SPD-Leitantrag

Wer steht wirklich für einen liberalisierten Arzneimittelvertrieb?

Berlin - 07.12.2011, 15:20 Uhr


Der Passus zum Arzneimittelvertrieb im gestern vom SPD-Parteitag beschlossenen Leitantrag zur Gesundheitspolitik gefällt nicht allen Sozialdemokraten. So hatte sich die SPD-Gesundheitspolitikerin Marlies Volkmer im Vorfeld des Parteitages bemüht, den entscheidenden Satz zu streichen. Dafür sollte ein über den SPD-Landesverband Sachsen eingebrachter Änderungsantrag sorgen. Doch dieser verlief im Sande.

Nach der Formulierung im Leitantrag verspricht sich die SPD von einer Liberalisierung Einsparungen durch größere Vertriebsstrukturen. Diese Einsparungen sollen vor allem den Versicherten zugutekommen und nicht zwischen den verschiedenen Leistungserbringern umverteilt werden, „wie es sich Schwarz-Gelb zum Prinzip gemacht hat“. Angesichts einiger Aussagen von SPD-Gesundheitspolitikern lässt diese Aussage durchaus aufhorchen. So hat sich etwa Marlies Volkmer bislang stets hinter die inhabergeführte Apotheke gestellt und aus ihrer Abneigung gegen Apothekenketten keinen Hehl gemacht. Dass durch Ketten mehr Effizienz zu erzielen sei, hielt sie bereits im Jahr 2006 für widerlegt. Auch Carola Reimann, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestages, hatte im Februar 2010 im DAZ-Interview erklärt, nicht am EuGH-Urteil zum Fremd- und Mehrbesitz rütteln zu wollen. Sie betonte damals aber, dass sich die Apotheker nicht auf dem Urteil „ausruhen“ dürften. Auch die Politik müsse „für dieses Thema immer sensibel bleiben“. Als „sensibel“ lässt sich die Formulierung im Leitantrag indes kaum bezeichnen.

Immerhin sorgte Volkmer dafür, dass der sächsische SPD-Landesverband aktiv wurde. Sie selbst war keine Delegierte des SPD-Parteitags. Der Landesverband plädierte in seinem Änderungsantrag dafür, die Liberalisierung des Arzneimittelvertriebs als Ziel aus dem Leitantrag „Gesundheitspolitik“ zu streichen. Er wollte stattdessen folgende Aussage unterbringen: „Unser Ziel ist eine hochwertige, sichere und preiswerte Arzneimittelversorgung für alle Versicherten“. Mit dem SPD-Vorstand im Einklang stehen die sächsischen Sozialdemokraten in ihrem Bestreben, die Einsparungen den Versicherten und nicht den Leistungserbringern zukommen zu lassen. Den Hinweis auf die Regierungskoalition spart sich der Änderungsantrag jedoch. Zur Begründung heißt es, nicht allein der Preis eines Medikamentes sei entscheidend. Ebenso wichtig sei auch die Qualität der Arzneimittelversorgung. „Dies beinhaltet auch die Sicherstellung einer wohnortnahen verlässlichen Versorgung der Patientinnen und Patienten, wie sie durch die öffentlichen Apotheken erbracht wird“. Volkmer schreibt darüber in ihren auf ihrer Webseite veröffentlichten „Berliner Notizen“, dass ein Verkauf von Arzneimitteln in Tankstellen und Drogeriemärkten ohne Beratung und qualifiziertes Personal aus Gründen des Verbraucherschutzes nach wie vor abgelehnt werde.

Allem guten Willen zum Trotz: Über den Änderungsantrag wurde letztendlich aus formalen Gründen nicht einmal abgestimmt. Im Berliner Büro von Frau Volkmer konnte man nicht sicher beantworten, was genau das Problem war. Ob der Antrag angenommen worden wäre, ist ohnehin eine weitere Frage. Änderungsanträge der „Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Gesundheitswesen“ (ASG) hätten jedenfalls immer nur rund ein Drittel der Stimmen auf sich vereinigen können, hieß es.

Wo genau der Passus zum Arzneimittelvertrieb herrührt, ist derzeit unklar. Bislang hatte sich lediglich der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach, wiederholt als Freund von Apothekenketten ins Gespräch gebracht. Mit dem nun vom SPD-Parteitag beschlossenen Leitantrag habe Lauterbach jedoch nichts zu tun, versicherte sein Büro. Apothekenketten seien weder in der Fraktion noch in der ASG ein Thema gewesen. Wie ernst es der SPD es nun wirklich mit der Effizienzhebung im Arzneimittelvertrieb ist, wird sich wohl erst herausstellen, wenn sie wirklich wieder an die Regierung kommt.


Kirsten Sucker-Sket