: Anthony Hall  / stock.adobe.com)


Vergangenen Dienstag rief Stada erneut mehrere Chargen Valsartan und Valsartan/HCT zurück. Grund war eine NDMA-Verunreinigung, die nahe an der Bestimmungsgrenze liegen soll, also sehr gering ist. Wie konnten diese geringen Mengen nachträglich in die Valsartan-Präparate gelangen? Können weitere Verunreinigungen wie NDEA ausgeschlossen werden? DAZ.online hat bei Stada nachgefragt und ist auf eine schlaue Strategie gestoßen, die allerdings einen Haken hat.

Anfang Juli, im Zuge der weltweiten Valsartan-Rückrufwelle, rief auch die Firma Stadapharm GmbH viele Chargen Valsartan und Valsartan/HCT zurück. Vergangenen Dienstag kam es nun durch Stada zu einem erneuten Valsartan-Rückruf weiterer Chargen, die zuvor eigentlich als nicht verunreinigt galten. Hatte Stada Verunreinigungen „übersehen“? Das kann man so nicht sagen: „Im Rahmen eines erweiterten Kontrollkonzeptes mit der Etablierung einer NDMA spezifischen Analysenmethode in Valsartan Endprodukten“ hat Stada laut AMK-Meldung vom 25.09.2018 die „leichte“ NDMA-Verunreinigung in den dort genannten Chargen festgestellt. 

Unter dem „erweiterten Kontrollkonzept“ versteht Stada die oben genannte neue spezifische Analysemethode zur quantitativen Bestimmung von NDMA in Valsartan-Endprodukten und ein Testprogramm, in dem weiterführende Untersuchungen an auf dem Markt befindlichen Chargen durchgeführt wurden. Die NDMA-Menge, die gefunden wurde, sei mit einem Durchschnittswert von kleiner 0,1 ppm äußerst gering. Sie soll deutlich unter den Werten der bereits zurückgerufenen Chargen, und nahe an der Bestimmungsgrenze dessen liegen, was das Verfahren zur NDMA-Bestimmung technisch messen kann (LOQ= 0,1 ppm). Hat Stada also einfach nochmals genauer hingeschaut und wenn ja, warum nicht gleich?

NDMA-Verunreinigung wurde verschleppt

„Zwischen Mai 2016 und Anfang 2018 (also vor dem ersten Rückruf und somit vor Kenntnis der Verunreinigung des Wirkstoffs von Huahai) kam es bei der Valsartan-Produktion in Folge einer Kampagnenfertigung in unserem Werk in Serbien zu einer geringfügigen Verschleppung des Wirkstoffs des Herstellers Zhejiang Huahai“, erklärt Stada dazu in einer Stellungnahme gegenüber DAZ.online. Im Rahmen dieser Kampagnenfertigung seien in der Valsartan-Produktion zunächst Chargen mit dem Wirkstoff von Zhejiang Huahai produziert worden und anschließend Chargen, die Stada mithilfe von Valsartan eines anderen Wirkstoffherstellers produzierte. Wie konnte es dadurch zu einer Verschleppung der NDMA-Verunreinigung kommen? Wurden die Maschinen nicht ausreichend gereinigt?

Wenn die Maschinen nur „besenrein“ sind

Wenn die Herstellung auf den Wirkstoff eines anderen Herstellers umgestellt wird, erfolgt laut Stada zuvor eine „Trockenreinigung der Maschinen“. Dieses Vorgehen sei GMP-konform (Good Manufacturing Practice). DAZ.online wollte von Stada wissen, wie man sich eine solche Trockenreinigung vorstellen muss: „Hier wird das Vorprodukt besenrein entfernt“, erläutert Stada und weiter: „Im Rahmen von Kampagnenfertigungen (mehrere Chargen des gleichen Produkts in zeitlicher direkter Folge) kann eine sogenannte Zwischenreinigung erfolgen. In diesem Fall spricht man von Trockenreinigung.“

Definition der Kampagnenproduktion nach GMP-Leitfaden

„Nacheinander erfolgende Herstellung einer Reihe von Chargen desselben Produkts innerhalb eines bestimmten Zeitraums mit nachfolgender strikter Einhaltung der zugelassenen Kontrollmaßnahmen vor dem Wechsel auf ein anderes Produkt. Die Produkte werden nicht gleichzeitig hergestellt, können aber mit derselben Ausrüstung hergestellt werden. [EU-GMP-Leitfaden, Anhang 2]“ Quelle der deutschen Übesetzung: www.eu-gmp-leitfaden.de

Verschleppte Verunreinigungen – ein neues Phänomen?

So gelangten laut Stada also Spuren des mit NDMA verunreinigten Valsartans von Zhejiang Huahai in die Produkte, die mit dem Valsartan eines anderen Wirkstoff-Herstellers produziert wurden. Hätte Stada sich dieser Problematik nicht früher bewusst werden können? Stada meint dazu: „Dass Verunreinigungen im Produktionsprozess verschleppt werden ist insofern ein neues Phänomen, weil bisher keine Wirkstoffe in dieser Form verunreinigt waren.“ Eine sogenannte Kampagnenfertigung sei allerdings durchaus üblich und GMP-konform. „Maßnahmen zur künftigen Vermeidung etwaiger Verschleppung in Kampagnenfertigungen wurden getroffen.“ Ob diese Maßnahmen künftig auch andere Firmen ergreifen müssen, blieb unbeantwortet.

Besteht die Gefahr weiterer Verunreinigungen?

Auf die Frage, woran Stada festmachen kann, dass das Valsartan des anderen Wirkstoffherstellers sicher ist und ob Stada die Synthese und etwaige Unterschiede bekannt seien, wurde lediglich wie folgt Stellung genommen: „Der Valsartan-Wirkstoff wurde mit einer validierten Prüfmethode auf Abwesenheit der NDMA Verunreinigung geprüft.“ Die neu vorgefundene Verunreinigung sei ausschließlich auf den Wirkstoff von Zhejiang Huahai zurückzuführen. Weitere Verunreinigungsquellen erscheinen also ausgeschlossen. Doch neben NDMA wurde mittlerweile auch NDEA in Valsartan und Losartan entdeckt. Kann Stada auch weitere NDEA-Verunreinigungen ausschließen? Noch nicht ganz, wie es scheint: „Die potentielle NDEA-Verunreinigung des Huahai Wirkstoffs wurde erst kürzlich bekannt. Ein Kontrollkonzept zur Prüfung ist etabliert.“    

Stada wechselt seine Wirkstoffhersteller für mehr Versorgungssicherheit

Warum wechselte Stada überhaupt seinen Wirkstoffhersteller? Gab es Sicherheitsbedenken gegenüber Zhejiang Huahai? Nein, meint Stada, Sicherheitsbedenken gab es vor dem ersten Rückruf und der Kenntnis der Verunreinigung des Wirkstoffs von Zhejiang Huahai nicht. Stada stellt in diesem Zusammenhang gegenüber DAZ.online klar, dass der Wirkstoffhersteller nicht – sozusagen von A nach B – gewechselt wurde, sondern dass grundsätzlich zwischen Mai 2016 und Anfang 2018 zwei Wirkstoffhersteller in der Produktion zum Einsatz kamen, zwischen denen gewechselt werden konnte:


Um die Versorgungssicherheit bei Produkten zu gewährleisten, kommt bei STADA eine so genannte 2nd Source-Strategie zum Einsatz. Diese hat zum Ziel, für alle wichtigen Wirkstoffe mindestens zwei qualifizierte Lieferquellen zu haben – idealerweise aus unterschiedlichen Ländern. Aus diesem Grund hatten wir auch bei Valsartan zwei Wirkstofflieferanten gleichzeitig."

Pressesprecher von Stada


Der Wechsel erfolgte somit regelmäßig, und zwar mit dem Ziel, für mehr Versorgungssicherheit zu sorgen. Ein eigentlich kluges Konzept also, dass im Fall von mit Nitrosaminen verunreinigten Valsartan zum Verhängnis wurde.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Schlamperei

von Kommentator am 28.09.2018 um 12:43 Uhr

Endlose Schlampereien unter dem Deckmantel von "GMP-Konformität". Aber, was soll man in diesem verwahrlosten Land auch anderes erwarten.

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