ABDA-Wahlen 2020

Aufbruch, Digitalisierung, Teamspiel und Wertschätzung durch Honorierung

Wofür sich ABDA-Präsidentschaftskandidatin Gabriele Regina Overwiening einsetzen will

tmb | Am 9. Dezember wird das Amt des ABDA-Präsidenten neu besetzt und es scheint sicher, dass dann erstmals eine Präsidentin der Dachorganisation der Apotheker auf Bundesebene vorstehen wird. Denn Gabriele Regina Overwiening, die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, ist die einzige Kandidatin bei dieser Wahl. Am 18. November stellte Overwiening in einem Vortrag bei der Online-Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein ihre Ziele und Ideen für ihr erwartetes neues Amt vor.
Foto: Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Hand in Hand – Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening begrüßt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beim Westfälisch-lippischen Apothekertag im vergangenen Jahr.

Dort beschrieb Overwiening ihre Grundhaltung mit dem Sartre-Zitat, sie wolle „der Wirklichkeit zur Wirksamkeit verhelfen“. Denn die Wirklichkeit der Arbeit der Apotheker scheine in der Politik und der Öffentlichkeit nicht immer wirksam zu werden. Dies betreffe sechs Kernthemen.

Gegen die Bagatellisierung des Arzneimittels

Erstens beklagte sie die Bagatellisierung des Arzneimittels. Viele würden nur den Preis eines Arzneimittels als Qualität wahrnehmen und bekämen es gerne bequem auf die Couch geliefert. Dem müssten die Apotheker geschlossen entgegentreten, weil die Apotheke eng mit dem Arzneimittel verbunden sei. Da die Arzneimittelversorgung Daseinsvorsorge und Staatsauftrag sei, müsse auch der Staat gegen die Bagatellisierung ­eintreten.

Aufbruch im Umbruch

Zweitens möchte die angehende ABDA-Präsidentin den gesellschaftlichen und technologischen Umbruch für einen pharmazeutischen Aufbruch nutzen. Angesichts immer komplexerer Arzneitherapien sei die Zeit reif. „Man braucht uns dafür“, erklärte Overwiening im Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapiesicherheit.

Digitalisierung zum Nutzen von Patienten und Apotheken

Drittens möchte sie „den Nutzen der Digitalisierung für die Apotheken heben“. Die Patienten sollten so besser versorgt und mehr an die Apotheken gebunden werden. Die Digitalisierung solle die Apotheker in die häusliche Umgebung der Patienten bringen. „Dafür ist eine starke ABDA nötig, die sich traut, an die Spitze der Digitalisierung zu gehen“, erklärte Overwiening. Die ABDA müsse selbst Innovationsmotor sein. Die Apotheker sollten die Angst vor nicht steuerbaren disruptiven Prozessen ablegen, forderte Overwiening. Stattdessen sei Begeisterung für die Digitalisierung gefragt.

Honorierung als Basis für unverzichtbare Arbeit

Viertens betonte Overwiening, die Apotheke vor Ort sei das Fundament für diese Arbeit. Sie müsse stabilisiert werden, um den Versorgungsauftrag erfüllen zu können. Die Gesellschaft brauche Apotheken in der Fläche mit niedriger Erreichbarkeitsschwelle, aber sie würden als selbstverständlich empfunden. „Wir sind der Fels in der Brandung“ und „immer da, wie Strom aus der Steckdose“, erklärte Overwiening. Um die Apotheken zu stabilisieren, sei auch eine Dynamisierung des Honorars nötig. Apotheken müssten an der wirtschaftlichen Entwicklung teilnehmen. Zur Wertschätzung gehöre auch eine wertschätzende Honorierung. „Dafür werde ich kämpfen“, versicherte die angehende ABDA-Präsidentin. Dabei sollten die Bundesapothekerkammer und der Deutsche Apothekerverband getrennte Aufgaben erfüllen, aber das gleiche Ziel ­verfolgen.

Orientierung auf die Zukunft

Fünftens mahnte Overwiening, die Apotheker sollten sich weniger auf das Geschehene fokussieren. Die ABDA-Gremien hätten sich zuletzt viel mit der Vergangenheit beschäftigt, aber die Vergangenheit sei nicht mehr zu verändern. Stattdessen gelte es die Energie für die Zukunft einzusetzen. Denn noch seien viele Wege in die Zukunft möglich. Ihr Ziel sei, „dass wir uns in die Zukunft bringen, die wir uns wünschen“. In diesem Zusammenhang erinnerte Overwiening an ihr berufspolitisches Engagement für das Perspektivpapier zur „Apotheke 2030“.

Mehr Miteinander

Sechstens forderte die angehende ­ABDA-Präsidentin, den Blick auf das Miteinander in der ABDA zu richten. Das Potenzial für effizientes Teamspiel solle genutzt werden. Es solle mehr vertraulicher Austausch zwischen Haupt- und Ehrenamt sowie zwischen der ABDA und den Landesorganisationen stattfinden. Dazu gehöre Vertraulichkeit in den Gremien, die ein geschützter Raum sein sollten. Diese Vertrauenskultur könne der gestalterischen Arbeit nutzen. Sie wünsche sich „Geschlossenheit und Entschlossenheit“. 60.000 Einzelkämpfer seien gut, aber es sei wichtig, die Kräfte zu bündeln und besonders den Berufsnachwuchs einzubeziehen. Es solle „mit mehr Effizienz und weniger Reibungsverlust“ gearbeitet werden. Dazu gehöre auch externe Expertise, sofern sie konstruktiv sei. Schließlich appellierte Overwiening an die Apotheker, gemeinsam zu entwickeln, was machbar ist.

Honorierung und Vertraulichkeit

Die Delegierten, die sich im Anschluss an den Vortrag Overwienings zu Wort meldeten, äußerten sich ­beeindruckt von der Begeisterung, die die Kandidatin ausgestrahlt habe. Doch sie fragten auch detailliert nach. Zur Frage, wie sie mit der ­Vielfalt der Apotheker und Apotheken umgehen wolle, erklärte Overwiening, wegen der Vielfalt der ­Apotheken seien mehrere Honorierungselemente nötig, damit sich jede Apotheke die passenden Teile zusammenbauen könne. Doch die Basisvergütung müsse weiter an die Arzneimittelpackungen geknüpft sein, weil der Umgang mit den Packungen wesentlich bleibe. Eine hohe Wertschätzung für die Apotheken sei auch die Basis, um die immer unterschiedlicheren Apotheken zu einen. Das Zusammenspiel von Patientenwohl und Wirtschaftlichkeit sei keine Besonderheit der Apotheken, sondern gelte überall im Gesundheitswesen. Auf die Frage nach der Geheimhaltung zu den honorierten Dienstleistungen erklärte Overwiening, dies sei eine strategische Entscheidung gewesen. Denn die ABDA habe befürchtet, dass die gesetzlichen Regelungen über die neuen Dienstleistungen gefährdet würden, wenn zu viel über einzelne Leistungen diskutiert worden wäre. Sie meine jedoch, dass es mit mehr Vertraulichkeit künftig auch anders gehe.

Auch für Apotheker außerhalb der Apotheke

Zur Frage, wie sie Apotheker außerhalb der Apotheke integrieren möchte, verwies Overwiening auf Beispiele aus ihrer Arbeit als Kammerpräsidentin in Westfalen-Lippe. Dort sei geplant, für zehn Jahre eine Stiftungsprofessur für Klinische Pharmazie an der Universität Münster zu finanzieren. Diese werde sich voraussichtlich mit patientenindividueller Pharmakotherapie beschäftigen. Außerdem werde gemeinsam mit der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen versucht, Apotheker auf Station zu etablieren. Dazu gebe es jetzt Projekte über zwei Jahre an fünf Kliniken. Bei einer Zusammenkunft mit Apothekern aus Wissenschaft, Industrie und Verwaltung habe sie an diese appelliert, ihr zu sagen, wo sie ­Unterstützung benötigen. Sie sei „dankbar für Ideen“. In Westfalen-Lippe sei bereits eine Plattform geschaffen worden, um Ideen leicht ­einbringen zu können. So hoffe ­Overwiening auf „Begeisterung durch Mitwirkung“.

Frühe Kandidatur als „Kulturbruch“

Overwiening wurde auch gefragt, wie sie sich erkläre, dass sie bei der Wahl als ABDA-Präsidentin keinen Gegenkandidaten habe. Als möglichen Grund führte sie an, es sei ein „gewisser Kulturbruch“ gewesen, dass sie ihre Kandidatur schon im März erklärt habe. Sie habe damit ein Vakuum bis zur Wahl verhindern wollen. Vielleicht habe das auch einen Überraschungseffekt ausgelöst, und danach habe sich niemand mehr ­damit auseinandergesetzt zu kandidieren.

Die ersten 100 Tage

Auf die Frage nach einem Programm für die ersten 100 Tage erklärte Overwiening, sie wolle zügig Klausurtagungen – zur Not online – abhalten, um die Gremienarbeit zu erneuern. Es gehe um einen gemeinsamen Codex, den Auftritt in den Medien und die Ziele des Gesamtvorstandes. Es sollte geklärt werden, welche Organisation Lust auf welche Themen habe, und es sollten zügig Expertengremien etabliert werden. Als konkreten Inhalt nannte Overwiening insbesondere die bessere Honorierung. Sie betonte, wie wichtig die Anfangsphase der Arbeit sei. Es sei wichtig, von Anfang an Pflöcke einzuschlagen. |

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