Todesfälle

Behörden streiten um Ermittlungen gegen Heilpraktiker

Stuttgart - 20.02.2017, 07:00 Uhr

Nach drei Todesfällen: Die Tagesklinik des Heilpraktikers in Brüggen-Bracht wurde nach den Todesfällen vorübergehend versiegelt, das Namensschild abgeschraubt. (Foto: dpa / picture alliance)

Nach drei Todesfällen: Die Tagesklinik des Heilpraktikers in Brüggen-Bracht wurde nach den Todesfällen vorübergehend versiegelt, das Namensschild abgeschraubt. (Foto: dpa / picture alliance)


Die Aufklärung der Todesfälle dreier Krebspatienten eines Heilpraktikers aus Brüggen-Bracht stockt – unklar ist, ob ein Zusammenhang mit der Behandlung nachweisbar wäre. Derweil eskaliert ein Streit um die Ermittlungen: Polizei und Staatsanwaltschaft erstatten Anzeige gegeneinander und sind sich über die Tatvorwürfe uneins.

Mehr als ein halbes Jahr, nachdem im Sommer 2016 mindestens drei Krebspatienten kurz nach der Behandlung des alternativen „Krebsheilers“ Klaus R. in Brüggen-Bracht verstarben, drohen die Ermittlungen, im Sande zu verlaufen. Derzeit werden in den Niederlanden – von hier stammten viele Patienten des Heilpraktikers – weiter Zeugen verhört. Unklar ist jedoch, ob aufgrund der instabilen Natur des nicht zugelassenen und umstrittenen Präparats 3-Bromopyruvat, das der Alternativmediziner verabreichte, ein Zusammenhang der Behandlung mit den Todesfällen überhaupt nachweisbar ist.

Wie die Staatsanwaltschaft Krefeld gegenüber DAZ.online erklärte, wird für die Ermittlungen ein spezielles Untersuchungsverfahren entwickelt, das den Verdacht auf drei Fälle mit fahrlässiger Tötung sowie zwei Fällen mit fahrlässiger Körperverletzung erhärten oder ausräumen soll. Die wissenschaftlichen Auswertungen des bestellten Sachverständigen müssten erst noch ergeben, inwiefern der Heilpraktiker die Todesfälle verursacht hat. „Das ganze Verfahren steht und fällt damit“, erklärt Pressesprecher Marcel Dörschug. Doch die Staatsanwaltschaft bezweifelt derzeit offenbar, dass dies noch gelingen könnte. Mit einem abschließenden Ergebnis sei nicht vor Ende März zu rechnen. 

Staatsanwaltschaft und Polizei erstatteten Anzeigen

Kürzlich wurde bekannt, dass es hinter den Kulissen der Ermittlungsbehörden erheblich brodelt. So stellte die Staatsanwaltschaft Krefeld gegen einen Mitarbeiter der zunächst ermittelnden Kommission beim Polizeipräsidium Mönchengladbach Anzeige wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen. Hierauf reagierte die Polizei – die bis Oktober 2016 eine 20-köpfige Sonderkommission „Brom“ mit dem Fall betraute – mit einer Anzeige gegen einen Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft wegen Verleumdung. „Das ist einmalig, so etwas habe ich noch nicht erlebt“, zitiert die „Rheinische Post“ einen Insider. 

Gegen Mitglied der Ermittlungskommission wird ermittelt

Um Befangenheit auszuschließen, wurden die Verfahren anderen Behörden übergeben. „Das Ermittlungsverfahren gegen ein Mitglied der Ermittlungskommission des Polizeipräsidiums Mönchengladbach wurde an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf abgegeben“, erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Krefeld gegenüber DAZ.online. Die Strafanzeige gegen einen Mitarbeiter seiner Behörde sei an die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf weitergeleitet worden. Beide Staatsanwaltschaften prüfen die Vorgänge derzeit noch und wollten auf Nachfrage keine Stellung nehmen.

Dabei betrifft der Streit zwischen Staatsanwaltschaft Krefeld und Gladbacher Polizei auch den Kern des Ermittlungsverfahrens gegen den Heilpraktiker – den Tatvorwurf. Die Polizei sah offenbar Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Handeln des „Krebsheilers“, was die Staatsanwaltschaft anders einschätzte, wie Sprecher Dörschug auf Nachfrage bestätigte – sie sei von Anfang an von reiner Fahrlässigkeit ausgegangen. Diese Frage ist durchaus relevant, da sie mit darüber bestimmt, wie die Ermittlungen geführt werden. „Die Polizei hat eine rechtlich andere Einordnung gemacht, die wir nicht mittragen konnten“, sagte Dörschug.

„Die Mönchengladbacher Polizei hat die Ermittlungen im Fall des Beschuldigten Klaus R. mit großem Einsatz betrieben“, betont ein Sprecher der Polizei. „Anders als in vielen anderen Fällen gelang es in diesem Verfahren nicht, mit den zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft Krefeld, das notwendige Einvernehmen über den Gang der Ermittlungen herzustellen.“ 

Staatsanwaltschaft hat kein Interesse an Ermittlungskommission

Seit Herbst 2016 greife die Staatsanwaltschaft nicht mehr auf die Mitarbeit Mönchengladbacher Ermittler zurück, betont der Polizeisprecher. „Das bedauern wir“, erklärt er. „Wir haben unsere Ermittlungskommission zum Ruhen gebracht, können aber jederzeit wieder einsteigen.“

Er findet es „schade“, dass die ansonsten gute Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft „hier nicht hergestellt werden konnte“. „Noch mehr zu bedauern“ seien die wechselseitigen Strafanzeigen – die jedoch die zukünftige Kooperation nicht beeinträchtigen wird, wie der Sprecher betont. „Zwischenzeitlich haben in weiteren Verfahren die Polizei Mönchengladbach und die Staatsanwaltschaft Krefeld wieder reibungslos und erfolgreich zusammengearbeitet, auch in einem Kapitaldelikt“, erklärt er. „Das sind die Maßstäbe für die Zukunft!“

Wie bewerten die zuständigen Aufsichtsbehörden die Vorgänge bei den Ermittlungen um den Heilpraktiker? Dem Justiz- wie auch Innenministerium Nordrhein-Westfalen sind die Vorgänge bekannt, doch wollen sie die Vorgänge derzeit nicht kommentieren.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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