Welttag Suizidprävention:

Kontakt aufnehmen, offen kommunizieren und aktiv werden

09.09.2016, 15:00 Uhr

„Gefährdete müssen wieder einen Weg erkennen können“, sagt Willy Riemer von der Krisenhilfe Münster. (Foto: Jamrooferpix / Fotolia)

„Gefährdete müssen wieder einen Weg erkennen können“, sagt Willy Riemer von der Krisenhilfe Münster. (Foto: Jamrooferpix / Fotolia)


Ein Experte im Gespräch: „Betroffenen kann man helfen“ ...

... sagt Willy Riemer von der Krisenhilfe Münster im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Der ehemalige Pastoralreferent hat über 15 Jahre Betroffene und ihre Angehörigen begleitet und berät ehrenamtlich Menschen, die in Lebenskrisen stecken.

„Gefährdete müssen wieder einen Weg erkennen können“, sagt der Experte. Dass Menschen nicht mehr leben wollen, heiße eigentlich nur eines: Sie wollen so wie jetzt nicht mehr leben. Riemer ist überzeugt, dass bereits kleine Gespräche oft helfen könnten. Das vollständige Interview mit Willy Riemer lesen Sie im Kasten.

„Betroffenen kann man helfen“

dpa: Was bewegt einen Menschen dazu, nicht mehr Leben zu wollen?

Riemer: „Ich will nicht mehr leben“ bedeutet eigentlich: Ich will so nicht mehr leben. Es sind in der Regel komplexe Themen, die uns Menschen in tiefe Krisen stürzen. Wenn zum Beispiel jemand seinen Job verliert, bedeutet das nicht nur den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern auch den Verlust von finanzieller Sicherheit und sozialer Anerkennung. Der Betroffene sieht in seinem Leben keine Perspektive mehr. Ein Beispiel ist Griechenland. Früher hat es dort verschwindend wenige Suizide gegeben. Aber als Griechenland in die Krise gekommen ist, sind die Zahlen sprunghaft angestiegen.

dpa: Woran können Freunde und Familienmitglieder merken, dass jemand suizidgefährdet ist?

Riemer: Die Angehörigen fallen oft aus allen Wolken und sagen: Oh Gott, ich habe ja gar nichts gemerkt. Können sie auch nicht. Wenn der Entschluss wirklich gefallen ist, sind suizidgefährdete Menschen ganz ruhig, und das Umfeld bekommt nichts mit. Aber Signale können zum Beispiel sein, dass Menschen ihre Art der Kommunikation und ihre Art zu Leben oder auch ihre Werte plötzlich verändern. Rückzug kann ein Hinweis sein, oder auch das Regeln von Hab und Gut. Der Betroffene verschenkt dann Sachen, die ihm viel bedeutet haben. Manchmal fallen Bemerkungen, die auf den Suizid hinweisen, aber in dem Kontext nicht verstanden werden.

dpa: Was hilft suizidgefährdeten Menschen?

Riemer: Sie müssen wieder einen Weg für sich erkennen. Das, was sich den Menschen als großes Chaos darstellt, in dem es keine Perspektive gibt, kann im gemeinsamen Gespräch sortiert werden. Durch das Differenzieren wird sichtbar, welche Problembereiche es gibt. „Welcher Schuh drückt am meisten?“, ist eine wichtige Frage. Durch das Sortieren wird der Druck insgesamt schon reduziert. Der Berg kann sprichwörtlich nur Stein für Stein abgetragen werden.



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