Johann-Magnus von Stackelberg (GKV-Spitzenverband) im Interview

Inhabergeführte Apotheke oder Kette? „Das ist nachrangig!“

Berlin - 25.08.2017, 07:00 Uhr

Johann-Magnus von Stackelberg, Vize-Chef des GKV-Spitzenverbandes, hat mit DAZ.online gesprochen. (dpa)

Johann-Magnus von Stackelberg, Vize-Chef des GKV-Spitzenverbandes, hat mit DAZ.online gesprochen. (dpa)


Großkonzern statt Apotheke: wie profitiert der Patient davon?

DAZ.online: Der GKV-Spitzenverband ist die politische Vertretung der Krankenkassen in Berlin. Die Krankenkassen wiederum kümmern sich um eine möglichst optimale Versorgung ihrer Versicherten. Wie können Versicherte davon profitieren, wenn sie ihre Arzneimittel aus den Händen eines Großkonzernes erhalten anstatt von einem unabhängigen Apotheker?

Von Stackelberg: Die Diskussion wird aus meiner Sicht derzeit viel zu sehr aus der Perspektive der Leistungserbringer geführt. Mein Eindruck ist, dass die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten leider kaum eine Rolle spielen. Hier muss die Diskussion vom Kopf auf die Füße gestellt und endlich aus Patientenperspektive gedacht werden. Wie die Versorgung in Zukunft konkret aussehen wird, sollte sich im Wettbewerb entscheiden. Ich gehe davon aus, dass die Vor-Ort-Apotheke auch künftig eine wichtige Rolle bei der Abgabe von Arzneimitteln spielen wird. Entscheidend ist, dass die Patientinnen und Patienten gut versorgt und beraten werden. Ob es sich nun um eine Kette oder eine inhabergeführte Apotheke handelt, ist dabei nachrangig. Ein Verbot, wie es heute durch das Mehr- und Fremdbesitzverbot für Apotheken gegeben ist, stellt jedoch eine Behinderung des Wettbewerbs dar.


„Das Mehr- und Fremdbesitzverbot für Apotheken stellt eine Behinderung des Wettbewerbs dar."

Johann-Magnus von Stackelberg


DAZ.online: Die Apothekenzahl ist auf dem tiefsten Stand seit 1988 angekommen. Der GKV-Spitzenverband hat das mehrfach als unbedenklich bezeichnet. Ab welcher Zahl würden auch Sie denn Alarm schlagen? Wie weit muss die Zahl noch sinken?

Von Stackelberg: Im internationalen Vergleich weist Deutschland nach wie vor eine hohe Apothekendichte auf. Die letzten OECD-Zahlen zeigen, dass wir uns im Mittelfeld bewegen. Insofern kann man bei der derzeitigen Entwicklung nicht von Weltuntergangsszenarien sprechen. Über die Frage, was eine bedarfsgerechte Versorgung ausmacht, diskutieren wir auch in anderen Versorgungsbereichen zum Beispiel bei den niedergelassenen Ärzten. Mit dem wesentlichen Unterschied, dass es hier eine Bedarfsplanung gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Wunsch der Apothekerschaft ist, dass wir solche Modelle aus anderen Bereichen übernehmen. 



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

GKV-Vize fordert Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbots und Selektivverträge

Von Stackelberg für Ketten

Stackelberg: Rahmenvertragliche Regeln sind nach EuGH-Urteil europarechtskonform auszulegen

GKV-Spitzenverband: Keine Sanktionen gegen DocMorris und EAV

DAZ-Interview mit Johann-Magnus von Stackelberg

„Marktabschottungsregelungen sind zu hinterfragen“

DAZ-Interview mit J.-M. von Stackelberg

„Wir haben keine Angst vor Handelsketten“

GKV-Positionspapier zur Arzneimittelversorgung sorgt für Aufregung

Den Kontakt zur Realität verloren

Substitutionsausschluss-Liste

GKV-Spitzenverband ruft Schiedsstelle an

12 Kommentare

Der Mann hat natürlich recht...

von Christian Becker am 28.08.2017 um 7:29 Uhr

... es IST egal, ob eine inhabergeführte oder kettenzugehörige Apotheke die Versorgung der Patienten sicherstellt. Das macht keine Unterschied.
Das Problem dabei ist jedoch "sicherstellen der Versorgung". Stackelberg geht einfach mal davon aus, dass dies auch durch Ketten gewährleistet ist, obwohl wir in verschiedenen Bereichen gesehen haben (Dorfläden, Fachgeschäfte, Apotheken in Schweden), dass dies keineswegs der Fall ist.
Der Schluss liegt nahe, dass auch die wohnortnahe Versorgung mit Medikamenten leiden wird, wenn Ketten kommen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Apothekensterben

von Holger am 28.08.2017 um 8:34 Uhr

Stimmt! Aber findet das derzeit noch ohne echte Ketten so heftig beklagte "Apothekensterben" in der Fläche oder in den Ballungsgebieten statt? Kette wäre also diesbezüglich weder automatisch besser, noch automatisch schlechter als die momentane Situation.

online Krankenversicherung

von Hermine Minges am 27.08.2017 um 22:59 Uhr

Wieso muss man sich in Deutschland bei gesetzlichen Krankenversicherungen pflichtversichern und darf sich nicht bei günstigen ausländischen online Krankenversicherung versichern?
Würde doch einem gewünschten digitalen und kostengünstigen politischen Zeitgeist folgen!?! Oder habe ich etwas nichz ganz richtig verstanden?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

An die Kette ?

von Reinhard Rodiger am 26.08.2017 um 16:31 Uhr

Vorweg: womit belegen die Kassen eigentlich die Effizienz ihres Tuns ? Hohe Werbeetats für junge Leute,teure Immobilien in Bestlagen,üppige Gehälter mit stetiger Anpassung,Aufbau von Parallelstrukturen,viel Bürokratie, teure Verwaltung , Aussitzen von Patientenforderungen, usw. An die Arbeit Herr v.Stackelberg !!! Besser,als anderen die Ärmel hochkrempeln.

Dürfte doch nicht schwer sein,nachzuweisen, dass es viele Fehlallokationen gibt.Die Nachrangigkeit des Patienten für Sie geht schon aus dem Begriff "Kostenfaktor" hervor und der "Steuerung" auf die "richtigen" (dh.billigen) Pfade.

Ihr darwinistisches Verständnis von Konkurrenz ist unmoralisch. .Nur ein wirtschaftlich erpressbarer Leistungserbringer ist ein Guter.Erpressbarkeit ist das Geheimnis der von Ihnen so geliebten Selektivverträge .
Wie immer, wenn Macht eben einseitig verteilt ist.

Der Krug geht solange zum Brunnen,bis er bricht.Sie bzw KK sorgen dafür.Bei der Erpressung der Arzneimittelhersteller haben sie das erreicht.Wo sich Produktion nicht mehr lohnt gibt es immer mehr Engpässe.Übernehmen Sie Verantwortung.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

GKV - schäbig bis ins Mark betriebswirtschaftlich ignorant

von Ratatosk am 25.08.2017 um 18:55 Uhr

Es ist erstaunlich , daß jemand der noch nicht mal die Problematik der Konzentration durch Ketten und Großkapital erkennt. Ist zwar in jedem Bereich so gekommen, aber der große Guru der GKV weiß nicht mal so was. Hier scheint sich eher die irre Zahl an Lobbyisten der GKV auszuzahlen, da mit Sachverstand zu strukturellen Problematiken ist die GKV Spitze nicht auffallend. Was ist dieser Mensch eigentlich von Beruf ? welche Expertise hat er bei solchen Themen ? oder reicht hier die eigene Vorstellung. Außerhalb des rein theoretischen BWL Studiums, das wie viele leider nicht die Praxis lehrt, hat der Mann ja nichts anderes von der Welt gesehen, als die behütete AOK und GKV Welt. Er hat keine Angst vor Handelsketten - Amazon etc. - kann man sich lebhaft verstellen, da er nicht die geringste Ahnung zu haben scheint, was ihn dort erwartet.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Dann wollen wir mal hoffen,

von Rita Längert am 25.08.2017 um 11:31 Uhr

das es keine Dieselfahrverbote geben wird, damit die qualitativ hochwertige Billigversorgung aus NL funktioniert. Ach Bödsinn, ich habe doch glatt vergessen, das deutsche Gesetze nicht gelten, wenn jemand das Wort "digital" in den Mund nimmt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Dann wollen wir mal hoffen

von Christian Becker am 26.08.2017 um 11:07 Uhr

Wie es auf den Wahlplakaten der ehemaligen Mittelstandspartei so schön heißt:
Digital first
Bedenken second

Das Gebaren der Krankenkassen ist mittlerweile unerträglich. Man hat das Gefühl, dass die KK der Staat sind - und wenn es irgendwelche Gesetze gibt, die ihnen nicht in den Kram passen, dann müssen die eben vom _eigentlichen_ Staat dementsprechend angepasst werden. Und bloß kein Geld für Apotheken.

warum

von Karl Friedrich Müller am 25.08.2017 um 10:46 Uhr

gibt man solchen Typen immer wieder eine Plattform?

Jeder weiß, was die denken und was sie wollen.

Man braucht das nicht noch unnötig ständig kommunizieren.

Was hat so einer überhaupt an der Spitze der GKV verloren?
Überhaupt in so einer Position?
Voreingenommenheit, Beratungsresistenz, engstirnig?
Solche Leute brauchen wir an keiner Spitze im Land. Im Gegenteil.

Was für Boni gibt es abzugreifen?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Letzte Frage

von Mathias Mallach am 25.08.2017 um 10:03 Uhr

Wer wird Ihrer Meinung nach Deutscher Fußballmeister 2017/18 ?

"Ganz klare Antwort: In Anbetracht der undurchsichtigen Datenlage kann ich mit Sicherheit sagen, dass die Apotheken kein Geld erhalten dürfen. Vielen Dank für das Gespräch."

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Apothekenketten

von Dr. Radman am 25.08.2017 um 9:59 Uhr

Entscheidend ist, dass die Patientinnen und Patienten gut versorgt und beraten werden.
Das ist z.Z. auch der Fall. Und Sie wollen das System ohne Not auf dem Kopf stellen? Warum?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Nachrangig

von Anita Peter am 25.08.2017 um 7:49 Uhr

Inhabergeführte Apotheke oder Kette? „Das ist nachrangig!“

Über hundert Krankenkassen, oder eine staatliche Gesundheitskasse? Auch das ist nachrangig!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Egal?

von Holger am 28.08.2017 um 8:39 Uhr

Darf ich also davon ausgehen, dass Sie ganz persönlich schon zufrieden wären, wenn neben den "vollhaftenden Inhabern" auch die Krankenkassen einen auf den Deckel kriegen würden? Sorry, aber das halte ich für eine ziemlich verquere Argumentation. Soll das so eine Art Revanchefoul werden, oder wie??

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.