Nach Gerichtsurteil

Politiker wollen Zulassungsverfahren bei Homöopathie überprüfen

Stuttgart - 06.12.2016, 11:15 Uhr

Welche Nachweise sind nötig? Nach einem Urteil wollen Politiker nun die gesetzlichen Grundlagen überprüfen. (Foto: Daniel Bahrmann / Fotolia)

Welche Nachweise sind nötig? Nach einem Urteil wollen Politiker nun die gesetzlichen Grundlagen überprüfen. (Foto: Daniel Bahrmann / Fotolia)


Nach einem Grundsatzurteil darf ein Homöopathie-Hersteller für sein Produkt werben, obwohl dessen Nutzen sogar in der zuständigen Homöopathie-Kommission verneint wird. Für Linken-Politikerin Kathrin Vogler und den SPD-Gesundheitsexperten Edgar Franke ist dies problematisch: Sie wollen Hand ans Arzneimittelgesetz legen – und die Rolle von Apothekern stärken.

In der vergangenen Woche entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einen jahrelangen Rechtsstreit: Das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) muss dem Homöopathie-Hersteller Cefak die Zulassung für sein Produkt Cefamadar verlängern, obwohl es keinen Nachweis für dessen Wirksamkeit gibt. Cefak darf somit weiter mit der Aussage werben, es unterstütze „auf natürliche und schonende Weise die Gewichtsabnahme“.

Die beim BfArM für Homöopathie zuständige Kommission D hatte bei der ersten Zulassung zwar die Indikation „Fettleibigkeit“ anerkannt. Doch die Homöopathie-Experten widerriefen später ihre Einschätzung, so dass ein Verlängerungsantrag im Jahr 2008 abgelehnt wurde. Zu Unrecht, wie jetzt die Richter in letzter Instanz entschieden: Zwar sei kein Nutzen nachgewiesen, jedoch auch kein Risiko – und das Grundgesetz schütze auch die Position des Pharmaunternehmers, die er „aus der Marktteilnahme seines Produkts“ bereits erlangt hat, wie schon die Vorinstanz entschieden hatte.

„Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts macht deutlich, dass homöopathische Arzneimittel auf dem Markt sein können, für die nicht nachgewiesen ist, dass sie zur Behandlung der in der Packungsbeilage genannten Erkrankungen auch tatsächlich geeignet sind“, erklärt nun die gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Kathrin Vogler, gegenüber DAZ.online. Für die Öffentlichkeit sei also nicht nachvollziehbar, wann ein staatlich zugelassenes Anwendungsgebiet auf wissenschaftlichen Belegen basiert – und wann nicht.

Vogler: Staatliche Aussagen müssen seriös sein

„Das ist eine sehr problematische Situation und nicht akzeptabel“, betont Vogler. Nachdem die Gesetzesauslegung nun höchstrichterlich entschieden wurde, könne „nur eine Gesetzesänderung“ für mehr Klarheit und Verlässlichkeit sorgen“. Sie fordert die Bundesregierung auf, noch das laufende Arzeimittelversorgungsstärkungsgesetz zu nutzen, um die Probleme zu beheben. Ihrer Meinung nach erwarteten Patienten zu Recht, „dass staatliche Aussagen zu Arzneimitteln seriös sind“. Dieser „Arzneimittel-TÜV“ sollte ihrer Auffassung nach ausgebaut werden.

Dass es für homöopathische Arzneimittel grundsätzlich keine festen Anwendungsgebiete gibt, entspreche einerseits dem Konzept der Homöopathie, sagt Vogler. Andererseits folge es auch der Maxime, dass in der Zulassung keine Aussagen getroffen werden dürfen, die wissenschaftlich nicht haltbar sind. Alle Therapierichtungen sollten wissenschaftlichen Kriterien entsprechen, betont sie – „erst recht, wenn sie aus Mitteln des Solidarsystems finanziert werden“. 

Nachvollziehbare Wirkung, stärkere Rolle von Apothekern

Das jetzige Arzneimittelgesetz (AMG) suggeriere, es gäbe verschiedene Wissenschaften, die quasi gleichberechtigt nebeneinanderstehen und zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. „Das ist natürlich nicht so“, sagt die Linken-Politikerin. „Ich sehe es kritisch, dass staatliche Stellen wie die Kommission D beim BfArM etwas Anderes suggerieren“, erklärt sie. Alle Therapierichtungen müssten die gleiche Chance zur Teilnahme an der Regelversorgung in der GKV haben – was im Regelfall klinische Studien erfordere.

Auch aus Sicht des SPD-Gesundheitsexperten Edgar Franke ist es ungünstig, wenn ein Produkt mit einer Indikation beworben werden darf, die in keinster Weise nachvollziehbar ist. „Ich halte das nicht für unproblematisch“, betont er auf Nachfrage – gerade im Hinblick auf den OTC-Bereich. Aufgabe des Bundestags sei es, sich derartige Fälle anzusehen und die gesetzlichen Grundlagen zu prüfen. „Deshalb muss man sich das angucken“, erklärt Franke.

Darüber hinaus müssten nach Ansicht von Franke Pharmazeuten stärker in die Beratung einbezogen werden. „Solche Beispiele sprechen auch dafür, dem Apotheker eine stärkere Rolle im Rahmen des Medikationsplans zu geben“, erklärt der Gesundheitspolitiker gegenüber DAZ.online.

Wirksamkeitsnachweis nicht notwendig

In seinem schriftlich noch nicht vorliegenden Urteil hatte das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidungen zweiter Vorinstanzen bestätigt, nach denen trotz des fehlenden Nutzennachweises das BfArM die Verlängerung der Zulassung nicht untersagen darf. Während die Wirksamkeit bei der ersten Zulassung nachgewiesen werden muss, darf die Behörde bei einer Verlängerung laut Arzneimittelgesetz nur dann Widerspruch einlegen, wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis negativ ist.

Doch anders als das BfArM es sah, ist dies laut den Richtern hier nicht der Fall: Zwar fehlt der Nutzennachweis, doch der Behörde sei es auch nicht gelungen, ein relevantes Risiko nachzuweisen. Auch dass das homöopathische Präparat aus der Kronenblume (Calotropis gigantea) gewonnen wird, die einen hohen Gehalt an toxischen Herzglykosiden enthält, hielt sie nicht ab. Dabei hatten die Richter des Oberverwaltungsgerichts Münster argumentiert, die Verdünnung mit 1:10.000 sei nach den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes zumindest ein „Indiz für die Unbedenklichkeit“. Gleichzeitig sei es dem BfArM nicht gelungen, ernstzunehmende Erkenntnisse vorzulegen, nach denen das Produkt „bei bestimmungsgemäßem Gebrauch Nebenwirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen“.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Wirksamkeit überprüfen!

von Mag. Gunther Krausz am 07.12.2016 um 11:53 Uhr

Die Homöopathie beansprucht für sich nicht weniger und nicht mehr als die anerkannte Medizin: Sie gibt vor, Linderung oder Heilung bei verschiedenen Leiden oder Krankheiten zu bieten. Da liegt es doch nahe, diese Wirkungen ganz sauber und seriös, wie es auch in der Schulmedizin üblich und vorgeschrieben ist, in Doppel-Blind-Studien zu belegen. Methodisch spricht da absolut nichts dagegen, die zu erreichende Wirkung könnte wie bei jeder anderen Therapie oder Medikation eindeutig festgestellt werden, sollte sie tatsächlich vorhanden sein. Die Kriterien für den Nachweis der Wirksamkeit sind trivial: Die Therapie muß eine signifikant höhere Wirksamkeit haben als ein Placebo (solche Ergebnisse werden vereinzelt berichtet) UND die Ergebnisse der Studie müssen reproduzierbar sein (das ist leider bei Homöopathie-Studien so gut wie nie gelungen!). Nicht reproduzierbare signifikante Wirksamkeitsnachweise kommen methodenbedingt immer wieder vor, das liegt an den statistischen Methoden. Bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% (in der Wissenschaft üblich) wird jede zwanzigste Studie zufällig ein signifikantes Ergebnis liefern. Daher ist die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse so wichtig. Durch sie werden Unsicherheiten bezüglich der Ergebnisse praktisch ausgeräumt.
Man fragt sich, warum eindeutige Wirksamkeitsnachweise in der Homöopathie immer noch nicht vorliegen, und sich die Vertreter dieser Richtung so gegen eine sytematische Untersuchung wehren! Es gibt keine begründbaren Einwände gegen die seriöse Wirsamkeitsuntersuchung. Jeder bilde sich also seine eigene Meinung zur Homöopathie.

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Unseriöse Berichterstattung

von Homöopathie-Wissen am 07.12.2016 um 9:51 Uhr

Herr Hinnerk Feldwisch-Drentrup als Redakteur formuliert seinen Bericht reißerisch und unseriös. Er läßt es so ausschauen, als stünde die Zulassung aller Homöopathika auf dem Prüfstand wegen fehlendem Nutzen, dabei handelt es sich um die Überprüfung eines spezielles Produktes, dass ich hiermit nicht bewerten möchte.
Es gibt aber genügend wissenschaftliche veröffentliche Untersuchungen zum Thema Wirksamkeit der Homöopathie, nachzulesen unter http://www.wisshom.de/index.php?menuid=102.

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AW: Unseriöse Berichterstattung

von Skeptiker am 07.12.2016 um 11:03 Uhr

Siehe dazu http://www.beweisaufnahme-homoeopathie.de/?p=2883.

Es wäre sehr sinnvolll, wenn die Zulassung aller Homöopathika auf dem Prüfstand stehen würde. Der fehlende Nutzen ist eindeutig belegt.Es sei denn, man stuft die finanzielle Bereicherung der Hersteller als Nutzen ein.

AW: Unseriöse Forschungwisshom

von Mr. MIR am 12.12.2016 um 16:18 Uhr

siehe: http://beweisaufnahme-homoeopathie.de

Ramen.

Homöopathie

von Wuensche am 07.12.2016 um 9:03 Uhr

Für die Homöopathie spricht, dass der Placeboeffekt von der Pharmaindustrie erheblich teurer vermarktet wird.

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