Welttag Suizidprävention:

Kontakt aufnehmen, offen kommunizieren und aktiv werden

09.09.2016, 15:00 Uhr

„Gefährdete müssen wieder einen Weg erkennen können“, sagt Willy Riemer von der Krisenhilfe Münster. (Foto: Jamrooferpix / Fotolia)

„Gefährdete müssen wieder einen Weg erkennen können“, sagt Willy Riemer von der Krisenhilfe Münster. (Foto: Jamrooferpix / Fotolia)


Immer noch Tabuthema

„Suizid ist so gut wie immer ein plötzlicher Tod“, sagt die Geschäftsführerin des Vereins Agus, Elisabeth Brockmann. „Da zieht es einem sofort den Boden unter den Füßen weg.“ Ein weiteres Problem: „Suizid ist eine sehr stigmatisierte Todesursache. Hinterbliebene werden schief angeguckt.“

Elfriede Loser hat den Verlust ihres Lebensgefährten verarbeiten können, ist heute glücklich verheiratet. „Das ist schon ein jahrelanger Prozess, aber die Verzweiflung und auch die Wut haben aufgehört.“ Es sei für Hinterbliebene wichtig, „gnädig zu sein zu sich selbst“, sagt sie. „Ich habe alles getan zu Lebzeiten, was ich tun konnte, aber an seiner letzten Entscheidung war ich nicht beteiligt.“ Doch sie befürchtet: „Auf dieser Todesart wird immer ein Tabu bleiben.“

Mit dieser Befürchtung trifft Elfriede Loser auch die Einschätzung der International Association for Suicide Prevention (IASP). Suizid ist nicht nur gesellschaftlich stigmatisiert, auch Suizidgefährdeten fällt es schwer, über ihre Suizidgedanken mit ihrem behandelnden Arzt oder Therapeuten zu sprechen. Nach Angaben der IASP, suchen Patienten vor verübtem Suizid auffallend häufig einen Arzt auf. Die Suizidgefährdung bleibe allerdings häufig unerkannt. Betroffene hätten oft Angst, als psychisch krank abgestempelt oder nicht ernst genommen zu werden. Manche fürchten einen Autonomieverlust durch zwangsweise Behandlung.

Suizide in Deutschland: Wo finden Gefährdete Hilfe?

In Deutschland sterben jedes Jahr etwa 10.000 Menschen durch Suizid – das sind so viele wie durch Verkehrsunfälle, HIV, illegale Drogen und Gewalttaten zusammen. 70 Prozent der durch Suizid Verstorbenen sind Männer, das durchschnittliche Lebensalter liegt bei 58 Jahren.

Die Anzahl der Suizidversuche liegt deutlich höher: Rund 100.000 Menschen versuchen jährlich sich das Leben zu nehmen. Die Versuche zum Suizid werden hauptsächlich von jüngeren Frauen unternommen. Etwa jeder Dritte unternimmt einen weiteren Versuch, zehn Prozent sterben letztendlich.

Suizidversuche sollten immer ernst genommen werden, als „Hilferufe“ der Betroffenen und Zeichen schwerwiegender psychischer Probleme.

Hilfe, auch anonym, finden Betroffene bei der Telefonseelsorge, die auch im Chat oder per E-Mail erreichbar ist.

Suchen Menschen Hilfe in einem persönlichen Gespräch, können sie sich an Ärzte, Psychologen, psychiatrische Kliniken, Psychiater und Pfarrer (Rabbiner, Imam) wenden. Ärzte und Psychologen unterliegen der Schweigepflicht. Pfarrer sind an das Beicht- und Seelsorgegeheimnis gebunden. 

Die Seite für Suizidprophylaxe nennt ebenfalls Anlaufstellen für Betroffene. Auch gibt es eigene Beratungsangebote für suizidgefährdete Jugendliche. Das Besondere: Die Jugendlichen werden von speziell ausgebildeteten Gleichaltrigen betreut.



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