Kandidatin für das ABDA-Präsidentenamt

Overwiening für pharmazeutischen Aufbruch und wertschätzende Honorierung

Kiel - 19.11.2020, 13:00 Uhr

Gabriele Regina Overwiening will ABDA-Präsidentin werden. Bei der  Online-Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein sprach sie über ihre Ziele. (c / Foto: AKWL)

Gabriele Regina Overwiening will ABDA-Präsidentin werden. Bei der  Online-Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein sprach sie über ihre Ziele. (c / Foto: AKWL)


Die einzige Kandidatin für das ABDA-Präsidentenamt, Gabriele Regina Overwiening, hat deutlich gemacht, was sie in ihrem neuen Amt erreichen möchte. Sie wünscht sich eine starke ABDA, die sich traut, an die Spitze der Digitalisierung zu gehen. Gesellschaftlicher Umbruch sollte für pharmazeutischen Aufbruch genutzt werden. Die Apotheke vor Ort sei das Fundament für diese Arbeit und darum müsse sie durch eine wertschätzende Honorierung gestärkt werden – dafür werde sie kämpfen, erklärte Overwiening bei einer Präsentation ihrer Ziele.

Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, ist die einzige Kandidatin für die Wahl des ABDA-Präsidenten am 9. Dezember. Bei der Online-Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am gestrigen Mittwoch stellte sie ihre Ziele und Ideen für ihre erwartete neue Arbeit in einem engagierten Vortrag vor. Die Delegierten zeigten sich beeindruckt, soweit dies im Online-Format erkennbar war. Overwiening beschrieb ihre Grundhaltung mit dem Sartre-Zitat, sie wolle „der Wirklichkeit zur Wirksamkeit verhelfen“. Denn die Wirklichkeit der Arbeit der Apotheker scheine in der Politik und der Öffentlichkeit nicht immer wirksam zu werden. Dabei habe sie sechs Kernthemen. 

Erstens beklagte sie die Bagatellisierung des Arzneimittels. Viele würden nur den Preis als Qualität wahrnehmen und bekämen es gerne bequem auf die Couch geliefert. Doch Arzneimittelversorgung sei Daseinsvorsorge und Staatsauftrag. Darum müsse auch der Staat gegen die Bagatellisierung eintreten. 

Digitalisierung zum Nutzen von Patienten und Apotheken

Zweitens möchte die angehende ABDA-Präsidentin den gesellschaftlichen und technologischen Umbruch für einen pharmazeutischen Aufbruch nutzen. Angesichts immer komplexerer Arzneitherapien sei die Zeit reif. „Man braucht uns dafür“, erklärte Overwiening im Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapiesicherheit. 

Drittens möchte sie „den Nutzen der Digitalisierung für die Apotheken heben“. Die Patienten sollten so besser versorgt und mehr an die Apotheken gebunden werden. Die Digitalisierung solle die Apotheker in die häusliche Umgebung der Patienten bringen. „Dafür ist eine starke ABDA nötig, die sich traut, an die Spitze der Digitalisierung zu gehen“, erklärte Overwiening. Die ABDA müsse selbst Innovationsmotor sein. Die Apotheker sollten die Angst vor nicht steuerbaren disruptiven Prozessen ablegen, forderte Overwiening. Stattdessen sei Begeisterung für die Digitalisierung gefragt. 

Honorierung als Basis für unverzichtbare Arbeit

Viertens betonte Overwiening, die Apotheke vor Ort sei das Fundament für diese Arbeit. Sie müsse stabilisiert werden, um den Versorgungsauftrag erfüllen zu können. Die Gesellschaft brauche Apotheken in der Fläche mit niedriger Erreichbarkeitsschwelle, aber sie würden als selbstverständlich empfunden und darum oft nicht wahrgenommen. „Wir sind der Fels in der Brandung“ und „immer da, wie Strom aus der Steckdose“, erklärte Overwiening. Um die Apotheken zu stabilisieren, sei auch eine Dynamisierung des Honorars nötig. Apotheken müssten an der wirtschaftlichen Entwicklung teilnehmen. Zur Wertschätzung gehöre auch eine wertschätzende Honorierung. „Dafür werde ich kämpfen“, versicherte die angehende ABDA-Präsidentin. Dabei sollten die Bundesapothekerkammer und der Deutsche Apothekerverband getrennte Aufgaben erfüllen, aber das gleiche Ziel verfolgen. 



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Strom aus der Steckdose gibts aber nur bei bezahlter Rechnung

von Benjamin Schäfer am 19.11.2020 um 15:51 Uhr

Die Digitaliserung wird ein Jobkiller sein. Die freien Berufe werden ihr reihenweise zum Opfer fallen. Den Patienten wird sie zunächst viel erleichtern, um Ihnen dann zu schaden. Die Digitalierung spielt Katz und Maus mit dem Datenschutz. Die Digitaliseung wird das Vertrauen in Gesundheitsberufe drastisch senken, da an die Stelle der Menschlichkeit die Anonymität tritt. Die Digitalierung wird viel Geld generieren für wenige Akteure in Großkonzernen und unter Aktionären. Die Digitlaiserung wird die freiheitlich demokratische Grundordnung gefährden und schließlich - wenn einige der führenden Vordenker im Silicon-Valley Recht behalten - den Menschen durch eine Art digitalen Überbermenschen ablösen - Stichwort Transhumanismus.
Aber was solls, Augen zu und begeistert sein... denn je öfter das Mantra der "Digitaliserung ohne Bedenken" ertönt, desto alternativloser scheint sie zu werden.
Und noch etwas zum Honorar und zum Thema Wertschätzung. Wenn die gleiche Wertschätzung in der Form kommt, wie sie sich in den Retaxationen zeigt - wie soll man dann die Kassen überzeugen für mehr High - End - Pharmazie noch mehr Geld zu bezahlen? Ich hab vor wenigen Jahren genauso gedacht - und es mir zugetraut aktiv für höhere Arzneimitteltherapiesicherheit, weniger Wechselwirkungen und Verordnungsfehler zu kämpfen, den Beweis anzuführen, dass wir uns vom Schubladenschubser abheben, doch es hat sich als substanzloser rausgestellt als es viele von uns wohlmöglich immer noch träumen. Für die Beweisführung brauchen wir Zahlen. DIese können wir aber nur erbringen, wenn Apotheken flächendeckend diese High-End-Pharmazie leisten. Das geht aber nur bei finanzieller Vorleistung der Kassen. Die Idelavorstellung der ABDA scheint aber zu sein, dass wir diese Vorleistung über Jahre aus eigener Kraft erbringen, bis eindeutig belegbar ist, das wir Hospitaliserungen zu einem erheblichen Maße vermeiden können. Konkretes Beispiel dazu. Ich hatte vor 2 Wochen einen Patienten ü80, der vom Zahnarzt nicht nur das falsche Medikament (Ciprofloxazin statt Sympal) verordnet bekam, sondern damit auch eine Wechselwirkung mit seinen anderen Medis mit hoher klinischer Relevanz (long QT Syndrom). Hätte er das online eingelöst, wäre es mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit schiefgelaufen. Ich verbrachte allein 2 Stunden mit der Kontaktaufnahme zum Arzt, dann Dolmetscher für den Patienten, der überhaupt nicht wusste wie ihm geschah und zu guter letzt hatte ich ein Rezept, was ich so nichtmal abrechnen kann. Die AOK ist bei uns schon soweit, dass sie uns nichtmal zugesteht wegen Teilbarkeitsproblemen oder Non-Compliance pharmazeutische Bedenken anzuwenden und dennoch wird von uns erwartet ehrenamtlich High-End-Pharmazie zu machen in der Hoffnung, dass es irgendwann mal jemand wertschätzt? Wie naiv wollen wir denn bitte noch werden?

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