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Den Kontakt zur Realität verloren

GKV-Positionspapier zur Arzneimittelversorgung sorgt für Aufregung

BERLIN (ks) | Aus Sicht des GKV-Spitzenverbands braucht die Arzneimittelversorgung in Deutschland einen „Modernisierungsschub“. Neue und altbekannte Ideen, wie dies geschehen kann, hat der Verband in einem Positionspapier zusammengestellt. So sollen beispielsweise Erstattungsbeträge für neue Arzneimittel rückwirkend ab Markteintritt gelten, der Vertragswettbewerb weiter gefördert und das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheken aufgehoben werden. Die ABDA sieht mit dem Positionspapier den Grundkonsens in der Gesundheitsversorgung aufs Spiel gesetzt.
Foto: DAZ/Sket

Ein Schlag ins Gesicht der Apotheker ist das GKV-Positionspapier zur Arzneimittelversorgung. Bei dessen Vorstellung ließen Johann-Magnus von Stackelberg und Dr. Antje Haas keinen Zweifel daran, dass sie vom Apothekenmarkt in der jetzigen Form nicht viel halten.

Letzten Freitag präsentierten Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorsitzender des GKV-Spitzenverbands, und Dr. Antje Haas, Leiterin der Abteilung Arznei- und Heilmittel, das Positionspapier „Zehn Handlungsfelder für Qualität und Finanzierbarkeit der Arzneimittelversorgung“. Unter anderem muss aus Sicht des Verbandes der Apothekenmarkt „zukunftsfähig“ gestaltet werden (siehe hierzu auch AZ 2015, Nr. 5, S. 1).

Aus Sicht von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zeigt der GKV-Spitzenverband mit diesem Positionspapier, „dass er den Kontakt zur Versorgungsrealität der Versicherten offenbar vollständig verloren hat“. Schon wieder redeten die Krankenkassen der Zerstörung bewährter Strukturen das Wort. „Sie stellen damit ohne Not den gesellschaftlichen Konsens infrage, dass ­unsere Gesundheitsversorgung quali­tativ hochwertig, wohnortnah und in der kooperativen Verantwortung der Selbstverwaltungsakteure organisiert werden soll“, so Schmidt. „Das bisherige Miteinander von Kassen und Heilberufsgruppen soll offenbar einer ‚schönen neuen Welt‘ weichen, in der Gesundheitskonzerne mit ungebremstem Profitstreben dominieren und der Patient seinen Apotheker allenfalls vom Computerdisplay kennt.“ Der ABDA-Präsident betont, dass die Apothekerschaft bisher immer einen kooperativen Ansatz im Umgang mit den Krankenkassen gesucht habe. „Angesichts der fortgesetzten Angriffe auf unsere Versorgungsstrukturen müssen wir uns jetzt aber fragen, ob dies auch in Zukunft so bleiben kann.“

„Vorteile nicht den Apotheken überlassen“

Tatsächlich schreibt der GKV-Spitzenverband in seinem Papier, dass eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes „weiterhin dringend geboten“ sei. Gefragt, wo von Stackelberg seine politischen Verbündeten für diese Forderung sieht, verwies er auf den Gesundheits-Sachverständigenrat und einige Wirtschaftswissenschaftler. Davon, dass die Politik „Mantra-artig“ wiederhole, sie stehe zum Fremd- und Mehrbesitzverbot, lässt sich der GKV-Vize nicht aus dem Konzept bringen: „Vernünftige Forderungen muss man mit Hartnäckigkeit vorbringen. Irgendwann setzen wir uns durch.“ Die länd­liche Versorgung sieht er durch Ketten ebenfalls nicht gefährdet. Allerdings brauche es hier zielgenaue und „keine ‚Schrotschuss‘-Instrumente, die Apotheken in überversorgten Gebieten mehr nutzen als solche in ländlichen“. Letztlich ist von Stackelberg vor allem wichtig: „Vorteile müssen wir den Versicherten erschließen und nicht den Apothekern überlassen.“

Weiterentwicklungspotenzial auch im Hinblick auf die Versorgung in ländlichen Gebieten sieht der GKV-Spitzenverband aber auch im jetzigen System der Haupt- und Filialapotheken. Dass Filialapotheken mit nahezu gleicher Ausstattung und Organisation wie Hauptapotheken betrieben werden müssen, hält er nicht für optimal. Gerade in dünner besiedelten Regionen seien Filialen wirtschaftlich nicht attraktiv. Die Idee des GKV-Spitzenverbands: In der Filialapotheke könnte künftig der approbierte Apotheker der Hauptapotheke per „Teleassistenz“ zugeschaltet werden. Damit könnte sowohl die beratungsbedürftige Arzneimittelabgabe als auch eine feste „pharmazeutische Sprechstunde“ realisiert werden.

Zusatzvergütung nur bei Zusatznutzen

Was die Apothekenvergütung betrifft, so ist diese aus GKV-Sicht zwar kompliziert, aber „konsistent, logisch und auf Basis repräsentativer Daten weiterzuentwickeln“. Der festgeschriebene Apothekenabschlag sei als „Großkundenrabatt“ beizubehalten. Veränderungen bei den apothekerlichen Leistungen und Kosten für die Abgabe von Rx-Arzneimitteln sollen über die Arzneimittelpreisverordnung berücksichtigt werden. Derzeit, so heißt es im Papier, werde die pharmazeutische Beratungsleistung des Apothekers sowie der logistische und organisatorische Aufwand angemessen vergütet. Künftige Honorarerhöhungen seien nur bei Nachweis über einen gestiegenen Aufwand und gestiegene Kosten vorzunehmen. Hinsichtlich zusätzlicher Vergütungsformen erklärte von Stackelberg, dass er wisse, dass in der Apothekerschaft davon „geträumt“ werde. Ganz verschließen wolle sich der GKV-Spitzenverband dem auch nicht: „Bei einem echten Zusatznutzen der neuen Leistung für die Patienten sind wir offen“, betonte Stackelberg. Allerdings machte er etwa im Punkt Medikationsmanagement klar: Dieses werde bereits in der ärztlichen Honorierung abgedeckt – und eine Doppelfinanzierung von Leistungen müsse ausgeschlossen werden. Komme jedoch eine neue Qualität hinzu, wie es etwa bei bestehenden Selektivverträgen der Fall ist, die eine Wirkstoffverordnung vorsehen, wäre die Lage schon eine andere, meinte Haas.

AMNOG weiterentwickeln

Abseits der Apothekenstrukturen sind dem GKV-Spitzenverband vor allem weiterhin die Arzneimittelpreise ein Dorn im Auge. Das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz sieht er zwar als Erfolg – doch dieser müsse fortgeschrieben werden. So sollte der nach der frühen Nutzenbewertung ausgehandelte oder festgesetzte Erstattungsbetrag ab dem ersten Tag der Markteinführung gelten. Auch wenn der GKV-Spitzenverband den von der Politik wieder abgeschafften Bestandsmarktaufruf ausdrücklich nicht wieder durch die Hintertür einführen möchte – ganz möchte er diese älteren, patentgeschützten Arzneimittel doch nicht vergessen wissen. So müsse für Bestandsmarktarzneimittel jedenfalls dann eine frühe Nutzenbewertung durchgeführt werden, wenn sie in einer neuen Indikation zugelassen werden. Außerdem solle die Erstattungspflicht vom Zusatznutzen abhängig gemacht werden. Derzeit ist es so, dass für ein neues Arzneimittel ein Mischpreis festgelegt wird, der berücksichtigt, dass es für einige Patientengruppen gegebenenfalls einen Zusatznutzen hat, für andere aber nicht. Besser wäre es aus GKV-Sicht, wenn die Erstattung tatsächlich nur für Patienten erfolge, für die es diesen Zusatznutzen hat.

Welchen Zuspruch die Ideen des GKV-Spitzenverbandes in der Politik finden, bleibt abzuwarten. Bei Apothekern und den Verbänden der pharmazeutischen Industrie kamen sie jedenfalls nicht gut an. Das gesamte Positionspapier zur Arzneimittelversorgung finden Sie auf der Webseite des GKV-Spitzenverbandes als pdf zum Herunterladen (www.gkv-spitzenverband.de). |

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