Hausarztvertrag in Baden-Württemberg

Bahr auf „Informations- und Lernbesuch“ in Stuttgart

Stuttgart - 02.02.2012, 09:49 Uhr


Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will weiterhin eine freie Arzt- und Krankenkassenwahl. Er setzt sich aber ebenso für Vielfältigkeit und Regionalität im Gesundheitssystem ein und beobachtet die Erfahrungen der in Baden-Württemberg praktizierten Hausarzt- und Facharztverträge „mit großem Interesse“.

In Baden-Württemberg schlossen AOK, Hausärzteverband und MEDI Verbund vor über drei Jahren den ersten Vollvertrag zur hausarztzentrierten Versorgung (HZV), der den Hausarzt als Lotsen in den Mittelpunkt der ärztlichen Versorgung rückt. Auf freiwilliger Basis koordiniert der Hausarzt alle Schritte eines Patienten, insbesondere der chronisch erkrankten, multimorbiden und der älteren. Mittlerweile nehmen über eine Millionen Versicherte der AOK und mehr als 3.500 Hausärzte in der Region an dieser Form der Kooperation teil.

„Die Hausarztverträge in Baden-Württemberg sind die Mutter der Hausarztverträge und damit Vorreiter für neue, patientenorientierte Versorgungsstrukturen“, sagte Bahr. Menschen beurteilten ein Gesundheitssystem nach der flächendeckenden Zugänglichkeit und Betreuung. Er will den Arzt nicht weiter als Einzelkämpfer sehen, sondern als Teil einer verbundenen Betreuung, die untereinander abgestimmt wird. Die hausarztzentrierte Versorgung helfe dabei, so Bahr. Der Minister kann sich in diesem Zusammenhang auch die Einbindung der Kommunikation mit Apotheken vorstellen.

Dr. Christopher Hermann, Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg betonte, dass die hausarztzentrierte Versorgung kein Sparmodell ist: „Wir sind keine Sparkasse – wir sind Gesundheitskasse!“ Die Auswertungen bestätigen den Erfolg des Modells. Die jüngste Umfrage habe gezeigt, dass über 96 Prozent der teilnehmenden Patienten zufrieden bis sehr zufrieden seien und über 90 Prozent es auch an Freunde und Bekannte weiterempfehlen würden.

Europaweit einmalig, so Dr. Berthold Dietsche, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg, sei außerdem die Arbeit in den 391 Qualitätszirkeln. In regelmäßigen Abständen – vier bis sechs Mal im Jahr – behandeln die Hausärzte darin spezifische hausärztliche Themen, um zur Verbesserung der Qualität beizutragen. Er gab auch zu bedenken, dass ein Drittel der Hausärzte in Baden-Württemberg in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand gehen werde. Ziel des Modells sei es daher auch, eine „Zukunftsvision der hausärztlichen Praxis zu schaffen“, so Dietsche.

Der Vorsitzende von MEDI Baden-Württemberg, Dr. Werner Baumgärtner betonte die Rolle des Facharztes im Rahmen des Projekts. Denn ohne die Zusammenarbeit könne es teuer werden, beispielsweise wenn „am Facharzt vorbei ins Krankenhaus“ eingewiesen werde. Durch die Einbindung des Facharztes haben ihm zufolge alle etwas: Patient, Arzt und die Krankenkassen. „Ich würde mich freuen, wenn die Modellregion Baden-Württemberg ausgeweitet wird“, schloss Baumgärtner.


Juliane Ziegler