Niederlande

Mögliche Risiken durch Generikasubstitution proaktiver angehen

26.06.2017, 07:00 Uhr

Generikasubstitution: Der Austausch mit wirkstoffgleichen Tabletten sollte mehr überwacht werden, findet Lareb. (Foto: fovito / Fotolia)

Generikasubstitution: Der Austausch mit wirkstoffgleichen Tabletten sollte mehr überwacht werden, findet Lareb. (Foto: fovito / Fotolia)


In vielen Ländern ist der Austausch von wirkstoffgleichen Arzneimitteln in den Apotheken an der Tagesordnung, so auch in den Niederlanden mit einem hohen Generika-Anteil am Markt. Dass hier nicht immer alles „Gleiche“ tatsächlich gleich ist, ist unter Experten bekannt. Das niederländische Pharmakovigilanz-Zentrum Lareb hat versucht zu analysieren, wie groß das Problem in der Praxis ist.

Das niederländische Pharmakovigilanz-Zentrum Lareb hat einen Bericht über die Risiken im Zusammenhang mit der Generikasubstitution vorgelegt. Er erstreckt sich über einen Zeitraum von zehn Jahren (Anfang 2006 bis Ende September 2016). In dieser Zeit hat das Lareb mehr als 2600 Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder verminderter Wirksamkeit nach Substitution bekommen. Dabei kann ein Bericht sich auf mehrere Arzneimittel beziehen.

Auf der Suche nach Signalen

In dem Report werden 21 Arzneimittel mit jeweils mehr als 25 Meldungen von Verdachtsfällen genauer unter die Lupe genommen. Die Wirkstoffe mit der höchsten Zahl an Berichten sind Levothyroxin (295), Ethinylestradiol plus Levonorgestrel (191), Omeprazol (130), Methylphenidat (107), Metoprolol (93) und Simvastatin (91). Die Analyse erstreckte sich auf mögliche „Signale“ infolge der Substitution. Im Kontext der Arzneimittelsicherheit sind Signale neue Informationen zu bisher unbekannten erwünschten und unerwünschten Ereignissen im Zusammenhang mit der Gabe eines Arz­neimittels beziehungsweise neue Aspekte zu bereits bekannten Ereignissen.

Nicht jede neue Information im Bereich der Pharmakovigilanz ist automatisch ein Signal, und nicht jedes Signal stellt ein neues Arzneimittelrisiko dar. Signale werden nach genau vorgegebenen Prozessen validiert und von den Arzneimittelbehörden wissenschaftlich analysiert, um festzustellen, ob wirklich ein Arzneimittelrisiko vorliegt oder nicht.

Häufig keine klaren Muster

Oft gab es nach den Bewertungen des Lareb hinsichtlich der Originalarzneimittel, der substituierten Generika und der Folgen kein klares Muster. Die Fälle waren meist gleichmäßig über die Jahre verstreut und bezogen sich auf den Austausch mehrerer Präparate und auf ein gewisses Spektrum an Nebenwirkungen. Für Medikamente gegen Depressionen, wie Paroxetin und Venlafaxin zum Beispiel, berichtete ein Großteil der Fälle im Zusammenhang mit der Substitution die Rückkehr der depressiven Symptome. Analysen dieser Berichte erbrachten jedoch laut Lareb kein Signal auf mangelnde Wirksamkeit für ein bestimmtes Produkt. Dies müsse jedoch nicht heißen, dass ein einzelner Patient infolge der Substitution nicht trotzdem eine unerwünschte Arzneimittelwirkung gehabt haben könne.

Signale für sechs Wirkstoffe / Wirkstoffgruppen gefunden

Für folgende Wirkstoffe wurden jedoch Signale im Zusammenhang mit der Substitution gefunden:

  • Fehlregulationen bei Patienten nach der Umstellung des Schilddrüsenhormons Levothyroxin,
  • Durchbruchblutungen bei oralen Kontrazeptiva nach Ethinylestradiol und Levonorgestrel,
  • verringerte Wirksamkeit von Asthma-Inhalaten (Salbutamol und Fluticason/Salmeterol),
  • Hautreaktionen und Kräuseln der Patches für Rivastigmin,
  • Schmerzen und Reaktionen an der Injektionsstelle mit Methotrexat,
  • reduzierte Wirksamkeit von Antiepileptika.

Vorzugspolicen schränken das Angebot ein

Das Lareb richtet ein besonderes Augenmerk auf mögliche Arzneimittelrisiken durch die Substitution, weil Generika in den Niederlanden in der Arzneimittelversorgung eine große Rolle spielen. Nach Angaben der Stiftung für Pharmazeutische Statistik (SFK) lag ihr Anteil im Rahmen der Basisversicherung im Jahr 2016 bei 74 Prozent.

Die INN-Verschreibung und Generika-Substitution sind erlaubt, aber keine gesetzliche Pflicht. De facto arbeiten die Krankenversicherungen allerdings seit 2005 für die Erstattung mit sogenannten „Vorzugs-Policen“ (preferentiebeleid). Hiernach werden im Rahmen des Basispakets des jeweiligen Versicherers nach Patentablauf eines Originalarzneimittels innerhalb einer bestimmten Arzneimittelgruppe vielfach nur ein Generikum oder mehrere ausgewählte Generika bezahlt. Für die anderen Präparate müssen die Patienten gegebenenfalls komplett selbst aufkommen. Deswegen wird in den Apotheken in erheblichem Umfang substituiert. Die Königliche Niederländische Apotheker-Vereinigung hat spezielle Leitlinien zur Generika-Substitution veröffentlicht.

Oft Umstellungen im großen Stil

Wegen der Präferenz-Politik der Krankenkassen, aber auch wegen Lieferengpässen kann es vorkommen, dass in kurzer Zeit große Gruppen von Patienten von einem Medikament auf ein anderes umgestellt werden, teilt das Lareb mit. Leider seien diese Prozesse sehr intransparent. Es gebe wenig Informationen über die jeweiligen Präparate, die Zeitpunkte der „Switches“ und die Zahl der betroffenen Patienten. Die Umstellung gehe zwar häufig ohne weitere Probleme vonstatten, aber die Patienten müssten darauf vertrauen können, dass auftretende Probleme schnell erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden könnten. Die Pharmakovigilanzexperten vom Lareb würden sich deshalb wünschen, dass Nebenwirkungen im Zusammenhang mit dem Austausch wirkstoffgleicher Arzneimittel proaktiver überwacht würden, vor allem, wenn in einem kurzen Zeitraum größere Patientengruppen umgestellt werden. Auch sollten die Patienten besser auf die Umstellung vorbereitet werden.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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