Tumorbiologie

Springer zieht mehr als 100 Fachartikel zurück

Stuttgart - 28.04.2017, 11:00 Uhr

Bislang wurden offenbar noch nie derart viele Fachartikel auf einen Streich für ungültig erklärt. (Foto: pinkomelet / Fotolia)

Bislang wurden offenbar noch nie derart viele Fachartikel auf einen Streich für ungültig erklärt. (Foto: pinkomelet / Fotolia)


In seiner Fachzeitschrift „Tumor Biology“ wurden massenhaft Artikel aufgrund gefälschter Gutachten veröffentlicht, wie der Wissenschaftsverlag Springer feststellen muss. Daraufhin zieht er insgesamt 107 Artikel zurück. Wer ist schuld? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten.

Wie der Wissenschaftsverlag Springer bekannt gab, zieht der Verlag mit einem Schlag 107 Fachartikel in seiner Zeitschrift „Tumor Biology“ zurück. Nachdem bereits im Vorjahr 25 Artikel der Zeitschrift unter anderem wegen gefälschter Gutachten annulliert wurden, ist „Tumor Biology“ laut der Online-Plattform RetractionWatch nun das Fachmagazin mit der größten Zahl an zurückgezogenen Artikeln.

Wie Springer bekannt gab, wurden im Rahmen des Begutachtungsprozesses der Artikel existierende Wissenschaftler unter falscher E-Mail-Adresse angeschrieben. Über die gefälschten Adressen wurden anschließend fingierte Gutachten abgegeben, die Basis für die Veröffentlichung der Artikel waren. Nachdem unter anderem in den Jahren 2015 und 2016 bei einigen Artikeln gefälschte Gutachten identifiziert worden seien, habe Springer nun eine „extra Suche“ nach den Namen von Schein-Gutachtern durchgeführt, heißt es in einer Stellungnahme des Verlags.

Um „aufzuräumen“, seien nun die betroffenen Artikel zurückgezogen worden, erklärt Springer. Die Aufsätze stammen von chinesischen Autoren – doch der Verlag betont, dass die Probleme global seien. „Es gibt sehr viel Druck, zu veröffentlichen“, erklärte eine Sprecherin. „Nicht nur in China, sondern weltweit.“

Die Herausgeber haben Identitäten nicht geprüft

Offenbar haben einige der Autoren dabei auf Dienstleister zurückgegriffen, die sich um sprachliche Verbesserungen der Artikel gekümmert hatten – doch wohl auch um mehr. „Mein Englisch ist nicht so gut, daher musste mein Aufsatz redigiert werden“, erklärte ein betroffener Forscher gegenüber den „Chinesischen Wissenschaftsnachrichten“. Dafür habe er umgerechnet mehr als 3000 Euro gezahlt. Er könne garantieren, dass die Daten real sind – und wüsste nicht, inwiefern der Dienstleister beim Begutachtungsprozess betrogen hat, zitiert ihn die Zeitung.

Auf Nachfrage von DAZ.online bestätigt Springer, dass offenbar Agenturen in den Betrugsfall involviert waren. Möglich war dies, da die Herausgeber von „Tumor Biology“ Vorschläge der Autoren für Gutachter samt gefälschter E-Mail-Adressen akzeptiert haben – bei den betroffenen Artikeln wählten die Herausgeber womöglich keinen einzigen Gutachter selber aus. Die hausinternen Regeln von Springer schließen dies nicht aus, bestätigt der Verlag, der 2015 mit der „Nature Publishing Group“ verschmolz und führende wissenschaftliche Zeitschriften herausgibt, auf Nachfrage.

„Die Möglichkeit, Gutachter vorzuschlagen, wird von vielen Zeitschriften wertgeschätzt – solange die Herausgeber die Identität sowie die Angemessenheit der vorgeschlagenen Gutachter überprüfen“, erklärt eine Sprecherin. Das Haus arbeite nun daran, die Identität von Gutachtern besser zu überprüfen und den Begutachtungsprozess insgesamt „robuster“ zu machen. Springer hat sich zwischenzeitlich entschlossen, das Journal „Tumor Biology“ nicht mehr herauszugeben – nun erscheint es beim Wissenschaftsverlag SAGE Publications



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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