Tote durch multiresistente Keime

Forscher und Politiker operieren mit falschen Zahlen

Berlin - 16.12.2016, 17:30 Uhr

Antibiotika-Resistenzen sind ein großes Problem – doch Vorhersagen sind teils deutlich übertrieben. (Foto jarun011 / Fotolia)

Antibiotika-Resistenzen sind ein großes Problem – doch Vorhersagen sind teils deutlich übertrieben. (Foto jarun011 / Fotolia)


Vor zwei Jahren warnte ein britisches Expertengremium, dass jedes Jahr 10 Millionen Menschen an multiresistenten Keimen sterben können. Viele Medien und Wissenschaftler griffen die Zahl auf. Doch sie ist maßlos übertrieben. Hinter ihr stecken Rechenfehler – und Interessen.

Seit nunmehr zwei Jahren schwappen weltweit alarmierende Berichte durch die Medien: „Millionen Tote durch multiresistente Keime möglich“, titelte zum Beispiel welt.de. „Resistente Keime bald gefährlicher als Krebs“, lautet eine Überschrift bei Spiegel Online. Die BBC forderte eine „weltweite Revolution“, um resistente Keime abzuwehren. Und der „Mirror“ warnt gar vor einer „Antibiotika-Apokalypse“. Das Problem: Es ist extrem schwer zu berechnen, wie groß die tatsächliche Gefahr ist.

Was ist hier los?

2014 veröffentlichte ein von der britischen Regierung beauftragtes Expertengremium seinen Bericht „Review on Antimicrobial Resistance“. Die Prognose der Kommission: Von 2050 an werden weltweit jedes Jahr rund 10 Millionen Menschen an resistenten Erregern sterben. Der Bericht wirkt seriös und wissenschaftlich, zugleich ist er gut lesbar, verfasst in einer verständlichen Sprache  – und findet seinen Weg in Zeitungen, Parlamente und Forschungsanträge weltweit. Die UN zitiert die Zahl von 10 Millionen, die europäische Kommission, die G7, die Grünen, und schließlich auch der deutsche Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Inzwischen steht die Zahl überall.

Wie stichhaltig ist die alarmierende Prognose?

Das hat jetzt ein Team um die Infektionsforscherin Marlieke de Kraker am Uni-Klinikum Genf untersucht. Seine Analyse im Fachblatt „Plos Medicine“ zeigt: Die Vorhersage hält einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Alles deutet darauf hin, dass die Zahl maßlos übertrieben ist. Der Grund sind ein Missverständnis und drei Fehler.



Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.