Megaübernahme

Bayer will Monsanto für 62 Milliarden US-Dollar kaufen

Leverkusen / St. Louis - 23.05.2016, 10:20 Uhr

Derzeit heiß umstritten: Monsanto stellt unter anderem den Unkrautvernichter Round-Up her, der Glyphosat enthält. (Foto: Mike Mozart / Flickr)

Derzeit heiß umstritten: Monsanto stellt unter anderem den Unkrautvernichter Round-Up her, der Glyphosat enthält. (Foto: Mike Mozart / Flickr)


Mit der Übernahme von Monsanto will Bayer milliardenschwere Synergien erzielen. Der Leverkusener Konzern würde zum weltweit größten Agrochemie-Hersteller werden. Für sein Image dürfte die Übernahme allerdings kontraproduktiv sein: Ein Greenpeace-Sprecher bezeichnete Monsanto als „das personifizierte Übel“.

Der deutsche Pharma- und Chemiekonzern Bayer will den US-amerikanischen Agrochemie-Spezialisten Monsanto für 62 Milliarden US-Dollar schlucken. „Wir sind seit langem von Monsanto beeindruckt und teilen die Überzeugung, dass durch ein integriertes Geschäft erheblicher Wert für die Aktionäre beider Unternehmen entstehen würde“, sagte Bayer-Chef Werner Baumann am Montag laut Mitteilung. Er hatte das Ruder bei Bayer erst vor drei Wochen übernommen – und angekündigt, den eingeschlagenen Kurs fortzuführen. 

Wie der Dax-Konzern am Montag mitteilte, bieten die Leverkusener je Monsanto-Aktie 122 US-Dollar (108,70 Euro) in bar. Zum genannten Gesamtpreis werden noch die Schulden von Monsanto hinzugerechnet. Die schriftlich unterbreitete Offerte entspreche einem Aufschlag von 37 Prozent auf den Schlusskurs der Monsanto-Aktie vor zwei Wochen, erklärte Bayer. Kurz danach waren erste Übernahme-Spekulationen aufgekommen.

Milliardenschwere Einsparungen erwartet

Zur Finanzierung setzt Bayer neben dem Einsatz von Fremdkapital auch auf eine Kapitalerhöhung. Der Eigenkapitalanteil solle rund 25 Prozent abdecken, hieß es. Bereits am vergangenen Donnerstag hatten die Übernahmegespräche den Bayer-Aktienkurs stark belastet und die Monsanto-Bewertung kräftig in die Höhe getrieben. Am Montag fiel die Bayer-Aktie vorbörslich beim Broker Lang & Schwarz um weitere 3 Prozent.

Der Zusammenschluss soll laut Bayer im ersten vollen Jahr nach dem Abschluss der Transaktion einen positiven Beitrag zum bereinigten Ergebnis je Aktie im mittleren einstelligen Prozentbereich leisten und später im zweistelligen Prozentbereich. Die Synergien dürften nach drei Jahren bei rund 1,5 Milliarden Dollar pro Jahr liegen, hieß es weiter.

Monsanto wird vom Jäger zum Gejagten

In der Chemiebranche brodelt seit langem die Gerüchteküche über die Zukunft der Unternehmen, die sich auf das Geschäft mit der Landwirtschaft spezialisiert haben. Dieses steht wegen niedrigerer Preise für Agrarprodukte, der Turbulenzen in den Schwellenländern und der Rezession in Brasilien seit einiger Zeit unter erheblichem Druck. Aus diesem Grund war auch der weltgrößte Chemiekonzern BASF als möglicher Interessent für Monsanto genannt worden.

Das US-Unternehmen wiederum will sein Saatgutgeschäft seit längerem stärken und hatte dazu selbst immer wieder eigene Zukäufe oder Partnerschaften im klassischen Pflanzenschutz ins Auge gefasst. In jüngster Zeit war Monsanto aber mit seinen Übernahmeplänen in Europa aber gescheitert.

So blitzte Monsanto etwa im vergangenen Jahr beim schweizerischen Konzern Syngenta ab. Diesen will nun das chinesische Unternehmen ChemChina für 43 Milliarden Dollar schlucken. Jetzt ist Monsanto selbst zu einem Übernahmekandidaten geworden, zumal der Aktienkurs des Unternehmens in der Vergangenheit unter anderem wegen einer gekappten Gewinnprognose unter Druck stand.

Gesamte Branche in Bewegung

In der Chemiebranche dreht sich das Fusionskarussell nicht nur beim Geschäft mit Agrarrohstoffen. So planen die US-Konzerne Dow Chemical und Dupont ihren Zusammenschluss. Sie würden damit erst einmal den Branchenprimus BASF vom Thron stoßen. Allerdings wollen sich die beiden US-Konzerne nach der geplanten Fusion in drei börsennotierte Unternehmen aufspalten, darunter ein schlagkräftiger Agrarchemiekonzern.

Bayer selbst hat den Schwerpunkt zuletzt vor allem auf sein Pharmageschäft ausgerichtet. So wurde das bei der Tochter Covestro geparkte Chemiegeschäft zum Teil an die Börse gebracht. Aktuell halten die Leverkusener noch 64 Prozent - doch Bayer will sich komplett von Covestro trennen. Auch das Tiermedizingeschäft könnte laut Analysten zur Finanzierung der Megaübernahme herangezogen werden. 

Monsanto sei „das personifizierte Übel“

Zur Amtsübernahme hatte Baumann angekündigt, es werde keinen Strategiewechsel geben. Stattdessen setze sein Führungsteam auf Kontinuität. Die Nachricht von der angepeilten Übernahme kommt nun zu einem vergleichsweise schlechten Zeitpunkt: Seit Tagen wird wieder intensiv über den Wirkstoff Glyphosat diskutiert, den Monsanto in seinem Unkrautvernichter „Roundup“ nutzt.

Bisher können sich die EU-Staaten nicht einigen, ob die in Europa auslaufende Zulassung verlängert wird. Dass Glyphosat gesundheitsschädlich sei, dementiert Monsanto mit Nachdruck - und verweist auf eine Mitteilung der Weltgesundheitsorganisation WHO, die „ein weiterer Beweis dafür ist, dass dieses wichtige Herbizid keinen Krebs auslöst“.

Der mögliche Milliardendeal wirft ein Schlaglicht auf den Gebrauch von Gentechnik in der Landwirtschaft. „Monsanto steht für das Problem gentechnisch veränderter Sorten wie kein anderer Konzern“, betont Dirk Zimmermann, Agrarexperte bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Als führender Agrarmulti ist Monsanto ohnehin ein Lieblingsfeind aller Gentechnik-Gegner: Immer mehr Bauern sind weltweit vom genmodifizierten Saatgut des Unternehmens abhängig. „Monsanto ist der Konzern, der für das personifizierte Übel der industrialisierten Landwirtschafts-, Agrar- und Chemieindustrie steht“, meint er.

Bayer kauft auch Probleme ein

Ärger gehört für die Amerikaner zum Geschäft. So war der Konzern etwa über ein Gemeinschaftsunternehmen mit Bayer an der Herstellung des Entlaubungsmittels „Agent Orange“ beteiligt, das die US-Armee im Vietnamkrieg nutzte. Immer wieder setzt sich Monsanto gegen Vorwürfe zur Wehr, die Wirkung seiner Mittel zu verharmlosen.

Hinzu kommen unzählige juristische Scharmützel. Denn die Verträge, die das Unternehmen mit den Landwirten abschließt, haben es in sich: So darf ein Bauer die patentrechtlich geschützten Pflanzensorten nicht einfach nachzüchten und dann auf seinen Feldern aussähen. Er muss stets neues Saatgut von Monsanto kaufen. 


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