Antikörper zur Migräne-Prophylaxe

Fremanezumab bessert chronische Migräne

Stuttgart - 12.12.2017, 12:30 Uhr

Antikörper zur Migräne-Prophylaxe neutralisieren CGRP. Die Pipeline wartet mit Fremanezumab und Erenumumab auf. (Foto: lassedesignen /stock.adobe.com)

Antikörper zur Migräne-Prophylaxe neutralisieren CGRP. Die Pipeline wartet mit Fremanezumab und Erenumumab auf. (Foto: lassedesignen /stock.adobe.com)


Fremanezumab wirkt in der Prophylaxe der chronischen Migräne. Der CGRP-Antikörper von Teva überzeugte in einer Phase-III-Studie als monatliche oder vierteljährliche subkutane Gabe. Die Ergebnisse hat das New England Journal of Medicine vorgestellt. Auch Novartis forscht an CGRP-Antikörpern in der prophylaktischen Behandlung der Migräne.

Calcitonin Gene Related Peptide (CGRP) – auf dieses Target richten forschende Pharmaunternehmen wie Teva und Novartis aktuell ihren Fokus für Arzneimittel zur Prophylaxe der Migräne. Das New England Journal of Medicine (NEJM) hat nun Ergebnisse des CGRP-Antikörpers Fremanezumab vorgestellt. In einer Phase-III-Studie reduzierte Fremanezumab die Anzahl an Migräne-Tagen bei Patienten, die unter chronischer Migräne leiden. 

Von einer chronischen Migräne sprechen Fachkreise, wenn der Patient an mindestens 15 Tagen pro Monat an Kopfschmerzen leidet, davon mindestens acht migräneartig, und wenn dies über einen Zeitraum von drei Monaten andauert. Mit täglichen oder fast täglichen Migräne-Attacken schränkt eine chronische Migräne die Lebensqualität der Patienten stark ein. Auch wenn es Arzneimittel zur Migräne-Prävention gibt, beschreiben die Wissenschaftler der aktuellen im NEJM veröffentlichen Studie diese derzeit verfügbaren Optionen als ineffektiv – sei es aus Gründen der Non-Adhärenz, aufgrund von Nebenwirkungen oder dass diese Therapien in der klinischen Praxis zu selten eingesetzt würden.

Migräne-Prophylaxe

Die Leitlinien zur Migräne überarbeiten die Experten aktuell. Die bis September 2017 gültige Version nennt als Mittel der Wahl in der Prophylaxe Betablocker (Propranolol, Metoprolol), Calciumantagonisten (Flunarizin) und Antikonvulsiva (Valproinsäure, Topiramat). In der Prophylaxe der chronischen Migräne findet neben Topiramat auch Botulinum-Toxin Anwendung.

Die durchschnittlichen Kopfschmerztage

Die Studie untersuchte an 1130 Patienten die Wirksamkeit einer monatlichen und einer vierteljährlichen Gabe von Fremanezumab im Vergleich zu Placebo. Die Patienten litten zu Beginn der Studie durchschnittlich an 13,2 Tagen pro Monat an Migräne (monatliche Fremanezumab-Gabe), an 12,8 Tagen in der Gruppe mit der vierteljährlichen Fremanezumab-Gabe und in der Placebogruppe an 13,3 Migränetagen im Monat.

Wie wirkt Fremanezumab?

Fremanezumab richtet sich als monoklonaler Antikörper gegen Calcitonin Gene Related Peptide (CGRP). CGRP spielt im pathophysiologischen Geschehen der Migräne eine maßgebliche Rolle. Als proinflammatorisches Neuropeptid wirkt Calcitonin Gene Related Peptide stark gefäßerweiternd und ist zentral an der Schmerzauslösung sowie der neurogenen Entzündung beteiligt. Patienten weisen während akuter Migräneattacken erhöhte CGRP-Spiegel auf. Wissenschaftler schreiben CGRP hier eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung des Migräne-Schmerzes zu. Die CGRP-These wird dadurch erhärtet, dass Injektionen des Neuropeptids bei Migränikern Anfälle auslösen können.

Die Patienten unter vierteljährlicher Fremanzumab-Therapie erhielten initial 675 mg des Antikörpers (subkutan), gefolgt von Placebogaben nach vier und acht Wochen. Migränepatienten, die zur monatlichen Therapiegruppe gehörten, therapierten die Ärzte mit einer Startdosis von ebenfalls 675 mg Fremanezumab. In den Wochen vier und acht wurde die Dosis auf je 225 mg reduziert. Der primäre Studienendpunkt war definiert als Verringerung der durchschnittlichen Kopfschmerztage. Ein „Kopfschmerztag" lag dann vor, wenn die Patienten länger als vier Stunden Beschwerden hatten oder Migräne-spezifische Arzneimittel benötigten.

Weniger Migränetage unter Fremanezumab

Am stärksten konnte Fremanezumab in der monatlichen Gabe die Zahl der Migräne-Attacken reduzieren: Die Patienten litten durchschnittlich 4,6 Tagen weniger an Migräne; bei 41 Prozent der Behandelten gelang Fremanezumab die Halbierung der Kopfschmerztage. Die vierteljährliche Intervention verbesserte die monatlichen Migränetage um immerhin 4,3 Tage; und 38 Prozent der Patienten reduzierten hier ihre Kopfschmerztage um die Hälfte – während die Placebogruppe an 2,5 Tagen im Monat weniger an Migräne litt. Auch ohne Wirkstoff gelang es, auch in dieser Gruppe bei 18 Prozent der Patienten, die Kopfschmerztage zu halbieren.

30 Prozent der Probanden nahmen bis zwei Monate vor Studienbeginn eine feste Migräne-Prophylaxe ein. 

Welche Nebenwirkungen verursacht Fremanezumab?

20 Patienten brachen die Behandlung aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen ab, wobei je zwei Prozent davon aus der Placebogruppe und der monatlichen Fremanezumab-Gruppe waren, und nur ein Prozent zur vierteljährlichen Fremanezumab-Gruppe gehörte. Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Reaktionen an der Injektionsstelle mit Schmerzen und Erythemen, die bei Fremanezumab-Patienten häufiger berichtet wurden.

Schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten unter Placebo häufiger auf als in den Verumgruppen. Allerdings verstarb ein Patient der Fremanezumab-vierteljährlich-Gruppe, wobei sein Tod aber auf eine bereits bestehende COPD-Erkrankung zurückgeführt wurde. Weitere Nebenwirkungen betrafen die Leberfunktion, die bei einem Prozent der Fremanezumab-Patienten und bei weniger als einem Prozent der mit Placebo behandelten Patienten auftraten.

Wie weit ist die Zulassung von Fremanezumab?

Teva hat in den Vereinigten Staaten die Zulassung von Fremanezumab bereits beantragt. Im Oktober 2017 reichte Teva die Unterlagen bei der FDA ein. Teva plant den Einsatz des Antikörpers in der Prophylaxe bei Patienten mit chronischer oder episodischer Migräne; und so untersuchten die Studien zu Fremanezumab die Wirksamkeit des CGRP-Antikörpers in der Prävention in beiden Indikationen, sowohl der episodischen Migräne als auch der chronischen Migräne. In Europa hat der pharmazeutische Unternehmer noch keine Schritte zur Zulassung eingeleitet.

Nicht nur Teva forscht an neuen Therapieoptionen für Migränepatienten. Auch Novartis richtet seinen Fokus bei Migräne derzeit auf die Prophylaxe und hier – ebenso wie Teva – auf CGRP.

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Der CGRP-Antikörper aus dem Hause Novartis ist bereits einen Schritt weiter als Fremanezumab. Sowohl EMA als auch FDA haben die Zulassungsanträge von Novartis für Erenumab in der Prävention von Migräne bereits akzeptiert und prüfen diese derzeit. Wie es bislang aussieht, wird Novartis also das Rennen um den ersten Antikörper in der Migräne-Prophylaxe gewinnen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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