Frühlingserwachen der Hausarztverträge

Berlin (ks). Bereits seit April letzten Jahres sind die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, ihren Versicherten spezielle Hausarztprogramme anzubieten. Die Kassen taten sich bislang schwer mit der Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgabe. Nun ist Bewegung in die neue Vertragswelt gekommen: In der vergangenen Woche wurden gleich drei große Hausarztverträge vorgestellt.

Kassen schließen neue Verträge – mal mit, mal ohne KV-Beteiligung

Zwei bundesweit gültige Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung präsentierte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) am 6. Mai in Berlin. Die Verträge mit unterschiedlichen Schwerpunkten wurden zwischen der Knappschaft bzw. der Direktkrankenkasse BIG Gesundheit mit der Arbeitsgemeinschaft Vertragskoordinierung (ARGE) geschlossen. Die ARGE ist ein Zusammenschluss von 15 Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und der KBV. Nicht beteiligt am Vertrag sind die KVen Bayern und Baden-Württemberg – die dort niedergelassenen Ärzte können sich über die KBV aber dennoch an ihm beteiligen. Für die KBV ist der Vertrag schon jetzt ein Erfolg: "Wir gestalten den Wettbewerb – und zwar zum Nutzen für Patienten und Ärzte. Mit diesem Hausarztvertrag haben wir unsere Kompetenz ganz klar unter Beweis gestellt", erklärte KBV-Vorstand Dr. Carl-Heinz Müller. Der mit der Knappschaft geschlossene Vertrag garantiere deren 1,6 Millionen Versicherten flächendeckend eine wohnortnahe ambulante medizinische Versorgung und den Ärzten eine angemessene Extra-Vergütung – die Teilnahme ist aber für beide Seiten freiwillig. Pro Quartal erhalten teilnehmende Ärzte 9 Euro für jeden eingeschriebenen Versicherten. In Zukunft soll der Hausarztvertrag um zusätzliche Module erweitert werden, etwa um ein Arzneimittelmanagement. Müller zufolge gibt es überdies bereits den Entwurf eines Gesamtvertrags zwischen der Knappschaft und der KBV. Er wäre der erste bundesweite Vertrag dieser Art – er soll flankierend zum Hausarztvertrag und wie dieser zum 1. Juli in Kraft treten.

Im Vertrag mit der Direktkrankenkasse BIG, deren 380.000 Versicherte zum Großteil jung und gesund sind, steht die Prävention im Vordergrund. Sein Ziel ist, gesundheitsbewusstes Verhalten zu fördern und dadurch schwerwiegende Erkrankungen möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen. An dem neuen Modell, das rückwirkend zum 1. April startet, können neben Hausärzten auch Kinder- und Jugendärzte teilnehmen. Damit soll die Prävention und Früherkennung von Krankheiten bereits vom frühen Kindesalter an gefördert werden. Wo es einen Mangel an Kinderärzten gibt, können auch Hausärzte die entsprechenden Früherkennungsuntersuchungen durchführen. Der Vertrag sieht für die teilnehmenden Vertragsärzte ein zusätzliches Honorar von jährlich 28 Euro je Versicherten vor.

Es geht auch ohne KV

Ganz ohne KV- oder KBV-Beteiligung kam dagegen der am 8. Mai in Berlin vorgestellte Hausarztvertrag der AOK Baden-Württemberg zustande: sie hielt sich an freie Ärzteverbände als Vertragspartner, den Deutschen Hausärzteverband und den MEDI Verbund. Auch hier sind die Beteiligten von ihrem Konzept überzeugt. AOK-Vorstandschef Dr. Rolf Hoberg will mit dem Vertrag nicht zuletzt der Bürokratie den Garaus machen: "Stethoskop statt Stift lautet unser Motto, was heißen soll, dass der Hausarzt in Baden-Württemberg jetzt seine Zeit nicht mit Formularen, sondern mit dem Patienten verbringen kann." Aber auch die Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit soll verbessert werden. Beim Deutschen Hausärzteverband spricht man von einem "Meilenstein" für die hausärztliche Versorgung. Die leistungsgerechte Honorierung in festen Eurobeträgen ohne Budgetierung und Abstaffelung sichere die wirtschaftliche Zukunft der hausärztlichen Praxen und macht das Fach wieder für den Nachwuchs attraktiv. Der Vertrag wird am 1. Juli starten. Die AOK erwartet, dass bis Ende 2009 mindestens eine Million ihrer Versicherten und 5000 Hausärzte in Baden-Württemberg dabei sein werden. Die Mindestlaufzeit des Vertrages beträgt fünf Jahre. Was Skeptikern als eine langfristige Einschränkung der freien Arztwahl erscheinen mag, ist aus Sicht der AOK "eine solide Perspektive für eine sorglose hausärztliche Versorgungszukunft im Südwesten"..

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.