Millionenschaden

Razzia und Festnahmen wegen Rezeptbetrug

Berlin - 07.07.2017, 14:45 Uhr

In Berlin wurden am Freitag vier Personen wegen Rezeptbetrugs festgenommen. (Foto: abr68 / AdobeStock)

In Berlin wurden am Freitag vier Personen wegen Rezeptbetrugs festgenommen. (Foto: abr68 / AdobeStock)


Am heutigen Freitag durchsuchte das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft Berlin 20 Wohn- und Geschäftsräume, seit Monaten wurde gegen eine mutmaßliche Bande von elf Personen wegen möglichen Abrechnungsbetrugs ermittelt. Der mutmaßliche Kopf der Bande ist ein einschlägig vorbestrafter Apotheker. Er wurde zusammen mit drei weiteren Personen festgenommen.

Nach monatelangen intensiven Ermittlungen gegen eine mutmaßliche Bande von insgesamt elf Personen, darunter fünf Apotheker, durchsuchten Beamte des Landeskriminalamtes und der Staatsanwaltschaft Berlin am heutigen Freitagmorgen 20 Wohn- und Geschäftsräume in Berlin und Brandenburg. Bei den Beschuldigten handelt sich um zehn Männer und eine Frau im Alter von 31 bis 64 Jahren. Gegen vier der Personen wurden Haftbefehle vollstreckt.

„Den Tatverdächtigen wird vorgeworfen, Rezepte für sehr hochpreisige Arzneimittel gefälscht und durch mehrere Apotheker bei den Krankenkassen zur Bezahlung eingereicht zu haben“, erklärt die Staatsanwaltschaft in einer Pressemitteilung. Pro Rezept liege die mutmaßliche Betrugssumme bei im Schnitt 15.000 Euro. „Nach bisherigen Erkenntnissen konnte der verdächtigen Gruppe ein Schaden von 3,1 Millionen Euro zugeordnet werden“, schreibt die Staatsanwaltschaft.

Allerdings gehen die Ermittler von einem weitaus größeren Schaden aus, da nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen die Verdächtigen seit rund zehn Jahren aktiv sein sollen. „Bei dem mutmaßlichen Kopf der Bande handelt es sich um einen einschlägig vorbestraften 54-jährigen Apotheker und seine 31 Jahre alte Lebensgefährtin“, heißt es in der Pressemitteilung.

Das Pärchen lebt laut der Staatsanwaltschaft eigentlich in Bulgarien. Sie sollen lediglich nach Berlin gekommen sein, um weitere Taten zu begehen beziehungsweise diese zu organisieren – doch endete die Reise nun auf ungeplante Weise. „Spezialeinsatzkräfte nahmen das Paar heute Morgen in einem Hotel in Treptow fest“, erklärt die Staatsanwaltschaft. „Den Beiden sowie zwei 45 und 54 Jahre alten mutmaßlichen Mittätern sollen heute die Haftbefehle verkündet werden.“ Da dem Pressesprecher der Staatsanwaltschaft die Haftbefehle noch nicht vorlagen, konnte er auf Nachfrage noch keine weiteren Details nennen. 

Offenbar Einzelfälle statt Massenphänomen

Vor gut einem Jahr war Abrechnungsbetrug mit Luftrezepten in den Medien wiederholt Thema. Unter der Überschrift „Die große Abzocke“ hatte die „Welt am Sonntag“ (WamS) über die angeblich „verbreitete Masche“ berichtet, mit der Apotheker angeblich Millionensummen ergaunern sollen.

Dass Abrechnungsbetrug mit Luftrezepten tatsächlich weit verbreitet ist, ist allerdings auch nach Ansicht von Kassenvertretern schwer nachvollziehbar – es sei „kein Massenphänomen“, wie der Pressesprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz, gegenüber DAZ.online betont hatte. Für ihn habe die damalige Berichterstattung über Luftrezepte und Pflegebetrug nichts grundsätzlich Neues aufgedeckt. „Es zeigt, dass es im Pflegebereich wie auch im Arzneimittelbereich punktuell kriminelle Energie gibt“, hatte Lanz erklärt. „Aber auch, dass es ganz wichtig ist zu trennen zwischen den wenigen schwarzen Schafen und denen, die ihren Job korrekt machen.“ Die meisten im Gesundheitswesen tätigen Personen würden sehr korrekt und engagiert arbeiten – nach der Einschätzung von Lanz gilt dies ausdrücklich auch für Apotheker.

„Die überwältigende Mehrheit der Apotheker in Deutschland versorgt die Patienten nach bestem Wissen und Gewissen und rechnet auch die Rezepte ordnungsgemäß mit der jeweiligen Krankenkasse ab“, hatte auch DAV-Vorsitzender Fritz Becker damals bekräftigt. Man dürfe nicht einzelne Betrugsfälle zu einem angeblich massenhaften Phänomen hochstilisieren und damit den Berufsstand in seiner Gesamtheit diffamieren. „Für einige spektakuläre Einzelfälle 20.000 Apotheken mit 150.000 Beschäftigten in ‚Sippenhaft‘ zu nehmen ist falsch – auch gegenüber den Patienten, die sich mit existenziellen Gesundheitsfragen vertrauensvoll an ihre Apotheke vor Ort wenden.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Ermittlungserfolg in Berlin

Betrug mit Luftrezepten

WamS-Artikel über betrügerische Apotheker – DAV: spektakuläre Einzelfälle

Luftrezepte sorgen für Aufregung

Betrügerische Abrechnungen

Luftrezepte sind Einzelphänomene

DAK-Gesundheit ermittelt gegen Betrüger

Abrechnungsbetrug: Wenige schaden vielen

Abrechnungsbetrug: Die DAK-Gesundheit ermittelt

DAK holt sich 430.000 Euro von Apotheken

Illegaler Arzneimittel- und Drogenhandel

Uniklinik-Mitarbeiter verhaftet

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.