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Zyto-Skandal: Neue Ermittlungen wegen Drohbriefen

Anonyme Briefe drohen Demonstranten und wettern gegen Whistleblower

ESSEN (hfd) | Das Strafverfahren gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. vor dem Landgericht Essen ist nach der Weihnachtspause am 8. Januar wieder angelaufen. Am 12. Prozesstag belastete eine weitere PTA den Apotheker vor Gericht. Ein Fahrer der Apotheke nahm S. dagegen teils in Schutz. Überschattet wird der Prozess durch Droh­briefe eines anonymen Absenders.

Im Bottroper Skandal um mutmaßlich unterdosierte Arzneimittel hat eine anonyme Person Briefe verschickt –unter anderem an die ehemaligen Mitarbeiter der Apotheke, die den Fall ins Rollen gebracht hatten. Der Apotheker Peter S. sei „kein Mörder“, heißt es in einem DAZ.online vorliegenden Schreiben, über das zuerst das Recherche­büro Correctiv berichtet hat. Der Urheber wettert gegen die Whistleblower, die Medienberichterstattung sowie die Ermittlungen gegen S.

Verteidigung „bis aufs Blut“

Gleichzeitig droht der Briefeschreiber den Teilnehmern der Demonstrationen, die seit Herbst 2017 monatlich an den Zyto-Skandal erinnern sollen. Denn die derzeitigen Mitarbeiter der früheren Zyto-Apotheke würden „regelmäßig bedroht“, heißt es. Es gebe „Morddrohungen, Bombendrohungen usw.“, ein Beweisvideo liege vor. „Die Mitarbeiter haben ebenfalls Familien und einige Familienmitglieder verteidigen ihre Familien bis aufs Blut“, erklärt der anonyme Schreiber. Diese hätten „herausragende körperliche ­Eigenschaften“. „Also bei der nächsten ach so stillen Demo, aufgepasst!“

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft erklärte auf Nachfrage, von Drohungen gegen Mitarbeiter der Apotheke sei ihr nichts bekannt. „Meines Wissens liegen keine entsprechenden Anzeigen vor“, betonte sie. Doch lägen Strafanzeigen in Bezug auf die Drohbriefe vor. „Wir haben ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ­eingeleitet und prüfen derzeit noch den strafrechtlichen Gehalt der Briefe“, erklärt die Sprecherin. Falls eine Straftat anzunehmen ist, werde der Urheber der Briefe ermittelt.

Foto: imago/CHROMORANGE

Wie ein Sprecher der Polizei Recklinghausen bestätigte, wurde auch der Staatsschutz über den Fall informiert – ob dort Ermittlungen aufgenommen werden, hängt von der staatsanwaltschaftlichen Bewertung ab. Für die Demonstration, die diese Woche Mittwoch geplant war, sah die Polizei im Vorfeld keine besonderen Gefahren.

Weitere PTA belastet Apotheker

Indessen wurden am vergangenen Montag zwei weitere Apothekenangestellte als Zeugen befragt. So eine 43-jährige PTA, die im Sommer 2017 nach zehn Jahren wegen der angespannten Lage gekündigt hat, wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) berichtet. Während bislang nur die beiden Whistleblower gegen S. ausgesagt und sechs weitere Mitarbeiter die Aussage verweigert haben, beantwortete sie die Fragen. Das Gleiche gilt für einen am selben Tag befragten Fahrer der Apotheke. Laut WAZ erklärte die PTA, dass sie selbst beobachtet oder von Kollegen erfahren habe, dass der Zyto-Apotheker bei der Herstellung der Chemotherapien gegen Hygienevorschriften verstoßen habe: So habe etwa die Sicherheitsschleuse zum Reinraumlabor offen gestanden oder S. habe die Räume teils in normaler Straßenkleidung betreten. Auch sei teils ohne Handschuhe mit den Zytostatika hantiert worden. Laut Correctiv erklärte die PTA, dass vier Mitarbeiter innerhalb kurzer Zeit im Reinraumlabor gearbeitet, doch teils die Apotheke von einem Tag auf den anderen verlassen hätten.

Schweigegebot für Mitarbeiter?

Nach der Razzia und Festnahme von S. vor gut einem Jahr habe seine Mutter – die inzwischen die Apotheke wieder übernommen hat – den Mitarbeitern ein Schweigegebot aufgelegt. Ein Nebenklagevertreter hakte laut WAZ nach, ob die Apothekerin Sanktionen angekündigt habe, falls jemand redet. „Ich ging davon aus, dass direkt die fristlose Kündigung folgt, wenn jemand doch etwas erzählt“, zitiert die Zeitung die PTA.

Der Fahrer erklärte laut Correctiv, er könne nichts Schlechtes über S. sagen. Nach der Inhaftierung seien die Mitarbeiter zusammengerückt. Er habe jedoch gehört, dass der Apotheker teils im Anzug im Labor war – gesehen habe er ihn so dort jedoch selber nicht.

Da der Fahrer in einer WhatsApp-Gruppe von Apothekenmitarbeitern war, beantragten Anwälte von Nebenklägern wie auch die Staatsanwaltschaft laut Correctiv die Beschlagnahme seines Handys – während die Strafverteidiger von S. dies als „Stimmungsmache“ ansahen. Die Richter lehnten dies ab, da keine neuen Beweise zu erwarten seien – sondern nur Gerüchte, die bekannt seien. S. selbst schweigt weiterhin zu den Vorwürfen. |

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