DAZ.online-Wahlcheck (Teil 6)

Was sagen die Parteien zu Lieferengpässen in Apotheken?

Berlin - 22.09.2017, 07:00 Uhr

(Foto: dpa)

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Die Großhändler geben den Herstellern die Schuld, die Apotheker den Rabattverträgen und die Hersteller zeigen auf die Großhändler und Apotheker. Wer die zunehmenden Arzneimittel-Lieferengpässe hauptsächlich verursacht, wird sich wohl niemals klären lassen. Aber was unternimmt die Politik in der nächsten Legislaturperiode? Teil 6 des DAZ.online-Wahlchecks dreht sich um Versorgungsengpässe.

Wichtig ist, Engpässe in der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu verhindern. Mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) haben die zuständigen Bundesoberbehörden deshalb die Möglichkeit erhalten, von den Herstellern Informationen zu Absatzmenge und Verschreibungsvolumen des betroffenen Arzneimittels zu fordern. Außerdem müssen pharmazeutische Unternehmer Krankenhäuser künftig über Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln informieren. In den Bereichen, in denen es zu Lieferengpässen kommen könnte, setzen sich CDU und CSU für eine Zusammenarbeit mit mehreren Unternehmen ein, etwa bei der Impfstoffversorgung. Mehrere Engpässe haben dazu geführt, dass seit einigen Wochen keine Exklusivverträge mehr vorgesehen sind.

SPD

Mit der Änderung in § 73 Absatz 3 Satz 1 AMG im Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz haben wir die Versorgung von Patientinnen und Patienten eines Krankenhauses im Falle eines Lieferengpasses eines benötigten Arzneimittels verbessert. Es wird für Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken die Möglichkeit einer vorübergehenden begrenzten Vorratsbestellung von Importarzneimitteln geschaffen, um im Bedarfsfall eine Akutversorgung der dort behandelten Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Außerdem haben wir pharmazeutische Hersteller verpflichtet, Krankenhäuser über Lieferengpässe umgehend zu informieren. Wir werden aber die Entwicklung bei den Lieferengpässen aufmerksam verfolgen und falls nötig weitere Maßnahmen ergreifen.

Die Linken und die Grünen

Lieferengpässe können viele Ursachen haben. Einige Ursachen, etwa bei Rabattverträgen, können leicht behoben werden, indem Rabattverträge abgeschafft werden. Bei patentgeschützten Präparaten sind sowohl Ursachen als auch mögliche Gegenmaßnahmen komplexer. In jedem Fall ist eine Melde- und Begründungspflicht für die Hersteller sinnvoll. Eine ausreichende Lagerhaltung kann zumindest kurzzeitigen Engpässen vorbeugen. Häufig beruhen Lieferengpässe auf der fortschreitenden Zentralisierung der Liefer- und Herstellungskapazitäten. Wenn Wirkstoffe weltweit an nur einem Standort hergestellt werden, ist der Prozess fehleranfällig. Die Hersteller haben in Deutschland einen gesetzlichen Sicherstellungsauftrag. Dieser kann nach unserer Ansicht rechtfertigen, dass die Hersteller eine ausreichend sichere Herstellungs- und Lieferkette nachweisen müssen. Das wäre in jedem Fall an die Zulassung zu koppeln und kann nur europäisch geregelt werden.

Ein weiteres Ärgernis sind Kontingent-Arzneimittel, die nur in begrenzter Zahl vom Hersteller an den Großhandel geliefert werden. Ursachen sind dafür unter anderem Exporte, die aus der regulären Lieferkette entnommen werden und zu Lieferengpässen führen. Zudem wollen Hersteller den Direktvertrieb fördern. Hier muss dringend aufgeklärt werden, wo die Arzneimittel, die angeblich bedarfsdeckend an den Großhandel gehen, aus der Lieferkette verschwinden und gegebenenfalls gesetzgeberisch gegengesteuert werden.

Grüne

Unser Ziel ist eine bedarfsgerechte Arzneimittelversorgung der Bürgerinnen und Bürger. Die Lieferengpässe dürfen vor diesem Hintergrund nicht hingenommen werden. Da die Ursachen für diese Engpässe vielfältig sind, bedarf es unterschiedlicher Lösungen. Ein wichtiges Instrument scheint uns zum Beispiel zu sein, die Rabattverträge dahingehend zu ändern, dass mehrere Anbieter einbezogen werden.

FDP und AfD

Der Wettbewerb bei Arzneimitteln sollte nicht alleine auf den Preis, sondern auch auf die Qualität der Versorgung ausgerichtet werden. Insofern wäre zu überlegen, das Instrument der Arzneimittel-Rabattverträge durch Berücksichtigung zusätzlicher Aspekte wie zum Beispiel der Versorgungssicherheit und durch transparentere Verfahren weiterzuentwickeln. Hierdurch würde auch die Sicherheit bei der Lieferkette gestärkt werden.

Die AfD hat auf die Fragen der Deutschen Apotheker Zeitung nicht geantwortet.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Lieferengpässe

von Nachdenker am 23.09.2017 um 7:13 Uhr

Lieferengpässe haben sich ausgweitet, seit die Produktion von Arzneimitteln ins Ausland verlegt wurde. Ich beobachte das seit Jahren. Als noch in D produziert wurde, gab es diese Enpässe in dieser Form noch nicht. Egal, ob ich - wie gestern Riemser - Glaxo, Pfizer etc. anrufe - man wieß nicht, wann das Medikament X wieder zur Verfügung steht. Geht´s noch? Die scheffeln Milliarden und wir Apotheker in der Offizin sind die Deppen und müssen den Frust der Patienten aushalten. Pangrol 40.000 wird derzeit kontigentiert, Vierfach Impfstoff mit Polio war EIN Jahr und mehr nicht lieferbar... Warum wird nicht kommuniziert, WARUM kein Polio Impfstoff zur Verfügung steht? Wenn es wirklich so ist, dass Flüchtlinge gegen Polio geimpft werden müssen, dann erklärt das bitte schön den Patienten und überlaßt es nicht dem Offizinapotheker, der eh der Sündenbock der Nation ist.

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