Arzneimittel und Therapie

COX-2-Hemmer: Bericht über Nebenwirkungen häufen sich

Die Einführung der COX-2-Hemmer Rofecoxib und Celecoxib sollte die Rheumatherapie revolutionieren: Die neuen Wirkstoffe versprachen eine selektivere Wirkung und sollten im Vergleich zu herkömmlichen nichtsteroidalen Antirheumatika ein deutlich verringertes Risiko für die gefürchteten Schäden an Magen und Darm aufweisen. Das schien auch den hohen Preis für die Innovationen zu rechtfertigen. Doch jetzt geraten die neuen Substanzen unter Druck. Nachdem das "arznei-telegramm" seit Monaten Berichte über unerwünschte Wirkungen veröffentlicht, greift nun der "Spiegel" vom 10. September dieses Thema auf. Der Hauptvorwurf: COX-2-Hemmer könnten Herzinfarkte begünstigen.

Im Dezember 1999 kam mit Rofecoxib (Vioxx®) der erste selektive COX-2-Hemmer zur symptomatischen Behandlung von Schmerzen bei degenerativen Gelenkerkrankungen auf den Markt. Wenig später folgte im Juni 2000 Celecoxib (Celebrex®), das zur symptomatischen Behandlung bei aktivierter Arthrose und rheumatoider Arthritis zugelassen ist. Von den neuen Substanzen versprach man sich weniger gastrointestinale Nebenwirkungen als bei herkömmlichen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR).

Weniger Schäden am Gastrointestinaltrakt?

COX-2-Hemmer haben anscheinend tatsächlich weniger schädliche Wirkungen auf Magen und Darm als herkömmliche nichtsteroidale Antirheumatika. Das zeigte sich in zahlreichen Studien, deren Ergebnisse allerdings teilweise umstritten sind.

So nahmen in der VIGOR-Studie (VIoxx Gastrointestinal Outcomes Research) rund 8000 Patienten mit rheumatoider Arthritis täglich 50 mg Rofecoxib oder 1000 mg Naproxen ein. In dieser Studie halbierte Rofecoxib das Risiko gesicherter Komplikationen am oberen Magen-Darm-Trakt von 3% auf 1,4% (Ulkus, Blutungen). Deshalb darf bei Rofecoxib nach einer Entscheidung der amerikanischen Arzneimittelbehörde in der Produktinformation darauf hingewiesen werden, dass die Substanz den Magen-Darm-Trakt weniger schädigt als Naproxen.

Für Celecoxib wies die FDA dagegen Ansprüche der Herstellerfirmen zurück, nach denen Celecoxib Verträglichkeitsvorteile gegenüber älteren nichtsteroidalen Antirheumatika besitzen soll. Für Celecoxib wurde nämlich nur gezeigt, dass es im Hinblick auf endoskopisch sichtbare Ulzera im Magen und Zwölffingerdarm besser verträglich ist als Naproxen. Endoskopisch sichtbare Ulzera sagen allerdings noch nicht viel über tatsächlich auftretende Ulkuskomplikationen aus.

Bei Rofecoxib halbierten sich zwar die Ulkuskomplikationen, dyspeptische Nebenwirkungen betrafen allerdings innerhalb von sechs Monaten 23,5% der mit Rofecoxib gegenüber 25,5% der mit konventionellen NSAR Behandelten. Danach näherten sich die Nebenwirkungsraten sogar noch weiter an.

Vor allem für Hochrisikopatienten

Erfahrungsgemäß tragen Patienten mit chronischer Polyarthritis ohne besondere Risikofaktoren für NSAR-induzierte Ulzera nur ein 0,4%-iges Risiko für eine Ulkuskomplikation. Bei einer Halbierung des Risikos ließe sich erst durch Ersatz konventioneller NSAR durch COX-2-Hemmer bei 500 Patienten eine einzige Ulkuskomplikation sicher verhindern.

Anders ist die Situation bei Hochrisikopatienten: 75-Jährige mit einer Ulkus- und gastrointestinalen Blutungsanamnese haben ein 5%-iges Risiko für eine erneute Ulkuskomplikation unter NSAR. Hier ließe sich bei einer Risikohalbierung bereits durch Behandlung von 40 Patienten mit COX-2-Hemmern eine Ulkuskomplikation verhindern. Von vorsichtigen Fachleuten wurde deshalb bisher der Einsatz der teuren Neuerungen vor allem für Hochrisikopatienten empfohlen.

Celecoxib plus ASS: nicht besser als andere NSAR

In der CLASS-Studie (Celecoxib Long-term Arthritis Safety Study) wurde die Kombination von Celecoxib mit Acetylsalicylsäure untersucht. Hier nahmen rund 8000 Patienten, davon über 70% mit Arthrose, täglich 800 mg Celecoxib, 2400 mg Ibuprofen oder 150 mg Diclofenac ein. Auch hier war die Rate gastrointestinaler Komplikationen unter der Therapie mit Celecoxib nach einem halben Jahr mit 0,8% fast um die Hälfte niedriger als bei den klassischen NSAR mit 1,5.

Allerdings zeigte sich dieser Unterschied nur bei den Patienten, die keine Acetylsalicylsäure eingenommen hatten. Bei gleichzeitiger Einnahme von Acetylsalicylsäure unterschied sich die Gefährdung unter der Therapie mit Celecoxib im Vergleich zu Ibuprofen und Diclofenac mit jeweils 2% praktisch nicht. Ein weiterer Kritikpunkt: Ergebnisse für eine längere Behandlungsdauer sind bisher nicht veröffentlich worden. Möglicherweise schneidet Celecoxib hier nicht mehr so gut ab.

Erhöhtes Risiko für Herzinfarkt?

Vielleicht sind Coxibe in anderer Hinsicht sogar gefährlicher als herkömmliche NSAR: In der VIGOR-Studie zeigte sich unter der Therapie mit Rofecoxib eine gefährlich Nebenwirkung: Hier erlitten viermal so viele Personen einen Herzinfarkt wie unter der Behandlung mit Naproxen (0,4 vs. 0,1%). Das könnte nach Meinung der Studienärzte daran gelegen haben, dass die Patienten keine niedrig dosierte Acetylsalicylsäure einnehmen durften, was bei einigen Patienten erforderlich gewesen wäre.

Andererseits könnten nach diesen Ergebnissen die Coxibe das Risiko für thromboembolische kardiovaskuläre Ereignisse steigern. Dieser Meinung war jedenfalls die FDA. Hier habe sich ein "signifikanter Unterschied in der Gesamtheit von Schlaganfällen, Herzinfarkten und plötzlichem Herztod zu Ungunsten von Rofecoxib" gezeigt, so die amerikanische Gesundheitsbehörde. Die Gesamtsterblichkeit war bei Rofecoxib sogar etwas höher: 0,54 im Vergleich zu 0,37% bei Naproxen.

Außerdem können beide Coxibe den Blutdruck deutlich erhöhen. Wie andere NSAR beeinflussen auch die neuen COX-2-Inhibitoren das Renin-Angiotensin-Aldosteron- und das renale Prostaglandin-System. Als Folge einer renalen Natriumretention kann der Blutdruck ansteigen. Daher sollten diese Substanzen bei Hochdruckpatienten nur unter sorgfältiger Blutdruckkontrolle eingesetzt werden.

Derzeit werden noch weitere Nebenwirkungen der COX-2-Hemmer diskutiert: Sie stehen im Verdacht, ein Glaukom auslösen zu können. Dies gilt insbesondere bei Kombinationen mit Glucocorticoiden und bei Glaukompatienten bzw. positiver Familienanamnese für ein Glaukom. Andere unerwünschte Wirkungen betreffen die Haut: So kommt es unter der Therapie mit Celecoxib doppelt so häufig (6,2 %) zu Hautausschlägen und Juckreiz als beispielsweise unter Diclofenac.

Literatur Bombardier, C., et al. (VIGOR = Vioxx Gastrointestinal Outcome Research). N. Engl. J. Med. 343, 1520 ff. (2000). Silverstein, F. E., et al, (CLASS = Celecoxib Long-term Arthritis Safety Study). J. Am. Med. Assoc. 284, 1247 ff. (2000). Langmann, M. J., et al. J. Am. Med. Assoc. 282, 1929 - 1933 (1999) Peterson, W. L., B. Cryer. J. Am. Med. Assoc. 282, 1961-1963 (1999) Simon, L. S., et al. J. Am. Med. Assoc. 282, 1921 - 1928 (1999) Arzneimittelbrief 34, 73 (2000)

Die Einführung der COX-2-Hemmer Rofecoxib und Celecoxib sollte die Rheumatherapie revolutionieren: Die neuen Wirkstoffe sollten im Vergleich zu herkömmlichen nichtsteroidalen Antirheumatika ein deutlich verringertes Risiko für die gefürchteten Schäden an Magen und Darm aufweisen. Das schien auch den hohen Preis für die Innovationen zu rechtfertigen. Doch jetzt geraten die neuen Substanzen unter Druck. Nachdem das "arznei-telegramm" seit Monaten Berichte über unerwünschte Wirkungen veröffentlicht hat, greift nun der "Spiegel" dieses Thema auf. Der Hauptvorwurf: COX-2-Hemmer könnten Herzinfarkte begünstigen.

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