Krebstherapie

Bundesregierung erhielt bislang keinen Antrag zu Methadon-Forschung

Stuttgart - 29.08.2017, 13:30 Uhr

Beim BMBF ist seit 2013 kein Antrag zur Erforschung von Methadon als Krebsmittel gestellt worden. (Foto: picture alliance / Bildagentur-online) 

Beim BMBF ist seit 2013 kein Antrag zur Erforschung von Methadon als Krebsmittel gestellt worden. (Foto: picture alliance / Bildagentur-online) 


Zwar gibt es bislang keine kontrollierten Studien zum Einsatz von Methadon in der Tumorbehandlung, doch schürten Medienberichte bei Patienten Hoffnungen, dass es sich um einen vielversprechenden Ansatz handeln könnte. Die Linke-Fraktion stellte daher kürzlich eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zum Thema. Sie wollte unter anderem wissen, warum die Regierung die Erforschung von Methadon nicht stärker unterstützt.

Nach Medienberichten der Tagesschau, des ARD-Magazins „PlusMinus“ oder von „Stern TV“ ist der Einsatz von Methadon in der Tumorbehandlung inzwischen für viele Patienten wie auch Apotheker ein Thema. Obwohl bislang nur Versuche an Zellkulturen und Tiermodellen durchgeführt wurden und kontrollierte klinische Versuche fehlen, setzen viele Krebspatienten Hoffnungen auf das Mittel, was bislang zur Drogensubstitutionstherapie und in der enantiomerenreinen Variante zur Schmerztherapie zugelassen ist. Viele Fachverbände warnen aufgrund fehlender klinischer Daten sowie möglicher Nebenwirkungen vor einem unkritischen Einsatz von Methadon.

Auf Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag musste sich jetzt auch die Bundesregierung ausführlich mit dem Thema beschäftigen. Unterdrückt etwa die Pharmaindustrie ein günstiges wirksames Krebsmittel, indem sie Onkologen finanziell unterstützt, die über ihre Fachgesellschaften vor dem Einsatz von Methadon warnen? Und warum unterstützt die Regierung die Erforschung von Wirkstoffen nicht stärker, die bereits lange bekannt sind? 

BMG: Wirkung am Menschen nicht in Studien bestätigt

Aus Presseberichten sowie wissenschaftlichen Veröffentlichungen sei der Bundesregierung der diskutierte Einsatz von Methadon in der Krebstherapie bekannt, erklärt das Bundesgesundheitsministerium in der Antwort auf die Linken-Anfrage. Doch die vorliegenden Daten seien noch ungenügend, erklärt die Regierung. „Die Annahme zur positiven Wirkung von Methadon in der Krebsbehandlung wurde bisher noch nicht nach geltenden wissenschaftlichen Prinzipien in Untersuchungen am Menschen bestätigt, sondern bezieht sich auf Erkenntnisse präklinischer Forschung“, betont sie. „Ergebnisse aus präklinischen Experimenten (Zellkulturen, Tierversuche) lassen sich oft nicht bei der klinischen Testung am Menschen bestätigen.“

Derzeit keine Gelder für die Methadonforschung

Auf die Frage, inwiefern die Bundesregierung Gelder zur Erforschung von Methadon als Krebsmittel zur Verfügung stellt, schreibt sie, dass dies zurzeit nicht der Fall sei. Doch offenbar haben sich bislang keine Forscher um Unterstützung beworben. Im Rahmen der BMBF-Fördermaßnahme „Klinische Studien mit hoher Relevanz für die Patientenversorgung“ sei seit 2013 kein Antrag zur Erforschung von Methadon als Krebsmittel gestellt worden, erklärt die Regierung. Die Ausschreibungen des Bundesforschungsministeriums wie auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft seien themenoffen, so dass hier auch Gelder zur Untersuchung von Methadon hätten beantragt werden können. 

„Speziell für die Krebsforschung stellt die Bundesregierung in diesem Jahr insgesamt weit über 200 Millionen Euro bereit, vorwiegend im Bereich der institutionellen Förderung“, schreibt die Regierung – so zur Förderung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg sowie des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK). In den letzten vier Jahren seien außerdem sechs klinische Studien zu Krebsmitteln mit gut 14 Millionen Euro und sieben Systematische Übersichtsarbeiten mit knapp 800.000 Euro gefördert worden. 

„Vor allem Studien von geringem wirtschaftlichem Interesse“

„Gefördert werden in dieser Förderinitiative insbesondere solche klinischen Studien, an deren Ergebnissen Unternehmen der Wirtschaft kein unmittelbares wirtschaftliches Interesse haben“, betont die Bundesregierung. Darüber hinaus würden auch das DKFZ sowie das DKTK entsprechende Forschung durchführen.

„Den pharmazeutischen Unternehmen steht die Ausrichtung ihrer Forschung frei“, erklärt die Bundesregierung auf die Frage, ob ihr Fälle bekannt seien, in denen die Forschung durch die Industrie zu sehr an „Profitmöglichkeiten“ und zu wenig am Patienteninteresse ausgerichtet waren. Es sei die Entscheidung der Firmen, welche klinische Prüfungen sie beantragen und durchführen.

Nicht nur die Industrie initiiert laut BMG Forschung

Vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass der ärztliche Direktor der Neuroonkologie am Universitätsklinikum Heidelberg, Wolfgang Wick, mit der Neuroonkologischen Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Krebsgesellschaft einen Antrag zur Finanzierung einer klinischen Studie zu Methadon bei Glioblastomen bei der Deutschen Krebshilfe eingereicht hat. Auch dies sieht die Bundesregierung als „Hinweis“ darauf, dass nicht allein die forschende pharmazeutische Industrie klinische Prüfungen initiiert und durchführt. Wick war aufgrund von Interessenskonflikten durch Verbindungen zur Pharmaindustrie in Medienberichten kritisiert worden.

Die Antworten der Bundesregierungen zeigen nach Ansicht der gesundheitspolitischen Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler, dass es „so gut wie gar keine unabhängige Forschung“ zu Methadon in der Krebsbehandlung gibt. Sie kritisiert gegenüber DAZ.online, dass hingegen 13 andere Projekte zu onkologischen Wirkstoffen in den letzten Jahren mit 15 Millionen Euro unterstützt wurden – wobei zu Methadon nach Angabe der Bundesregierung überhaupt kein Förderantrag eingereicht wurde, so dass die fehlende Förderung von Methadon auch kaum verwunderlich ist. 

Vogler: Forscher hängen am Tropf der Pharmakonzerne

Aufgrund der Erstattungspreise von 165 Euro bis 4700 Euro der zehn Arzneimittel, für die der Gemeinsame Bundesausschuss zuletzt einen Zusatznutzen im Vergleich zur Standardtherapie festgestellt hat, sei es „aus Sicht der Hersteller und auch mancher Forscher, die am Tropf der Pharmakonzerne hängen, fast schon verständlich, dass Erkenntnisse zu Methadon als Wirkverstärker nicht gesucht werden“, erklärt Vogler. Durch den Einsatz von Methadon, der im Quartal nur einen zweistelligen Betrag kostet, könnten womöglich wiederholte Chemotherapien „für Tausende Euros“ pro Patient eingespart werden, erklärt Vogler – obwohl es hierzu bislang keine belastbaren Daten gibt.

Sie verspricht sich anscheinend, dass Methadon die Gesundheitsausgaben senken könnte. „Die Ausgaben der Krankenkassen für onkologische Arzneimittel haben sich nach Auskunft der Bundesregierung in Deutschland in den letzten Jahren um 5,8 bzw. 6,8 Prozent erhöht“, erklärt die Linken-Politikerin. „Diese Kostenexplosion insbesondere bei Krebstherapien muss dringend aufgehalten werden, damit die Versichertengemeinschaft nicht ausblutet.“ 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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