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Regional-Listen und Befristungen: Retaxfallen bei Medizinprodukten

Stuttgart - 17.05.2018, 16:30 Uhr

Augentropfen zum Tränenersatz sind oft als Medizinprodukte auf dem Markt. Ob die Kasse zahlt, hängt davon ab, ob sie auf der Liste des G-BA stehen. (Foto: bankoo / stock.adobe.com)

Augentropfen zum Tränenersatz sind oft als Medizinprodukte auf dem Markt. Ob die Kasse zahlt, hängt davon ab, ob sie auf der Liste des G-BA stehen. (Foto: bankoo / stock.adobe.com)


Verbandstoffe, Macrogol, Teststreifen und Inkontinenzeinlagen sind Beispiele für Medizinprodukte, mit denen man in der Apotheke zu tun hat. Die Erstattung durch die GKV ist an unterschiedlichen Stellen geregelt, zum Beispiel im SGB V oder für Medizinprodukte mit Arzneimittelcharakter in der Arzneimittel-Richtlinie. Aber damit nicht genug: Manche Regionalkassen haben zusätzlich Sonderregelungen.

Die Bandbreite von Medizinprodukten ist riesig. So gehören zum Beispiel Rollstühle und Teststreifen dazu oder Verbandmittel, aber auch Röntgengeräte und Brustimplantate sowie künstliche Tränenflüssigkeit, Laxanzien oder Spül-Lösungen. Letztere sind die sogenannten Medizinprodukte mit Arzneimittelcharakter. Im Gegensatz zu Arzneimitteln, die pharmakologisch, metabolisch oder immunologisch wirken, entfalten die Medizinprodukte ihre Wirkung vorwiegend auf physikalischem Wege. Medizinprodukte müssen auch kein Zulassungsverfahren durchlaufen, sondern ein Konformitätsbewertungsverfahren, in dem der Hersteller nachweisen muss, dass sein Produkt sicher ist und die technischen und medizinischen Leistungen auch so erfüllt, wie sie von ihm beschrieben werden. Teil dieses Verfahrens kann auch eine klinische Prüfung sein. Produkte, die dieses Verfahren erfolgreich durchlaufen haben, erkennt man an der CE-Kennzeichnung.

Beschlüsse sind nur befristet

Eigentlich sind Medizinprodukte, die keine Verband- oder Hilfsmittel sind, in der Regel nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig. Doch es gibt Ausnahmen. Dazu gehören zum Beispiel gemäß SGB V § 31 (1) Harn- und Blutteststreifen. Zudem gib es eine Positivliste, in der der G-BA  Ausnahmen unter den Medizinprodukten mit Arzneimittelcharakter festgelegt hat. Die „Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte“ findet sich in Anlage V der Arzneimittel-Richtlinie. Hier kann man sich informieren, welche Läusemittel und Macrogole auf Kassenrezept verordnet werden können.

Dabei gibt es aber noch einige zusätzliche Fallstricke zu beachten, auf die das DeutscheApothekenPortal (DAP) vor kurzem in seiner Retax-News hinwies. Da wäre zum einen die Befristung der Verordnungsfähigkeit. Sie findet sich ebenfalls in der Liste hinter jedem Produkt. Da die Updates der Apothekensoftware zum 1. und 15. eines jeden Monats erfolgen, die Ablaufdaten aber oft dazwischen liegen, ist die Software unter Umständen nicht auf dem Tagesstand. 

Regionale „Nichterstattungslisten für Medizinprodukte“ 

Dazu kommt, dass Regionalkassen – wie so häufig – eigene Regelungen haben, die von den bundesweiten Vereinbarungen abweichen. So haben zum Beispiel die Regionalkassen in Bayern (AOK, BKK, IKK, SVLFG, Knappschaft) eine eigene Liste „nicht erstattungsfähiger Medizinprodukte“. Das Recht dazu behalten sie sich in § 3 (9) des Arzneimittelversorgungsvertrages Bayern vom 01.06.2016 vor. Auf dieser Liste finden sich Medizinprodukte, die laut ABDA-Artikelstamm den Verbandstoffen oder Pflastern zugeordnet sind, aber nach Meinung der Kassen nicht zweifelsfrei in diese Kategorie fallen und daher auch nicht erstattet werden – obwohl Versicherte gemäß § 31 (1) SGB V Anspruch […] auf Versorgung mit Verbandmitteln haben.

Kein Preis = Hinweis auf die fehlende Erstattungsfähigkeit

Laut DAP sollten diese nach Auffassung der bayerischen Regionalkassen nicht erstattungsfähigen Medizinprodukte in der Software mit einem Warnhinweis versehen sein, der bei Eingabe einer der betroffenen Kassen aufpoppt. Denn bei diesen Kassen sei kein Preis hinterlegt, was als Hinweis auf die fehlende Erstattungsfähigkeit gewertet werden könne, schreibt das DAP. Die Retax-Experten vom DAP raten daher Apotheken in allen Bundesländern, wo es ähnliche „Nichterstattungslisten für Medizinprodukte“ gibt, darauf zu achten, dass diese in der Software entsprechend abgebildet werden. Falls das nicht der Fall ist, bleibt nur im Zweifel jedes Mal den Liefervertrag zu prüfen.

Für Ersatzkassen gelten bei Verbandstoffen und Medizinprodukten mit Arzneimittelcharakter und hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit bundeseinheitliche Regelungen. Was Preise und Quoten angeht, kann es aber kassenspezifische Regelungen geben. 

Für Medizinprodukte, die als Hilfsmittel klassifiziert sind, gelten eigene Hilfsmittellieferverträge. Eine Belieferung von Hilfsmitteln ist oft nur dann möglich, wenn die Apotheke dem entsprechenden Hilfsmittel-Liefervertrag beigetreten ist.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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