Beratung

Medizinprodukt oder Arzneimittel?

Wann die GKV die Kosten für Pessare erstattet

Medizinprodukte wie Pessare unterliegen anderen gesetzlichen Bestimmungen als Arzneimittel – entscheidend ist der Status des Produkts. Auch die Abrechnung zulasten der GKV läuft anders als bei den Arzneimitteln.

Wenn es um die Erstattung von Pessaren zulasten der GKV geht, die keine Arzneimittel sind, ist zunächst der Status des verordneten Produkts entscheidend. Ist es ein Hilfsmittel oder ein Medizinprodukt? Es gilt: Jedes Hilfsmittel ist ein Medizin­produkt, aber nicht jedes Medizinprodukt ist ein Hilfsmittel. Würfel-, Ring- oder Schalenpessare, die zur Behandlung von Inkontinenz eingesetzt werden, zählen beispielsweise zu den Hilfsmitteln. Ihre Abrechnung ist somit wie bei anderenHilfsmitteln separat geregelt. Bei Pessaren, die zu den Hilfsmitteln gehören, ist immer zu prüfen, ob eine Lieferberechtigung vorliegt und unter welchen Bedingungen die Abrechnung erfolgen kann (z. B. Beitritt zu einem Hilfsmittel­liefer­vertrag).

Anders sieht es bei Medizinprodukten aus, die keine Hilfsmittel und auch keine Verbandstoffe oder Harn- und Blutteststreifen sind. Diese sind grundsätzlich von der Erstattung durch die GKV ausgeschlossen. Es gibt jedoch – wie bei fast jeder Regel – Ausnahmen: So ist in § 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) geregelt, dass Medizinprodukte, die zur Anwendung am oder im mensch­lichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise und unter bestimmten Bedingungen erstattet werden. Die Details sind in §§ 27 bis 29 der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geregelt. In Anlage V der Richtlinie findet sich eine abschließende Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte: Die Mittel sind dort produktspezifisch und mit den zugehörigen Erstattungsbedingungen aufgeführt (Beispiel s. Abb.). Pessare (einschließlich Intrauterinpessare) sind in dieser Anlage jedoch nicht zu finden.

Arzneimittel vs. Medizinprodukt

Intrauterinpessare, die als Freisetzungssystem für einen Wirkstoff dienen (z. B. Levonorgestrel) und daher eine pharmakologische Hauptwirkung vermitteln, werden als Arzneimittel zugelassen und unterliegen den Erstattungsregeln für Arzneimittel.

Im Gegensatz dazu ist z. B. die Kupferspirale ein Medizinprodukt, da ihre Hauptwirkung nicht auf pharmakologischen oder immunologischen Mechanismen beruht und auch nicht durch Metabolismus erreicht wird.

Ausnahmen für Kontrazeptiva

Eine Besonderheit ist bei Intrauterinpessaren zu beachten, die zur Kontrazeption eingesetzt werden. Handelt es sich um verschreibungspflichtige Medizinprodukte, wie z. B. Kupfer­spiralen, -ketten oder -bälle, fallen sie unter den Erstattungsanspruch nach § 24a SGB V (Empfängnisverhütung). Demnach haben Versicherte bis zum vollendeten 22. Lebensjahr „Anspruch auf Versorgung mit verschreibungspflichtigen empfängnisverhütenden Mitteln“. Das 22. Lebensjahr endet am Tag vor dem 22. Geburtstag. Die Kosten werden meist auch noch übernommen, wenn die empfängnisverhütende Wirkung bis nach dem 22. Geburtstag anhält – der Zeitpunkt der Verordnung bzw. des Einsetzens oder Wechselns des Intrauterinpessars ist entscheidend. Es ist jedoch empfehlenswert, dass Arzt bzw. Patientin in solchen Fällen die Kostenübernahme vorab klären. Ab dem 22. Geburtstag ist die GKV-Erstattung von Kontrazeptiva (in ihrer Indikation zur Empfängnisverhütung) nur noch in Ausnahmefällen möglich. In einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG-Urteil vom 24. Januar 1990 – Az. 3 RK 18/88) entschieden die Richter, dass hormonelle Kontrazeptiva erstattet werden müssen, wenn sie Teil einer Krankenbehandlung sind (z. B. bei teratogenen Mitteln als Begleitmedikation zur Verhütung einer Schwangerschaft). Dies sollte auch auf Intrauterinpessare zur Kontrazeption übertragbar sein.

Bei Medizinprodukten, die nicht zur Anwendung durch Laien vorgesehen sind (z. B. Intrauterinpessare), ist grundsätzlich zu beachten, dass sie gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Medizinprodukte-Abgabeverordnung nur bei Vorlage einer ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung an Laien abgegeben werden dürfen. Die Abgabe an Fachkreise ist hingegen ohne Rezept möglich. Als Fachkreise gelten nach § 3 Nr. 17 Medizinproduktegesetz Angehörige der Heilberufe, des Heilgewerbes oder von Einrichtungen, die der Gesundheit dienen, sowie sonstige Personen, soweit sie Medizinprodukte herstellen, prüfen, in der Ausübung ihres Berufes in den Verkehr bringen, implantieren, in Betrieb nehmen, betreiben oder anwenden.

Prüfpflicht der Apotheke?

Ob die Apotheke bei verordneten Intrauterinpessaren eine Prüfpflicht der Erstattungsfähigkeit hat, ist im jeweiligen Arzneimittelliefervertrag nachzulesen. Bei Ersatzkassen ist z. B. eine Prüfpflicht vorgesehen, wenn Produkte nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 des vdek-Arzneiversorgungsvertrags (nicht apothekenpflichtige Arzneimittel, Verbandmittel, Medizinprodukte und sonstige apothekenübliche Waren mit Ausnahme von Hilfsmitteln) verordnet sind, die nicht ausdrücklich in den Anlagen zum Vertrag aufgeführt sind. Intrauterin­pessare sind in Anlage 2 des Vertrags (ebenso wie Medizinprodukte nach Anlage V AM-RL) genannt, sodass sich keine Prüfpflicht für die Apotheke ergibt. Dennoch ist zu empfehlen, in Zweifelsfällen mit dem Arzt zu sprechen, um ihn ggf. vor einem Regress zu bewahren. Andere regionale Arzneilieferverträge der Primärkassen können abweichende Regelungen enthalten.

Eine Hilfe bei der Beurteilung der Abgabefähigkeit von Arzneimitteln und Medizinprodukten, die keine Hilfsmittel, Verbandstoffe oder Harn- und Blutteststreifen sind, ist die Apothekensoftware. Produkte, die nicht zulasten der GKV abgabefähig sind, müssen im Preis- und Produktverzeichnis entsprechend gekennzeichnet sein.

Foto: DAP

Abb.: Beispiel für ein Medizinprodukt in Anlage V der Arzneimittel-Richtlinie, aus der DAP-Datenbank „Verordnungsfähige Medizinprodukte“, www.deutsches­apothekenportal.de/rezept-retax/verord-medizinprodukte/

Preisberechnung bei Medizinprodukten

Wie sich der Preis von Medizinprodukten, die keine Hilfsmittel sind, bei der Abgabe zulasten einer gesetz­lichen Krankenkasse berechnet, ist in der Regel ebenfalls in den Arzneilieferverträgen geregelt. So ist für Ersatzkassen beispielsweise folgende Berechnung für Medizinprodukte nach Anlage V der Arzneimittel-Richtlinie und Intrauterinpessare festgelegt: „Anwendung der Arzneimittelpreisverordnung in der am 31.12.2003 gültigen Fassung pro Packung, jedoch nicht mehr als 10,79 Euro Zuschlag ab einem Apothekeneinkaufspreis von 35,95 Euro.“ (vgl. Anlage 2 zum Arzneiversorgungsvertrag zwischen vdek und DAV e. V.).

Fazit

Bei der Erstattungsfrage ist es wichtig, sich den Status eines Pessars anzuschauen. Je nachdem, ob es sich um ein Hilfsmittel oder ein Medizinprodukt handelt, sind unterschiedliche Regelungen zu beachten. Darüber hinaus ist es wichtig, an die Besonderheiten im Hinblick auf die Empfängnisverhütung zu denken. |

Apothekerin Juliane Brüggen, DAP Networks GmbH

Bei der Rezeptbelieferung sind unzählige Vorschriften zu beachten, sonst droht eine Retaxation. Das DeutscheApothekenPortal (DAP) bietet rund um Arzneimittelabgabe und Retaxprobleme Rat und Hilfe an: www.deutschesapothekenportal.de

Sind Sie von einer Retaxation betroffen oder haben Sie Fragen zur Rezeptbelieferung? Schicken Sie ­Ihren Fall an abgabeprobleme@deutschesapothekenportal.de

Das könnte Sie auch interessieren

Streit um die Kostenerstattung eines Verbandstoffs

Medizinprodukt ist nicht gleich Medizinprodukt

Retax wegen nicht angezeigter Preisvereinbarung

Haftung für verspätete Daten?

DAZ Fresh-Up: Hilfsmittel und Medizinprodukte

Medizinprodukte auf GKV-Rezept – was wird wann erstattet?

Kassen retaxieren immer wieder Wundmittel – ohne Grundlage

Vorsicht bei Verbandstoffen

Was bei Rezepten für Kinder zu beachten ist

Alter, Mehrkosten und Apothekenpflicht

Augen auf bei nicht apothekenpflichtigen Arzneimitteln

Retax eines Kinderrezeptes

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.