Entdeckung von Lysergsäurediethylamid

75 Jahre LSD: Rausch und Horror inklusive

Berlin - 16.04.2018, 07:00 Uhr

Chemiker Dr. Albert Hofmann  hat LSD per Zufall entdeckt. (Foto: designer491/ stock.adobe.com)                                      

Chemiker Dr. Albert Hofmann  hat LSD per Zufall entdeckt. (Foto: designer491/ stock.adobe.com)                                      


Ein Rausch per Zufall führte vor 75 Jahren zur Entdeckung eines der stärksten bekannten Halluzinogene: LSD. Entdecker Albert Hofmann durchlebte einen Spagat zwischen Bewusstseinserweiterung und Horrortrip. Von Sandoz als Psychopharmakon auf den Markt gebracht, wurde LSD ab Ende der 60er Jahre schrittweise verboten: Die Historie eines umstrittenen Stoffes.     

Am 16. April 2018 feiert LSD seinen 75. Geburtstag. Ein Geburtstag, den es nicht geben würde ohne die zufällige Entdeckung durch den Chemiker Dr. Albert Hofmann (1906-2008). „Das LSD ist zu mir gekommen. Ich habe es nicht gesucht.“ So beschrieb Hofmann im Jahre 2006 anlässlich seines 100. Geburtstages (siehe Video) die Entdeckung der halluzinogenen Wirkung des D-Lysergsäurediethylamids (LSD). Den ersten, noch völlig unfreiwilligen, Kontakt mit LSD beschrieb er als „wunderbares Erlebnis“. Doch so harmlos und angenehm sollte es nicht bleiben. Die negativen Auswirkungen dieses starken Psychohalluzinogens konnten nicht übersehen werden.

Dennoch empfand der Schweizer Albert Hofmann LSD bis zu seinem Lebensende als eine Substanz, deren bewusstseinserweiternde Wirkung bei kontrollierter Einnahme positiv genutzt werden könne. Umso weniger konnte er dessen schrittweises Totalverbot ab Ende der 60er Jahre nachvollziehen. Hofmann bedauerte dementsprechend in seinem Buch „LSD – mein Sorgenkind“ , dass die Droge durch Missbrauch einen schlechten Ruf erhalten habe. Doch wie kam es zu diesem ersten Zufallsrausch durch LSD? Und wie ging es weiter?

Ungewollter Rausch führt zur Entdeckung von LSD

Am 16. April 1943 arbeitete Albert Hofmann im Laboratorium des Sandoz-Werkes in Basel. Er tat dies allerdings nicht ganz so vorsichtig, wie er es normalerweise im Umgang mit Mutterkornalkaloiden immer gemacht hatte. So zumindest erklärte sich Hofmann im Nachhinein eine plötzlich aufgetretene Veränderung seiner Wahrnehmung und seines Befindens. Der Chemiker hatte an diesem Tag LSD-Lösung umkristallisiert und war während dieses Vorgangs vermutlich mit der Lösung in Berührung gekommen. Spuren des Wirkstoffes wurden durch diesen versehentlichen Kontakt resorbiert. Auf welchem Wege der Stoff genau aufgenommen wurde, ließ sich allerdings nicht abschließend klären. 

Hofmann musste, bedingt durch die einsetzende psychoaktive Wirkung, seine Arbeit unterbrechen und nach Hause fahren. Dort verfiel er in einen rauschartigen Zustand. Hofmann beschrieb anschließend diesen Zustand als „nicht unangenehm“. Der Geist sei äußerst angeregt gewesen, mit fantastischen Bildern in einem intensiven, kaleidoskopartigen Farbenspiel.

Neues Kreislaufmittel gesucht – Psychostimulanz gefunden

Albert Hofmann hatte diese psychostimulierenden Wirkungen nicht vorhergesehen.  Allerdings führte der unfreiwillige Selbstversuch zu der Erkenntnis, dass Lysergsäurediethylamid eine starke psychoaktive Substanz sein müsse. Hofmann hatte im Vorfeld auch gar nicht nach einer entsprechenden Eigenschaft gesucht. Vorangegangen war vielmehr die Suche nach einem neuen Kreislaufmedikament, das Hofmann im Auftrag der Firma Sandoz entwickeln sollte.

Schon in den 30er Jahren hatte Hofmann mit der Forschung an Mutterkornalkaloid-Verbindungen begonnen. Die bereits durch amerikanische Forscher gelungene Isolierung der Lysergsäure, der Grundstruktur der Mutterkornalkaloide, nahm Hofmann zum Anlass, eine Versuchsreihe mit Lysergsäure aufzusetzen. So versetzte er die Säure mit unterschiedlichen Chemikalien, um verschiedene Seitenstrukturen anzubringen. Im Versuchsansatz Nr. 25 entstand schließlich das synthetische Lysergsäurediethylamid – auch als LSD-25 bezeichnet.

Inspiriert wurde Hofmann nach eigenen Angaben durch das Sandoz-Präparat Coramin® mit dem Wirkstoff Nicotinsäurediethylamid, das über kreislaufstimulierende Wirkungen verfügt. Lysergsäurediethylamid zeigte allerdings die erhofften Kreislaufwirkungen nicht. Damals durchgeführte Tierversuche konnten den erwarteten Einfluss auf den Kreislauf nicht bestätigen. Lediglich eine schwache kontraktierende Wirkung am Uterus der Tiere und eine erhöhte Unruhe unter Narkose wurden beobachtet.

Die unerwartete Karriere des Lysergsäurediethylamids

Die Forschung mit LSD wurde nach diesen negativen Ergebnissen eingestellt. Das wäre normalerweise das Ende des Lysergsäurediethylamids hinsichtlich einer potentiellen medizinischen Nutzung gewesen. Ganze fünf Jahre lagen die Ergebnisse dann auch in der Schublade. Doch 1943 begann sich Albert Hofmann – seinem Bauchgefühl folgend – erneut mit der Substanz zu beschäftigen. Beim Umkristallisieren einer LSD-Lösung kam der bereits beschriebene Zufall ins Spiel. Der anschließende Rausch führte in der Folge zu einer Reihe geplanter Selbstversuche, um die psychoaktive Wirkung von LSD gesichert nachweisen zu können.

Wenige Tage nach dem ersten unfreiwilligen Rausch nahm Hofmann die – wie er damals meinte – kleinste Dosis von LSD ein, von der noch eine Wirkung erwartet werden konnte. Was er danach erlebte, beschrieb er anschließend als einen wahren „Horrortrip“. Die beim ersten Mal noch angenehmen Rauschzustände wandelten sich in bedrohliche Wahrnehmungsverschiebungen. Die Möbel empfand er als grotesk verzerrt. Die zur Hilfe geeilte Nachbarin erschien ihm als „eine bösartige, heimtückische Hexe mit einer farbigen Fratze“. Der LSD-Horrortrip dauerte einige Stunden an und wich anschließend einem Gefühl, dass von Hofmann als „Glück und Dankbarkeit“ beschrieben wurde. Im Nachhinein stellte sich heraus, LSD war bei diesem Versuch in einer fünfmal höheren Dosis als die mittlere wirksame Dosis angewandt worden.  

LSD – „Wundermittel“ der Psychotherapie

Die bewusstseinserweiternden Wirkungen, die Albert Hofmann bei seinen Selbstversuchen feststellen konnte, würden heutzutage als psychedelische Zustände bezeichnet werden. Psychedelische Drogen rufen eine Veränderung der Wahrnehmung und eine Intensivierung des eigenen Erlebens hervor. Die Firma Sandoz veranlasste nach ersten erfolgreichen Versuchsreihen die Entwicklung eines marktfähigen Medikamentes.

Es wurden klinische Voruntersuchungen mit Freiwilligen – unter anderem mit Hofmann selbst – durchgeführt. Diese Testreihen beschrieb Hofmann im Anschluss als „sehr unangenehm“. Er mutmaßte, dass die klinische Umgebung des Labors Schuld an den negativen Empfindungen gewesen sei. In seinem häuslichen Umfeld ausgeführte Versuche führten hingegen zu „sehr schönen Erlebnissen“. 

1949 war es dann soweit: Die Firma Sandoz brachte LSD unter dem Namen Delysid® auf den Markt. Das Präparat war zum Einsatz in der Psychotherapie von Alkoholikern und schwer traumatisierter Patienten vorgesehen. Zudem wurde es auch als Stimmungsaufheller bei Schizophrenie-Patienten verwandt. „Die ersten zehn Jahre war es wirklich ein Wunderkind. Es wurde eingesetzt an Patienten, die nicht ansprechbar waren. Die blockiert waren – und das LSD hat sie dann gelöst“, begeisterte sich Hofmann über den damaligen Einsatz von LSD in der Psychotherapie. Bis zum Jahre 1966 befand sich Delysid® auf dem Markt.

LSD – Liebling der Flower-Power-Bewegung

Albert Hofmann hatte eine klare Meinung zum LSD-Gebrauch der Jugendbewegung der Flower-Power-Szene der 60er Jahre: „LSD war einerseits ein Segen für viele junge Leute. Andererseits hat man es nicht vorsichtig genug genommen.“ Für die jungen Menschen, die damals das LSD für sich entdeckt hatten, war es eine Art von Protest gegen das Establishment. Es wurde als Flucht vor der Konformität der Gesellschaft genutzt – für freie Liebe, freie Musik und freie Drogen. Sie wollten das genaue Gegenteil der normalen angepassten Gesellschaft sein. LSD stellte aufgrund seiner psychedelischen Eigenschaften eine Möglichkeit dar, sich zu „befreien“.

Der freie Zugang zu Drogen wie LSD wurde nicht nur von jungen Hippies gefordert. Auch die LSD-Szene hatte ihre „Gurus“ wie den Harvard-Professor für Psychologie Timothy Leary, der einige Berühmtheit mit der Forderung nach Freigabe bewusstseinsverändernder Drogen erlangte. Was ihm 1963 allerdings auch den Job an der Harvard-Universität kostete. Auch in der Musik-Szene wurde LSD und seine rauschartigen Zustände gefeiert: So soll „Lucy in the Sky with Diamonds“ schon im Namen eine Anspielung auf LSD enthalten – was die Beatles allerdings dementierten.  

Verbot – und missbräuchliche Anwendung und neues akademisches Interesse

Trotz der Beliebtheit von LSD in den 60er Jahren blieben Probleme durch die Einnahme nicht aus. Es wurden teilweise erhebliche Nebenwirkungen beobachtet, sei es aufgrund falscher Dosierung oder der Eigenschaft von psychedelischen Drogen, in ihren Auswirkungen schlecht kontrollierbar zu sein. Die Menschen erlebten Panikattacken, sog. „Horrortrips“, die teilweise so schwerwiegend waren, dass ein medizinisches Eingreifen erforderlich wurde. LSD macht zwar nicht körperlich abhängig, die teilweise starken Nebenwirkungen und die Möglichkeit einer psychischen Abhängigkeit führten dazu, dass LSD 1966 zunächst in den USA und in den darauffolgenden Jahren auch weltweit verboten wurde.

 

In den 80er Jahren tauchte LSD wieder vermehrt auf und wurde von der Technoszene wiederentdeckt. LSD wird als orale Droge u.a. in Form von präparierten Papierstückchen angeboten. Diese werden auf die Zunge gelegt und anschließend gelutscht. Die Substanz kann außerdem in Form von Lösungen, als Tabletten oder Kapseln eingenommen werden. Bedingt durch die Illegalität ist die Droge nur auf dem „Schwarzmarkt“ erhältlich. Die angebotenen LSD-Verabreichungen sind oft von minderer Qualität und die genaue Dosierung unbekannt. Entsprechende Gefahren existieren für die Konsumenten.  

Akademisches Interesse wächst wieder

In jüngster Zeit ist das akademische Interesse an LSD wieder gewachsen. So untersuchte der Schweizer Psychiater Dr. Peter Gasser mit einer behördlichen Ausnahmegenehmigung, wie LSD Patienten mit Krebs und anderen tödlichen Krankheiten helfen kann. Als Ergebnis der qualitativen Studie wurden eine Verminderung der Angstzustände bei rund 78 Prozent der Patienten und eine Zunahme der Lebensqualität bei rund 67 Prozent der Patienten beobachtet.

Die Schlussfolgerungen waren, dass LSD, in einem medizinisch überwachten psychotherapeutischen Setting verabreicht, sicher angewendet werden könne und die Patienten entsprechende Vorteile aus der Verabreichung ziehen können. Einschränkend wurde festgestellt, dass weitergehende Studien zu den therapeutischen Effekten von LSD erforderlich seien. Es scheint, dass die Geschichte von LSD auch nach 75 Jahren noch nicht zu Ende geschrieben ist.



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.