Inkompetent, Unterbesetzt, Unorganisiert

Lunapharm-Taskforce attestiert Ministerium und Arzneimittelbehörde Versagen

Berlin/Stuttgart - 28.08.2018, 13:45 Uhr

Die Lunapharm-Taskforce fällt in ihrem Bericht zum Brandenburger Arzneimittelskandal ein vernichtendes Urteil gegen das Brandenburger Gesundheitsministerium und die untergeordnete Arzneimittelbehörde. ( j/ Foto: PhotoSG / stock.adobe.com)

Die Lunapharm-Taskforce fällt in ihrem Bericht zum Brandenburger Arzneimittelskandal ein vernichtendes Urteil gegen das Brandenburger Gesundheitsministerium und die untergeordnete Arzneimittelbehörde. ( j/ Foto: PhotoSG / stock.adobe.com)


Entzug der Betriebserlaubnis stand nie im Raum

Die Taskforce hält fest, dass die Behörden selbst im Februar 2017 zu der Einschätzung gekommen seien, dass Lunapharm gefälschte Arzneimittel in den Verkehr bringt. Und weiter: Daraus ergab sich die Notwendigkeit, zu diesem Zeitpunkt erforderliche Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Patienten einzuleiten. Die Taskforce konnte nicht schlüssig klären, warum dies nicht geschah.“ Bis zur Ausstrahlung des ARD-Kontraste-Beitrages im Juli dieses Jahres passierte im Frühjahr 2018 dann nicht mehr viel. Ein kompletter Lizenzentzug stand vor August 2018 nie im Raum.

Mit Blick auf diese Geschehnisse kommt die Taskforce zu einer ersten wichtigen Empfehlung, einer Änderung im Arzneimittelgesetz. Denn die Experten stören sich daran, dass ein juristischer Widerspruch gegen einen Lizenzentzug dazu führt, dass der Betrieb dennoch weiterlaufen kann. Wörtlich heißt es: „Die Tatsache, dass in einer solchen speziellen Konstellation ein Widerspruch oder die Anfechtungsklage gegen den Sofortvollzug von behördlichen Anordnungen nach gegenwärtiger Rechtslage eine aufschiebende Wirkung haben, stellt im Hinblick auf die Arzneimittelrisikoabwehr einen gravierenden Mangel im Arzneimittelgesetz dar“.

Taskforce: Ministerium und Behörde unterbesetzt und schlecht organisiert

An einer anderen Stelle werfen die Experten den Brandenburger Beamten nicht nur eine schlechte Organisation vor, sondern auch Inkompetenz. Man komme zu der Schlussfolgerung, „dass es bei den zuständigen Verantwortlichen nicht nur an einem Mangel an Detailkenntnissen, Erfahrungen in der Einschätzung und zum Umgang mit Risiken sowie der hinreichend frühen und genauen Information der Vorgesetzten fehlte, sondern insbesondere an der Verinnerlichung des obersten Gebot der Risikoabwehr und damit des Patientenschutzes.“ Denn mit dem Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft hätte klar sein müssen, dass es „viele weitere Anhaltspunkte“ für ein illegales Handeln gegeben hatte.

Ein weiterer Vorwurf der Experten: Die Brandenburger Aufsichtsbehörde war chronisch unterbesetzt. Seit 2009 sei eine ganze Stelle unbesetzt gewesen. Und: „Seit September 2015 war eine zielführende Aufsichtsführung auf Grund des Mangels an fachlich ausreichend qualifizierten und in der Arzneimittelüberwachung erfahrenen Personals im zuständigen Referat nicht gegeben.“ Ausgangspunkt dafür seien die Einsparvorgaben für den Bereich Gesundheit von der Landesregierung aus dem Jahr 2016.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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9 Kommentare

Unsachlich zum Patientennachteil

von Dr, Andreas van de Valk am 29.08.2018 um 17:44 Uhr

Von Reportern steht zu erwarten, dass sie aufrichtig sind. Von Behörden des eigenen Landes wie auch denen verbundener Länder sollte dies auch angenommen werden können. Aber so naiv ist niemand mehr:

04.05.2018:
Die Polizei in Athen informiert die Presse von der Festsetzung einer 21-köpfigen Bande von Arzneimitteldieben. Die Nachrichtenagentur Thomas Reuter berichtet weltweit davon.

Ärzte und Krankenschwestern sowie EIN deutsch-ägyptischer Apotheker sollen sich über gefälschte Rezepte die Arzneimittel in griechischen Krankenhausapotheken ergaunert und in BULGARIEN in ein Lager gebracht haben.

10.05.2018:
Die 12 tatsächlich verhafteten Personen werden mit Photo (unter Nennung der Eltern) in einer zweiten Pressemitteilung gezeigt. Es wird eingeräumt, dass es wohl keine Bande sei, da eine Reihe der Festgenommenen "einen eigenen Export" gemacht hätten. Und der Apotheker habe für 24,8 Mio Arzneimittel aus Ägypten nach Griechenland eingeführt und für 25,1 Mio weiterverkauft. Also sind nur für 300.000 Arzneimittel tatsächlich in Griechenland .... Dies müsse überprüft werden. Aber ganz sicher seien die Rechnungen gefälscht worden ...

16.06.2018:
Der griechische Journalist Tasos Telloglou bezichtet sich als der anonyme Briefeschreiber aus 2016, der damals im Oktober den ehemaligen Chef der Wirtschaftspolizei, Manolis Plumis informiert habe.

Auch sei die von der griechischen Apotheke vorgelegte Großhandelserlaubnis nicht gültig, da sie der stellvertretende Gesundheitsminister Marios Salma mit der Apotheke verkauft habe.

Und am 20.07.2018 veröffentlicht der gute Mann dann in der Süddeutschen Zeitung mit Christiane Schlötzer und Klaus Ott den Beitrag "Medikamentenschmuggel Bittere Medizin"

Und deshalb: WWW.PRESSERAT.DE und es werden weitere Kandidaten das Vergnügen haben.

PS: Quellennachweis ist gegeben.

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Sind die nicht immer alle unterbesetzt - außer bei Kleinkontrollen ?

von Ratatosk am 29.08.2018 um 10:03 Uhr

Alle diese Behörden sind nach eigenen Angaben immer unterbesetzt ! sind sie das wirklich ? - natürlich nicht !!
Für die lückenlosen Kontrollen jeder Kleinstapotheke oder für jedes falsch geschmückte Schaufenster haben die immer Personal, ebenso wie die Lebensmittelüberwachung. Nur wenns an wichtige Kontrollen in sensiblen Bereichen geht, kommt diese abgedroschene Unterbesetzungsleiher.
Finanzamt das selbe, Verjährung für Große Banker , lückenlose Kontrolle für jede Würstchenbude. mit den Summen an Bargeld in den Apotheken soll ja fast der Staatshaushalt saniert werden hat man das Gefühl - hat denen noch keiner erklärt, daß 85% über die GKV Rezepte läuft und bei teueren Privatrezepten fast jeder mit Karte zahlt, sicher auch die Politiker, wie kommen die also auf so einen Blödsinn?

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AW: Sind die nicht immer alle unterbesetzt

von Heiko Barz am 29.08.2018 um 10:37 Uhr

Richtig, „Ratatosk“?, so hat es funktioniert, funktioniert auch heute und wird auch in Zukunft nicht anders funktionieren. Eigentlich sollten all die kleinen Unternehmer, die diesen Staat am Leben halten, auswandern. Wohin aber???
Gerechtigkeit im Sinne des M. Schulz werden wir nur durch eine gute Fee erhalten und wer von uns glaubt schon „grimmisch“. ....wir werden uns um das RXVV „kümmern“...LOL!

wenns billig ist , ist es auch für die GKV gut

von Ratatosk am 29.08.2018 um 9:33 Uhr

Betreff passt fast immer.
Hatten wir alles schon vom BKA der Ulla vorgetragen. Die Möglichkeiten für schäbige Retaxationen und die Möglichkeiten für die organisierten Banden sollen offensichtlich nicht angetastet werden , warum auch immer unsere Politker/innen/x zu solchen Entscheidungen kommen mögen.

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wenns billig ist , ist es auch für die GKV gut

von Ratatosk am 29.08.2018 um 9:30 Uhr

Warum sollte jetzt was geschehen. Die Kassen haben ihr Spielzeug für Retaxationen, genügend involvierte Firmen sind Politikern sehr genehm - und alle Argumente hatte auch das BKA der Ulla schon vor Jahren vorgehalten. Die jetzt mit fettem Pöstchen im Bundestag sitzt.

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Arzneimittel made in Germany???

von Birgit Möllenkamp am 28.08.2018 um 21:03 Uhr

Die Lücken in der Kontrolle und Überwachung müssen ausgeräumt werden. Verbot von Importen ist doch keine Maßnahme gegen inkompetente, fett alimentierte Behördenmitarbeiter und Gesundheitspolitiker, die wie üblich dem Ansehen eines ganzen Berufsstands schaden und in diesem Fall auch ein Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen. Pauschal alle Importe zu verbieten und vor allem alle Importeure hier gleichermaßen in die kriminelle Ecke zu stellen halte ich für sehr bedenklich und viel zu kurz gedacht. Dann müsste man sich fragen, was wir in Deutschland überhaupt noch in unseren Apotheken anbieten möchten. Immerhin produzieren viele forschende Hersteller bestimmte Produkte immer nur an einem Standort in Europa, der selten in Deutschland liegt, so dass die meisten dieser Arzneimittel zwangsläufig aus dem EU-Ausland importiert werden. Und das ist noch der Glücksfall, denn der Generikamarkt tummelt sich ja bekanntlich in Indien und China; das ist ein riesiges Import-Geschäft und müsste (wohl mit Recht) damit auch verboten werden. Dann muss ich für die Krankenkassen nichts mehr aus der Pharmaschnäppchenecke anbieten, keine geklauten Zytos aus Griechenland und kein verseuchtes Valsartan aus China. Da gibt's nur noch die kleinen Zuckerkügelchen exklusiv aus Deutschland, paradiesisch!
Wer also laut ein Verbot von Importarzneimitteln fordert, soll bitte erst nachdenken und mir erklären, wie dann die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln funktionieren wird.
Wann gibt es endlich wieder alle Arzneimittel made in Germany?

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Lunapharm

von Bernd Küsgens am 28.08.2018 um 18:32 Uhr

Wenn man den gesamten Vorgang werten möchte, kann man nur den Rücktritt der gesamten Regierung unter Woike verlangen. Hier wird von Politikern die Gesundheit von vielen
Menschen billigend in Kauf genommen. Ob das die Wähler gewollt haben, bezweifle ich.Aber der Ministerpräsident wird wieder eine Ausrede finden. Es zeigt sich wieder dass bestimmte Parteien unfähig sind ihrem gesetzlichen Auftrag nachzukommen.

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AW: Lunapharm

von Birgit Möllenkamp am 28.08.2018 um 21:07 Uhr

Sie meinen wohl eher, dass der Verlust der Gesundheit billigend in Kauf genommen wird!

Bescheinigung der Unfähigkeit

von Conny am 28.08.2018 um 16:32 Uhr

Das Übliche eben !

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