Arzneimittel und Therapie

Alternative Coxibe

Umstrittene NSAR nach Herzinfarkt wieder in der Diskussion

Nichtsteroidale Antirheumatika sollten nach einem Herzinfarkt vermieden werden. Doch gibt es möglicherweise Unterschiede zwischen den Entzündungshemmern, die einen bedachten Einsatz einzelner Substanzen erlauben? Daten aus Korea geben nun Aufschluss.

Leitlinien zufolge sollen Patienten, die vor Kurzem einen Herzinfarkt erlitten hatten, keine nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) einnehmen. Dies hat folgenden Hintergrund: Nach einem Myokardinfarkt wird in der Regel eine antithrombotische Therapie durchgeführt. Die zusätzliche Einnahme eines NSAR erhöht das Blutungs­risiko sowie das Risiko, ein weiteres kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden. Wie aber vorgehen, wenn eine Therapie mit NSAR unbedingt erforderlich ist, was oftmals der Fall ist? Eine koreanische Arbeitsgruppe befasste sich mit dieser Frage. Dazu wurden das Auftreten thromboembolischer kardiovaskulärer Ereignisse sowie das Auftreten von Blutungen bei Patienten, die bereits einen Herzinfarkt erlitten hatten, mit der Einnahme etlicher NSAR oder keiner Einnahme eines NSAR in Beziehung gesetzt. Daten von 108.232 Patienten im medianen Alter von knapp 65 Jahren wurden ausgewertet; das Follow-up betrug 2,3 Jahre.

Deutliche Risikoerhöhung

Die NSAR-Einnahme von Herzinfarkt-Patienten war mit einem fast siebenfach erhöhten Risiko für erneute kardiovaskuläre Komplikationen assoziiert. Das Blutungsrisiko war um das Vierfache höher als bei Patienten, die kein NSAR einnahmen. Die Gefahr betraf alle Patienten, unabhängig davon, welchen Thrombozytenaggregationshemmer sie in welcher Kombination eingenommen hatten. Bereits eine einwöchige NSAR-Therapie reichte aus, um das Risiko der Patienten zu steigern. Das Ausmaß der Risikoerhöhung war substanzabhängig. Das höchste kardiovaskuläre Risiko wurde unter der Einnahme von Dexibuprofen ermittelt, das höchste Blutungsrisiko unter Naproxen. Das geringste Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Blutungen wurde für Celecoxib und Meloxicam ermittelt (s. Tabelle).

Tab.: Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Blutungen unter verschiedenen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR)
Adjustiertes Risiko (95%-Konfidenzintervall)
Medikation
Kardiovaskuläre Ereignisse
Blutungen
Keine Einnahme von NSAR
1,0 (Referenz)
1,0 (Referenz)
Irgendein NSAR
6,96 (6,24 bis 7,77)
4,08 (3,51 bis 4,73)
Celecoxib (z. B. Celebrex®)
4,65 (3,17 bis 6,82)
3,44 (2,20 bis 5,39)
Meloxicam (z. B. Meloxicam AL)
3,03 (1,68 bis 5,47)
2,08 (1,40 bis 5,60)
Aceclofenac (Beofenac®)
5,85 (4,38 bis 7,81)
4,15 (2,98 bis 5,79)
Diclofenac (z. B. Diclo 25 1A Pharma®)
7,27 (6,34 bis 8,38)
4,15 (3,45 bis 4,99)
Naproxen (z. B. Naproxen AL)
10,60 (6,77 bis 16,59)
6,15 (3,31 bis 11,43)
Ibuprofen (z. B. Ibuflam®)
8,17 (5,38 bis 12,41)
3,69 (1,92 bis 7,09)
Dexibuprofen (z. B. Deltaran®)
12,96 (7,37 bis 22,79)
3,91 (1,47 bis 10,40)

Zweite Chance für Coxibe?

In dieser Studie – mit der größten Kohorte zu obiger Fragestellung – zeigte sich für Celecoxib und Meloxicam ein günstigeres Sicherheitsprofil als für andere NSAR. Die Studienautoren erklären dies mit der hohen Selektivität beider Substanzen für das Isoenzym COX-2. Dagegen hemmen nicht-selektive COX-Hemmer wie Naproxen neben COX-2 auch COX-1, weshalb diese die Schleimhaut im Magen-Darm-Trakt angreifen und mit der Plättchen-hemmenden Wirkung von Acetylsalicylsäure interferieren können.

Das Ergebnis obiger Studie hat auch Einfluss auf die aktuelle, revidierte Einschätzung der kardialen Sicherheit von Coxiben. Zur Erinnerung: 2004 wurde Rofecoxib, der erste COX-2-Hemmer vom Markt genommen, da er in einer Studie das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle im Vergleich zu Placebo nahezu verdoppelte. Erst 2016 wurden COX-2-Hemmer nach den Ergebnissen der PRECISION-Studie wieder rehabilitiert. In dieser von der FDA geforderten Sicherheitsstudie hatte sich Celecoxib unter kardiovaskulären Aspekten als genauso sicher erwiesen wie Ibuprofen oder Naproxen. Somit haben zwei größere Studien, obige Studie und die PRECISION-Studie gezeigt, dass Celecoxib für Herzinfarkt-Patienten nicht gefährlicher ist als andere NSAR – es scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. Ist der Einsatz eines NSAR bei Herzinfarktpatienten nicht zu umgehen, sollten bevorzugt Meloxicam oder Celecoxib eingesetzt werden, so das Fazit der Studienautoren. |

Literatur

Oh Kang D et al. Cardiovascular and Bleeding Risks Associated With Nonsteroidal Anti-Inflammatory Drugs After Myocardial Infarction. J Am Coll Cardiol. 2020,76(5):518–29.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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